Drucksache - 0630/3
![]() |
![]() |
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Wir fragen
das Bezirksamt: 1. Wie viele Anrufe sind bei den beiden
bezirklichen Hotlines für den Kinderschutz eingegangen und wie wurden die
jeweiligen Gefahrensituationen ausgewertet? 2. Welche Maßnahmen wurden ergriffen,
um die jeweilige Gefahrensituation abzuwenden?
Wie viele Kinder wurden bisher aus Familien herausgenommen? 3. Wie bindet das Bezirksamt freie
Träger der Jugendhilfe und Hebammen in die bezirkliche Präventionspolitik ein? 4. Welche Maßnahmen hat das Bezirksamt
gegenüber dem Senat ergriffen, um eine ausreichende personelle und finanzielle
Ausstattung der Jugend- und Gesundheitsämter für die Wahrung des Kinderschutzes
sicher zu stellen und wie wird das Bezirksamt sicher stellen, dass die Aufgabe
des Kinderschutzes auch zukünftig angemessen in der Personal- und Finanzplanung
des Landes berücksichtigt wird? Sehr geehrte Frau Vorsteherin, das Bezirksamt beantwortet die Anfrage wie folgt: Zu 1. : Im Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es seit dem
16.04.2007 ein Krisentelefon, das seit dem 01.10.2007 in Anlehnung an
die für Berlin einheitliche Apparatnummer unter der Apparatnummer 15555
erreichbar ist (zuvor 15015). Dadurch ist die Erreichbarkeit des Jugendamtes
von 8.00 bis 18.00 gesichert. Nach einer ersten Auswertung erfolgten in der Zeit vom 16.4.
bis 08.10.2007 insgesamt 148 Anrufe. In 20 Fällen handelte es sich um Krisen-
und Kinderschutzmeldungen, in 128 Fällen ging es um allgemeine Auskünfte. Außer
diesen 20 Meldungen über das Krisentelefon gab es weitere 241 Meldungen über
Kindeswohlgefährdung durch Post oder Fax, durch Direktanrufe in den Regionen
von Nachbarn, Polizei, Schulen etc. und aus laufender Betreuung durch den
Regionalen sozialpädagogischen Dienst. Hier handelte es sich in 134 Fällen um
Kindeswohlgefährdungen, die durch Hausbesuche und persönliche Gespräche
festgestellt wurden. Insgesamt waren somit in diesen knapp 6 Monaten 154
Kinderschutzmeldungen zu verzeichnen. Im Gesundheitssamt besteht seit 4 Monaten ein Krisentelefon
von 8.00 bis 18.00, über das bis jetzt noch keine Meldungen über Kindeswohlgefährdungen
eingegangen sind. Beim Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) sind
Meldungen direkt im Haus des Säuglings eingegangen durch Kliniken, Nachbarn und
durch den Regionalen Sozialpädagogischen Dienst des Jugendamtes (RSD) in allen
Fällen, in denen Kinder von 0 bis 2 Jahre betroffen waren. Zu 2. Die
Gefahrenabwehr erfolgte insbesondere durch -
Hausbesuche -
stationäre
Hilfen zur Erziehung -
stationäre
Unterbringung zum Clearing weiterer Hilfen -
stationäre
Unterbringungen in Mutter (Vater) – Kind – Einrichtungen -
ambulante
Hilfen zur Erziehung -
einmalige
und längerfristige Beratungen. 43 Kinder
wurden durch Inobhutnahme als Sofortmaßnahme aus der Familie genommen. In 6
Fällen dieser Inobhutnahmen wurde das Familiengericht angerufen Zu 3. Die Jugendhilfeträger, die ambulante und/oder stationäre
Hilfen vorhalten, sind in den aktuellen Fällen in die Hilfeplanung einbezogen.
Darüber hinaus nehmen sie an den Fallteams der Regionen zur Klärung geeigneter
und notwendiger Hilfen teil. Die freien Träger nehmen regelmäßig an den
Regionalkonferenzen in den fünf Sozialraumregionen des Bezirks teil und werden
dadurch über besondere Krisenherde und/oder Besonderheiten oder Auffälligkeiten
in der Region informiert, wie sie umgekehrt ihre Erfahrungen einbringen.
Gemeinsam wird nach praktikablen und finanzierbaren Lösungen gesucht. Die
Träger legen im Bedarfsfall gezielt Konzepte vor. Räumliche Präsenz der Träger
in den Regionen ist gegeben. Neue Projekte werden dem Bedarf in der Region
angepasst und in der jeweiligen Region angeboten. Überregional
findet regelmäßig der Austausch zwischen den freien Trägern und der
öffentlichen Jugendhilfe in der AG gemäß § 78 SGB VIII statt. Zwischen dem Gesundheitsamt – Haus des Säuglings
– und den frei praktizierenden Hebammen besteht eine enge und gute
Kooperation sowohl hinsichtlich der Zusammenarbeit in Einzelfällen als bei der
bedarfsorientierten Planung und Durchführung von Angeboten für werdende Eltern,
für Mütter oder Eltern (Mütter)-Kind-Gruppen, (Geburtsvorbereitungskurs,
Rückbildungsgymnastik etc.). Die Hebammen gehören zum Hilfesystem; das Haus des
Säuglings vermittelt auf Anfrage werdender Eltern frei praktizierende Hebammen.
