Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung und der Berliner Verfassungsschutz luden am 28. November 2017 Mitarbeiter von Behörden sowie Vertreter der Zivilgesellschaft zu einer gemeinsamen Fachtagung ein. Das Thema der Kooperationsveranstaltung lautete „Selbsternannte „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als Herausforderung“. Ziel war es, die Teilnehmer über Strukturen und Aktivitäten der Szene zu informieren sowie Handlungs- und Verhaltensempfehlungen für den Umgang mit dieser Klientel zu diskutieren. Sowohl das bundesweit auf mittlerweile 15.000 angewachsene Personenpotenzial (Berlin: 450) als auch der gestiegene Aktionsgrad unterstreichen die Wichtigkeit, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Zu den typischen Betätigungen der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ gehören Vielschreiberei, Bedrohungen, Einschüchterungsversuche und die Erstellung von Fantasieausweisen und -dokumenten. Einige „Reichsbürger“ zielen auf die Geltendmachung von Forderungen ab. Bei der sogenannten „Malta-Masche“ werden Schadensersatzforderungen über eine auf Malta gegründete und als Inkassobüro getarnte Briefkastenfirma gestellt. Darüber hinaus besteht in Teilen der Szene eine hohe Waffenaffinität. Im Fokus ihrer Aktionen stehen dabei fast immer Angehörige von Verwaltungen, Polizei und Gerichten.
„Der Bedarf an Informationen über die Reichsbürgerbewegung, vor allem bei Behördenmitarbeitern, ist riesig“, betonten Thomas Gill, Leiter der Berliner Landeszentrale für politische Bildung und Bernd Palenda, Leiter des Berliner Verfassungsschutzes in ihrer Begrüßung. Grund genug, sich in der Informations- und Aufklärungsarbeit zusammen zu tun und Hintergründe sowie Handlungsmöglichkeiten für die Praxis zu liefern. Beide Institutionen hätten zwar unterschiedliche Aufträge und arbeiteten mit verschiedenen Methoden. Jedoch verfolgten beide ein gemeinsames Ziel: das Wirken für die Demokratie, so Gill und Palenda.
In ihren Vorträgen gingen Michael Hüllen, Verfassungsschutz Brandenburg, und Bernd Palenda zunächst auf die Ideologie, Organisation, Strategie, das Gefährdungspotenzial sowie auf die aktiven Berliner Gruppierungen ein. Diese Aspekte vertieften die Referenten und Teilnehmer in der anschließenden Podiumsdiskussion.
Am Nachmittag kamen die Teilnehmer in vier Workshops mit Experten aus verschiedenen Bereichen ins Gespräch. Gerhard Wetzel, Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg, erläuterte „Rechtliche Handlungsmöglichkeiten“ und gab darüber hinaus Einblicke in seine eigenen beruflichen Erfahrungen mit „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“. Wie deren psychologisches Profil aussieht, thematisierte Jan-Gerrit Keil, Kriminalpsychologe beim Landeskriminalamt Brandenburg. Was passiert, „Wenn Reichsbürger auf Verwaltung treffen“, diskutierte Reinhard Neubauer, Justiziar im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Schließlich ging Stefan Lauer von der Amadeu Antonio Stiftung auf „Zivilgesellschaftliche und politische Handlungsstrategien“ ein. In allen Vorträgen und Workshops wurde deutlich, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ wenig Sinn mache. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass u.a.
- - keine ausschweifenden Diskussionen geführt werden,
- - Einlassungen unterbrochen werden und der eigene Handlungsauftrag nötigenfalls wiederholt wird,
- - dem Versuch der Einschüchterung aktiv entgegengetreten und gegebenenfalls das Sicherheitspersonal bzw. die Polizei hinzugezogen wird und
- - Straftaten konsequent angezeigt werden.
Aufgrund der großen Resonanz und der hohen Nachfrage planen die Berliner Landeszentrale und der Berliner Verfassungsschutz eine Wiederholungsveranstaltung im Jahr 2018. Weitere Informationen zur Tagung finden Sie auf dieser Webseite unter Veranstaltungen und Reden.