Der Begriff „Mujahidin“ bezeichnet pan-islamistisch orientierte Kämpfer unterschiedlicher ethnischer Herkunft, die an Kampfeinsätzen etwa in Afghanistan, Bosnien, Tschetschenien oder im Kaschmir teilgenommen haben. Das Entstehen der, auch als Jihadisten bezeichneten, „Mujahidin“ geht auf den Afghanistan-Krieg zurück, als sich 1979 freiwillige „Kämpfer“ dem, unter dem Motto des Jihad geführten, Krieg gegen die sowjetische Besatzung anschlossen und dafür vor allem in afghanischen und pakistanischen Militärlagern ausgebildet wurden.
Die Lage im von Krieg und Bürgerkrieg gezeichneten Afghanistan bot ideale Bedingungen für die ideologische Schulung und terroristische Ausbildung der „Mujahidin“. Hierzu gehörten ein weitgehend rechtsfreier Raum, Kampfgebiete sowie die Tatsache, dass sich im Bürgerkrieg 1996 die islamistischen „Taliban-Kämpfer“ durchsetzten. Die terroristischen Aktivitäten der „Mujahidin“ richteten sich ab 1992 vor allem gegen Ägypten und Algerien, nachdem sich einzelne Kämpfer des Afghanistan-Kriegs den dortigen militanten islamistischen Gruppierungen angeschlossen hatten.
Im Zentrum der „Mujahidin“ steht die von Usama Bin Ladin Ende der 1980er Jahre gegründete Organisation „al-Qaida“ („Die Basis“), die sich vermutlich Mitte der 1990er Jahre mit Teilen der militanten ägyptischen Gruppen „al-Jihad al-islami“ („Der islamische Kampf“) und „al-Jama’a al-islamiya“215 („Die islamische Gemeinschaft“) zu einem transnationalen Netzwerk zusammenschloss. Bin Ladin wurde im Mai 2011 von US-Einheiten bei seiner Festnahme in Pakistan getötet. Zu seinem Nachfolger wurde sein Stellvertreter Aiman al-Zawahiri, ehemaliger Führer der ägyptischen Gruppe „al-Jihad al-islami“, bestimmt.
Programmatische Grundlage der internationalen Anschläge von „al-Qaida“ war der von Bin Ladin 1998 unterzeichnete Aufruf der „Islamischen Weltfront für den Jihad gegen Juden und Kreuzzügler“, den die Verfasser als ein religiöses „Rechtsgutachten“ („fatwa“) deklarierten. Darin waren die Tötung von Amerikanern zur individuellen Pflicht eines jeden Muslims erhoben, die Stationierung von US-Truppen in Saudi-Arabien für unzulässig erklärt und als Ziel die Verdrängung der USA von der Arabischen Halbinsel genannt worden. Hierzu sollten die USA als Schutzmacht Saudi-Arabiens angegriffen und, wie bereits
die Anschläge auf die amerikanischen Botschaften in Kenia und Tansania 1998 sowie auf das Marineschiff USS Cole 2000 zeigten, möglichst viele US-Bürger getötet werden. In der Verlautbarung heißt es:
„Das Urteil, die Amerikaner und ihre Alliierten, Zivilisten und Militärs gleichermaßen zu töten, wo immer ihm dies möglich ist, ist eine individuelle Pflicht für jeden Muslim, der hierzu in der Lage ist, bis die Aqsa-Moschee [in Jerusalem] und die Heilige Moschee [in Mekka] von ihnen befreit sind und bis ihre Armeen das gesamte Territorium des Islam verlassen haben, geschlagen und unfähig, irgendeinen Muslim noch zu bedrohen“ (Vgl. Nass Bayan al-Jabha al-islamiya al-alamiya li-Jihad al-Jahud wa’l-Salibiyin. In: „al-Quds al-arabi“ vom
23.2.1998. Eine englische Übersetzung findet sich im Internet unter www.fas.org/irp/world/para/docs/980223-fatwa.htm).
Statt Anschlägen von Kern-„al-Qaida“ standen seit 2004 terroristische Aktivitäten anderer „Mujahidin“-Organisationen, eigenständig operierender Kleingruppen oder radikalisierter Einzeltäter im Vordergrund. Sie gelten, auch wenn sie nicht organisatorisch an „al-Qaida“ gebunden sind, als von der „al-Qaida“-Ideologie „inspiriert“. Ein bezeichnendes Beispiel ist der Nigerianer Umar Farouk A., der im Dezember 2009 versuchte, in Detroit einen Anschlag auf ein US-Flugzeug zu verüben und von Passagieren nach einer Fehlzündung des Sprengsatzes überwältigt werden konnte. Seinerzeit war ein mit „Operation des Bruders und Mujahidis Umar al-Faruq al-N., Vergeltung der amerikanischen Feindseligkeiten
gegen den Jemen“ betiteltes Selbstbezichtigungsschreiben von „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ (AQAH) in einem jihadistischen Internetforum sichergestellt worden. Umar Farouk A. wurde im Februar 2012 für diese Tat von einem US-Bundesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt.
