Beantwortung Herr BzStR Naumann:
Einleitend ist es Frau Bezirksstadträtin Schmiedhofer und mir persönlich
als den politisch Verantwortlichen sowie den unmittelbar beteiligten fachlich
zuständigen Mitarbeiterinnen des Jugendamtes und des Kinder- und
Jugendgesundheitsdienstes (KJGD) sehr wichtig, unsere Betroffenheit über den
Tod der jungen Mutter und ihres Säuglings zum Ausdruck zu bringen. Die nicht
einmal sechs Wochen alte Tochter brauchte den Schutz der Erwachsenen: Durch
ihre Mutter, durch die Klinik, das Jugendamt und den KJGD, eine aufmerksame
Nachbarschaft. Es ist bedrückend, dass der Tod von Mutter und Tochter nicht
verhindert werden konnte.
Zu 1.:
Hierzu liegt Ihnen die Presseerklärung vom 07.12.2007 der
Generalstaatsanwaltschaft Berlin vor. Wir haben heute noch einmal nachgefragt:
Mit dem chemisch-toxilogischen Untersuchungsergebnis ist erst in ca. fünf
Wochen zu rechnen.
Zu 2. und 3.:
Hierzu
liegt Ihnen die ausführliche Pressemitteilung des Bezirksamtes vom 07.12. 2007
vor.
Völlig zu
Recht wird die Frage nach der entscheidenden Weichenstellung gestellt, Mutter
und Kind aus der Klinik in die Wohnung der Kindesmutter zu entlassen. Die für
diese Entscheidung verantwortlichen Fachkräfte sowohl der Klinik als auch des
Jugendamtes und des KJGD kamen übereinstimmend zu der Auffassung, das Kind
nicht von der Mutter zu trennen. Ausschlaggebend hierfür war die gemeinsam gestellte
günstige Prognose für Mutter und Kind, die in der engmaschig beobachteten
Entwicklung seit der Geburt am 23. Oktober bis zum letzten erfolgreichen Hausbesuch
am 26. November ihre Bestätigung fand und keinen Anlass zu Zweifeln gab. Der
Säugling entwickelte sich aufgrund liebevoller Zuwendung durch die Mutter gut
und altersgerecht. Dies bestätigten die regelmäßig erfolgten kinderärztlichen
Untersuchungen.
In der Charité entbinden ca. 40 drogenabhängige Schwangere pro Jahr, von
denen wiederum 13 % HIV-positiv sind, also rund 5 Frauen. Zwei Drittel werden
gemeinsam mit ihrem Kind aus der Klinik nach Hause entlassen. Von diesen leben
auch nach einem Jahr noch zwei Drittel mit ihrem Kind zusammen. Dass bei einem
Drittel die Kinder aufgrund von Gefährdung fremd untergebracht werden müssen
verdeutlicht die Wichtigkeit der fortwährenden engmaschigen Unterstützung und
zugleich Kontrolle zur Gewährleistung des Kindeswohls in diesen schwierigen
Fällen. Es bleibt also festzuhalten, dass gut die Hälfte der Frauen, die mit
diesem Risiko entbinden, ihre Kinder behalten und eigenverantwortlich aufziehen
können.
Zu 4.:
Zusammenarbeit
innerhalb des Bezirks:
Die
Zusammenarbeit zwischen dem in diesem Fall federführenden Jugendamt konkret das
Regionalteam 3/Charlottenburg-West und dem KJGD erfolgte in enger Kooperation
und fachlicher Absprache. Sowohl in der Fall-Bewertung als auch in der
Festlegung der Auflagen für die Kindesmutter bestand Übereinstimmung. In ihrer
jeweiligen Zuständigkeit nahmen die Mitarbeiterinnen ihre Verantwortung in der
fachlich gebotenen Weise wahr.
Zusammenarbeit mit Anderen, hier insbesondere mit der Klinik
Insbesondere
in Auswertung dieses Einzelfalls muss es in die Zukunft gerichtet Verabredungen
geben über eine verbindliche Zusammenarbeit, die Verbindlichkeit von Absprachen
bzw. der Kontrolle von Auflagen sowie eine unverzügliche gegenseitige
Information. Diese Zusammenarbeit ist ebenso wie die mit den niedergelassenen
Gynäkolog/innen und Kinderärzt/innen sowie Hebammen noch verbesserungsfähig,
denn derzeit fehlen noch die im Netzwerk Kinderschutz angekündigten
berlineinheitlichen Rahmenvereinbarungen.
Zu 5.:
So
unbefriedigend dies angesichts des Todes der Mutter und insbesondere des
Säuglings für uns alle ist: Die offenkundig dramatische Entwicklung durch den
erneuten Drogenkonsum der Kindesmutter – wahrscheinlich am Wochenende vor
dem vergeblichen Hausbesuch am darauffolgenden Mittwoch – mit tödlichem
Ausgang für Mutter und Kind beruht nicht auf organisatorischen oder
strukturellen Versäumnissen. In diesem Fall hätte eine noch bessere oder engere
Zusammenarbeit den tragischen Ausgang nicht verhindern können.
Fachlich – strukturelle Verbesserungen
Die noch
landesweit fehlenden einheitlichen Rahmenvereinbarungen zur Kooperation mit den
am Netzwerk Kinderschutz insbesondere aus dem Bereich Gesundheit zu
beteiligenden Institutionen müssen abgeschlossen werden.