Zu 4. Die bezirklichen Jugendämter weisen bereits seit Jahren
darauf hin, dass die Altersstruktur des Personals es insbesondere für den
Sozialdienst dringend erforderlich macht, einen Einstellungskorridor für diese
Berufsgruppe einzurichten, da in den nächsten 4-5 Jahren landesweit mindestens 400
Mitarbeiter/innen altersbedingt ihre Berufstätigkeit beenden werden.
Überhangkräfte gibt es für diese Berufsgruppe nur noch vereinzelt. Mit dem Netzwerk Kinderschutz sind für den
Kernaufgabenbereich des Jugendamtes darüber hinaus weitere Aufgaben und Verfahrensstandards
hinzugekommen, parallel dazu führt die erhöhte Achtsamkeit in der Bevölkerung
zu einem Mehr an Hinweisen, so dass im Ergebnis von einem erhöhten
Arbeitsaufkommen im RSD auszugehen ist. Deshalb hat die Senatsfachverwaltung gemeinsam mit den
Bezirken inzwischen ein Reformagenda-Projekt zur Personalmindestausstattung der
Jugendämter gestartet, das zu einer verlässlichen Basis für die
Stellenausstattung führen soll. Charlottenburg-Wilmersdorf ist sowohl in der
Lenkungsgruppe (Bezirksstadrat) als auch der Projektgruppe
(Jugendamtsdirektorin) aktiv an diesem wichtigen Vorhaben beteiligt. Kritisch festzustellen ist ferner, dass die Verfahren und
Wege zur Besetzung von Stellen unverhältnismäßig aufwändig und langwierig sind
- eine Beschleunigung und der Abbau von Hemmnissen ist dringend erforderlich.
Dies fordert der Bezirk sowohl auf Verwaltungs- wie auf Politikebene
kontinuierlich, aber leider bislang weitgehend erfolglos ein. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass 1. für den noch bestehenden Überhang
aus dem ehemaligen Jugendaufbauwerk von ca. 80 Personen, die weitgehend keine
Sozialarbeiterausbildung verfügen, ein – wenn auch sehr übersichtliches -
Qualifizierungsprogramm aufgelegt worden ist, damit diese in den Jugendämtern
eingesetzt werden können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es hier
zumindest vorübergehend zu Qualitätsverlusten in der Arbeit der Jugendämter
kommt. 2. das Abgeordnetenhaus mit
Verabschiedung des Haushalts 2008/2009 anerkannt hat, dass jedes Jugendamt zur
Koordination von Kinderschutzaufgaben zusätzlich zwei neue Stellen bekommt. 3. es vereinzelt gelungen ist,
zeitlich befristet Teilzeitstellen mit Berufsanfänger/innen besetzen zu können. Dies reicht jedoch nicht aus, um die absehbar entstehenden
Lücken schließen und eine qualifizierte und nachhaltige Kinderschutzarbeit
gewährleisten zu können. Dazu bedarf es eines Einstellungskorridors für
zunächst 50 Sozialarbeiterstellen pro Jahr über die nächsten 5 Jahre, wie es
die Bezirke anlässlich der Bezirkskonferenz am 8. November 2007 gefordert
haben. Die Jugendstadträt/innen streben zur Vermeidung weiterer
Ausgabensteigerungen im Bereich der Hilfen zur Erziehung in Zusammenarbeit mit
der Senatsfach- und der Senatsfinanzverwaltung ein eigenständiges
Finanzierungsmodell für die Prävention an, insbesondere im Bereich der
Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und der allgemeinen Förderung der
Erziehung in der Familie. Dieses wird für dringend erforderlich gehalten vor
dem Hintergrund, dass hinlänglich bekannt und immer wieder wissenschaftlich
nachgewiesen ist, dass gerade frühe Hilfen, die ggf. bereits vor der
Geburt, also während der Schwangerschaft einsetzen, besonders wirksam für eine
gute Mutter-Kind-Bindung, eine stabile Entwicklung des Säuglings und eine
geordnete soziale Situation der jungen Familie ist. Dessen ungeachtet ist eine auskömmliche finanzielle
Ausstattung für den Bereich Hilfen zur Erziehung erforderlich. Gerade
angesichts der derzeit an unterschiedlichen Stellen vermehrt wahrzunehmenden
Überforderung von vielen Eltern wird es weiterhin Krisen in Familien oder gar
Vernachlässigung oder Gewalt geben, die eine Intervention im Rahmen des
Kinderschutzes und ggf. langfristige und kostenintensive Hilfen erforderlich
machen. Neben allen geschilderten Bemühungen um eine Verbesserung,
die der Bezirk auf Landesebene einfordert, ist es unumgänglich, dass Bezirksamt
und Bezirksverordnetenversammlung die Finanzierung des Kinderschutzes bereits
jetzt sicherstellen. Mit
freundlichen Grüßen Reinhard
Naumann Bezirksstadtrat |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Legende
Ausschuss | Tagesordnung | Drucksache | |||
BVV | Aktenmappe | Drucksachenlebenslauf | |||
Fraktion | Niederschrift | Beschlüsse | |||
Kommunalpolitiker/in | Auszug | Realisierung | |||
Anwesenheit | Schriftliche Anfragen |