Für einen Teil der internationalen Anschläge sind so genannte „homegrown“-Terroristen verantwortlich. Hierbei handelt es sich um radikalisierte Muslime der zweiten und dritten Einwanderergeneration oder um radikalisierte Konvertiten. Obwohl diese Personen in europäischen Ländern geboren und aufgewachsen sind, bekämpfen sie westliche Staaten mit terroristischen Mitteln. Hierbei zielen sie ausdrücklich auch auf Zivilisten ab. Dies gilt etwa für die von „homegrown“-Tätern verübten Anschläge von Madrid (2004) und London (2005) sowie das Attentat auf den niederländischen Filmemacher Theo van Gogh (2004). In Deutschland wurden 2007 zwei Konvertiten und zwei hier lebende Personen türkischer Herkunft wegen der Planung von Anschlägen festgenommen und 2010 in Düsseldorf zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (so genannte „Sauerland-Gruppe“). Auch der deutsche Konvertit Eric B. und der aus Deutschland stammende Türke Cüneyt C. sind Beispiele für Jihadisten, die
sich in Deutschland radikalisiert haben. Cüneyt C. verübte 2008 einen Selbstmordanschlag in Afghanistan, bei dem er vier Soldaten tötete und zahlreiche Personen verletzte. Eric B., der sich seit Herbst 2007 bei der „Islamischen Jihad-Union“ (IJU) im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aufgehalten hatte, wurde Ende April 2010 bei Kämpfen getötet. Mit ihm starben der Deutsch-Türke Ahmet M. und der aus Holland stammende Berliner Danny R.
Neben Kern-„al-Qaida“ haben sich in den vergangenen Jahren regionale „al-Qaida“-Organisationen herausgebildet. Die im Irak seit 2003 unter verschiedenen Namen operierende „al-Qaida im Irak“ bezeichnet sich seit Oktober 2006 als „Islamischer Staat Irak“.Die Organisation verfolgt das Ziel, die irakische Regierung sowie Schiiten und Kurden zu bekämpfen. Obwohl seit 2007 infolge erhöhten Verfolgungsdrucks ein spürbarer Rückgang terroristischer Gewalt festzustellen war, verübte der „Islamische Staat Irak“ auch 2012 eine Reihe schwerer Anschläge, die insbesondere auf die Zivilbevölkerung und irakische Sicherheitskräfte zielten. Auch Anschläge gegen christliche Gemeinschaften nahmen stark zu.
Zu den regionalen Zweigen von „al-Qaida“ gehört auch die algerische „Groupe Salafiste pour la Prédication et le Combat“ (GSPC),219 die sich 2007 in „al-Qaida im islamischen Maghreb“ (AQM) umbenannte und hiermit eine stärkere internationale Ausrichtung signalisiert. Seither ist AQM der zentrale Gewaltakteur in der Region. Mit der Umbenennung näherte sich der Modus Operandi bei der Durchführung von Anschlägen dem von „al-Qaida“ an. Die Anschläge richteten sich nunmehr verstärkt gegen westliche Ausländer und regionale Sicherheitskräfte. Nach der Tötung eines Amerikaners und einer britischen
Geisel 2009 wurden 2010 sieben Mitarbeiter eines französischen Unternehmens in Niger, darunter fünf Franzosen sowie ein Staatsbürger aus Togo und Madagaskar, entführt. Zu den Anschlägen auf Sicherheitskräfte zählen ein Angriff auf algerische Grenzschützer 2010 mit elf Toten und ein Selbstmordanschlag auf eine Kaserne des mauretanischen Militärs 2010, bei dem mindestens zwei Soldaten starben.
Die Ende Januar 2009 durch den Zusammenschluss der „al-Qaida im Jemen“ (AQJ) und dem saudischen „al-Qaida“-Zweig entstandene „al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel“ (AQAH) hat sich zu einer schlagkräftigen Terrororganisation entwickelt und dabei auch den internationalen Luftverkehr attackiert. Hierzu zählen die Anschlagsversuche auf zwei Luftfrachtmaschinen im Oktober 2010, bei denen die Sprengsätze noch rechtzeitig entschärft werden konnten. Die Verantwortung der AQAH für den Absturz eines Jumbos im
September 2010 in Dubai ist noch unklar. Die AQAH hat damit ihren Modus Operandi signifikant verändert und beschränkt ihre gewaltsamen Aktionen nicht länger auf die arabische Halbinsel.