Nach der
Verlagerung des KJGD aus dem Jugendamt in das Gesundheitsamt ist die
Zusammenarbeit insbesondere des Regionalen Sozialpädagogischen Dienstes mit dem
Haus des Säuglings organisatorisch aufwändiger geworden. Deshalb werden die für
die Bereiche Jugend und Gesundheit verantwortlichen Bezirksamtsmitglieder
weiterhin dafür Sorge tragen, eine regelmäßige Zusammenarbeit auf der Ebene der
Regionalteams als auch künftig auf der Leitungsebene Jugendamt/Gesundheitsamt
sicherzustellen. Es ist beabsichtigt, Anfang 2008 die bisherige Zusammenarbeit
gemäß der gemeinsamen Kooperationsvereinbarung vom 15. März 2007 zu bewerten
und soweit erforderlich weiter zu entwickeln.
Personelle
Situation
Brandschutz
ohne Feuerwehrleute ist undenkbar, Kinderschutz ohne Sozialarbeiter/innen und
Kinderkrankenschwestern auch nicht!
Es ist
zunächst positiv zu bewerten, dass das Abgeordnetenhaus von Berlin für die
bezirklichen Jugendämter je 2 neue zusätzliche Stellen für die Koordination
Kinderschutz ab dem Haushaltsjahr 2008 beschlossen hat. Klärungsbedürftig indes
ist, ob und wie diese Stellen sich im Stellenplan des Jugendamtes tatsächlich
wiederfinden und - das möchte ich ausdrücklich hervorheben - fachlich gut
besetzbar sein werden.
Von
herausragender Bedeutung jedoch ist, angesichts des längst bereits begonnenen
Prozesses des alterbedingten Ausscheidens von berlinweit rund 400 Sozialarbeiter/innen
die personelle Basisausstattung endlich durch einen Einstellungskorridor
sicherzustellen. Hier haben sich alle Bezirke im Rahmen der Bezirkskonferenz eindeutig
gegenüber dem Senat mit ihrer Forderung nach einer jährlichen Besetzung von 50
Stellen eindeutig positioniert.
Denn nach
einem ¾ Jahr Netzwerk Kinderschutz und der damit einhergehenden erfreulich
höheren öffentlichen Achtsamkeit sowie den ersten Erfahrungen mit den
strengeren Verfahrensstandards der AV Kinderschutz lässt sich bereits jetzt
sagen, dass der Personalaufwand erheblich ist und es aufgrund des Vorrangs des
Kinderschutzes bei den übrigen, wohlgemerkt gesetzlichen Aufgaben zu wesentlich
längeren Bearbeitungszeiten, ja teilweise zu Qualitätsverlusten kommt. So
klagen beispielsweise die Familiengerichte über die langen Bearbeitungszeiten
in den Jugendämtern. Aber auch die zeitintensiven Steuerungsbemühungen in der
Gewährung der Hilfen zur Erziehung leiden darunter.
Finanzielle Situation
In der
Mitteilung zur Kenntnisnahme an das Abgeordnetenhaus zum Netzwerk Kinderschutz
waren außer einem pauschalen Hinweis auf die notwendige personelle Ausstattung
finanzielle Mittel lediglich für die technischen Voraussetzungen und vier
Personalstellen für die Hotline vorgesehen sowie 300.000 Euro für das
Modellprojekt “Aufsuchende Elternhilfe”.
Nach
Ansicht des Bezirks, der dieses Modell bereits in den 90er Jahren entwickelt
hat, bedarf es dringend einer Stärkung der Prävention durch eine
Regelfinanzierung von frühen Hilfen, die in die bezirklichen Haushalte
einzustellen ist. Diese Hilfen haben vorrangig das wichtige Ziel, die Eltern zu
stärken, ihnen Mut zu machen und ihnen eine entlastende soziale Infrastruktur
zu bieten.
Deshalb,
gerade deshalb kommt dem Beschluss der Jugendstadträt/innen parteiübergreifend
für alle Bezirke, mit dem diese gemeinsam mit der Landesebene ein
Finanzierungsmodell für die präventive Jugendhilfe in den Bereichen
Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit und Förderung der Erziehung in der Familie
entwickeln wollen, besondere Bedeutung zu. Denn für diese gesetzlich
vorgeschriebenen Aufgaben der Jugendhilfe gibt es – anders als in den
Hilfen zur Erziehung und in der Tagesbetreuung – bisher im Land Berlin
keine verlässlichen, auskömmlichen Finanzierungsgrundlagen. Aber auch die
Hilfen zur Erziehung – häufig eine Folge nach Kriseninterventionen zum
Schutz von Kindern – müssen auskömmlich ausgestattet sein.
So sehr wir
uns alle gemeinsam – jede/r in seinem politischen Verantwortungsbereich
– stetig um Verbesserungen in der fachlichen Zusammenarbeit ebenso wie in
der strukturellen, personellen und finanziellen Ausstattung bemühen müssen, so
ist auch gewiss, dass es niemals eine Garantie dafür geben kann, dass Fälle wie
dieser für immer verhindert werden können.
Herr Prof. Dr. Dittberner gibt gem. § 41 GO-BVV eine Erklärung ab:
“In der Debatte zur Drucksache Nr. 640/3 wurde mir
entgegengehalten, ich hätte den Rücktritt eines Mitglieds des Bezirksamts
gefordert und über das Stillen des toten Babys gesprochen.
Beides ist nicht der Fall. Vielmehr habe ich meine politisch-fachliche
Position nach dem Tod einer Mutter und ihres Babys vorgetragen. Diese ist
natürlich der kontroversen Diskussion zugänglich.”