Die 1894 geborene Milly Schwarz war Geschäftsführerin und Anteilseignerin einer Textilfirma in Thüringen und wohnte seit 1925 im Berliner Westend. 1938 wurde sie unter Bezugnahme auf ihre jüdische Abstammung von der thüringischen Gauleitung der NSDAP gezwungen, in Verkaufsverhandlungen über ihre Firmenanteile einzutreten. Milly Schwarz entschloss sich wegen der für Juden immer bedrohlicheren Lage dazu, Deutschland zu verlassen.
Nachdem das Finanzamt Charlottenburg-West davon Kenntnis erhalten hatte, setzte es eine „Reichsfluchtsteuer-Sicherheit“ in Höhe von 324.000 RM fest. Mit besonderem Vordruck (siehe Bild) informierte das Amt am 6. Dezember 1938 die Gestapo über die Auswanderungsabsichten, die ebenfalls informierte Devisenstelle Berlin sperrte Anfang Januar 1939 das Bankkonto von Milly Schwarz. Ende März gelang es ihr, nach England auszureisen – mitnehmen durfte sie dabei nur Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Bedarfs. Ihr Hochzeitsservice und ihren Schmuck musste sie bei der Pfandleihanstalt abliefern, die beides in die Versteigerung gab.
Über den Verkaufserlös ihrer Firmenanteile konnte sie nicht mehr verfügen. Der größte Teil wurde benötigt, um die verschiedenen mit dem Ziel der Ausplünderung festgesetzten Steuern und Abgaben zu begleichen: Neben der Reichsfluchtsteuer und der Judenvermögensabgabe noch eine weitere Zahlungsverpflichtung in Höhe von 150.000 RM an einen sogenannten Wiedergutmachungsfonds – eine Sonderabgabe der Berliner Gauleitung der NSDAP. Am Ende hatte Milly Schwarz zwar ihr Leben gerettet, aber rund drei Viertel ihres gesamten Eigentums an den deutschen Staat verloren.