Im Februar 2012 schloss sich die somalische Terrororganisation „Harakat al-Shabab al-Mujahidin“ (Bewegung der Mujahidin-Jugend, kurz „al-Shabab“) „al-Qaida“ an. „Al-Shabab“ bildete sich 2006 im Umfeld der radikal-islamistischen „Union der islamischen Gerichtshöfe“ (UIG), einer 2007 besiegten Dachorganisation von Islamisten im somalischen Bürgerkrieg. Sie entwickelte sich zur stärksten islamistisch-terroristischen Terrororganisation in Somalia und beherrscht weite Teile des Landes. Ziel ist die Bekämpfung der somalischen
Regierung und die Errichtung einer Kalifatsherrschaft. Auch für Entführungen
von Personen aus dem westlichen Ausland, Bombenanschläge und Selbstmordattentate wird „al-Shabab“ verantwortlich gemacht. In den von ihr beherrschten Gebieten setzt „al-Shabab“ ihre Vorstellungen vom islamischen Recht (Scharia) äußerst gewaltsam durch.
Eine durch „al-Qaida“ zumindest inspirierte Gruppe ist die 2002 gegründete „Islamische Jihad-Union“ (IJU), die eine Abspaltung von der „Islamischen Bewegung Usbekistan“ (IBU) darstellt. Die Führung der IJU unterhält Kontakte zu „al-Qaida“ und gilt als von deren Ideologie beeinflusst. Die Mitglieder der IJU verstehen die Ausübung des militanten Jihad als einen Teil muslimischer Glaubenspraxis. Sie behaupten, den militanten Jihad gegen westliche Staaten ausüben zu müssen, weil diese angeblich einen „Krieg gegen den Islam
und die Muslime“ führten. Die IJU hatte zunächst regionale Ziele verfolgt, weitete aber seit 2005 ihren auf Usbekistan beschränkten Aktionsradius aus und hat seitdem eine transnationale jihadistische Ausrichtung, die auch Anhänger in Europa gewinnt. So plante die 2007 enttarnte „Sauerland-Gruppe“ ihre Anschläge im Auftrag der IJU. Ende 2009 spaltete sich von der IJU eine Gruppe deutschsprachiger Muslime ab, die sich „Deutsche Taliban Mujahidin“ (DTM) nannten. Nachdem der mutmaßliche Anführer Ahmet M. sowie weitere Mitglieder im Frühjahr 2010 bei Kämpfen starben und andere die Gruppierung mit dem Ziel einer Rückkehr nach Deutschland verließen, existiert die DTM mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr.
Auch die „Islamische Bewegung Usbekistan“ (IBU) gilt als von der al-Qaida“-Ideologie inspiriert. Die 1997 gegründete Organisation verfolgte ursprünglich eine regionale Agenda, die auf einen Sturz des usbekischen Präsidenten Karimov zielte. Seit 2000 wurden auch ihre Ziele internationaler. Die IBU operiert hauptsächlich im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet. In der Bundesrepublik ist sie bislang vor allem durch Veröffentlichungen deutschsprachiger Videos der beiden Bonner Brüder Mounir und Yassin C. bekannt geworden.
Zu den Mujahidin gehören auch die Kämpfer des 2007 gegründeten „Kaukasischen Emirats“ im südlichen Russland. Diese Jihadisten hatten sich zunächst auf Tschetschenien beschränkt, weiteten aber ihre bewaffneten Operationen auf den gesamten Nordkaukasus, insbesondere auf Dagestan und Inguschetien sowie auf Russland aus. So verübten im März 2010 kaukasische Selbstmordattentäterinnen Anschläge auf die Moskauer Metro. Der selbsternannte „Emir der kaukasischen Völker“ Dokku Umarov bezichtigte sich, die Anschläge angeordnet zu haben. Er erklärte die Russische Föderation, die USA, Großbritannien sowie Israel zu Feinden der Muslime und unterstellte ihnen, einen „Krieg gegen den Islam“ zu führen. Umarov fordert, die von ihm als „ungläubig“ diffamierten Feinde nicht allein aus dem Kaukasus, sondern aus sämtlichen früheren muslimischen Territorien zu vertreiben.