Die Haushalte der Länder sind ab dem 1. Januar 2020 grundsätzlich ohne die Aufnahme von Schulden auszugleichen. Im Kern heißt das: Vorhandene Schulden dürfen refinanziert werden, neue Schulden aber nicht mehr aufgenommen werden.
Ausnahmen gibt es nur im Fall von Naturkatastrophen und unverschuldeten Notlagen sowie für den Fall einer Rezession. So sieht es Artikel 109 Grundgesetz verbindlich vor. Der Grund: Haushaltsmittel sollen öffentliche Leistungen finanzieren, nicht den Schuldendienst beziehungsweise die Zinsen.
Fragen und Antworten zur Schuldenbremse
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Worum geht es bei der Schuldenbremse?
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Müssen die auf Ausnahmen beruhenden Schulden zurückgezahlt werden?
Kreditaufnahmen im Fall einer Naturkatastrophe oder einer unverschuldeten, erheblichen Notlage sind nach dem Grundgesetz planmäßig und in einem angemessenen Zeitraum zu tilgen. Konjunkturbedingte Kredite unterliegen dem sogenannten Symmetriegebot des Grundgesetzes und sind daher zurückzuführen, sobald sich die Konjunktur erholt.
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Warum ist die strukturelle Nettokreditaufnahme die neue Zielgröße?
Als Zielgröße für die Schuldenbremse ist die strukturelle Nettokreditaufnahme festgelegt, die im Regelfall nicht größer als Null sein darf. Diese Zielgröße erlaubt zum einen, was ökonomisch vernünftig ist, die Nutzung von Rücklagen, um den Haushaltsausgleich zu erreichen. Zum anderen ist diese konform mit jener Zielgröße, die bei der Überwachung der Einhaltung der Schuldenbremse durch den Stabilitätsrat verwendet wird.
Die Betrachtung der strukturellen Nettokreditaufnahme dient dazu, einen Haushalt auf seine langfristige Tragfähigkeit hin zu analysieren und die Ausrichtung und Nachhaltigkeit der Finanzpolitik anzuzeigen. Dafür werden verschiedene Bereinigungen, etwa um die Auswirkungen einer Abweichung von der konjunkturellen Normallage oder um Einmaleffekte auf der Einnahme- und Ausgabeseite – zum Beispiel Beteiligungsverkäufe und -erwerbe – vorgenommen. -
Ist das Land Berlin für die Schuldenbremse gewappnet?
Berlin ist für diese Ära gut gerüstet. Denn der Pfad zur Schuldenbremse war bereits mit der Konsolidierungshilfenvereinbarung seit 2012 vorgegeben. Diese Vereinbarung setzte der Aufnahme von Schulden Grenzen und machte strikte Vorgaben für eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik.
Der Einsatz finanzieller Mittel war daher besonders effizient. -
Sind öffentliche Investitionen weiterhin möglich?
Ja, Investitionen des Landes sind selbstverständlich auch nach 2020 möglich. Im Haushalt müssen Investitionen priorisiert werden. Zudem wurden die Überschüsse und konjunkturell getriebenen Steuermehreinnahmen der vergangenen sieben Jahre vor Corona genutzt, um Puffer aufzubauen.
Gleichzeitig wurden – mit Ausnahme des Haushaltsjahres 2020 – massiv Schulden getilgt, um für Zeiten mit steigenden Zinsen gewappnet zu sein. Zudem hat das flexible Regelwerk der Schuldenbremse während der Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass die öffentlichen Investitionen auf einem hohen Niveau blieben.
Zukünftig strebt der Senat von Berlin eine Investitionsquote aus dem Kernhaushalt von circa acht Prozent und in den kommenden zwei Jahren eine jährliche Investitionssumme von mindestens drei Milliarden an.
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Schränkt die Schuldenbremse das politische Handeln ein?
Die Schuldenbremse zwingt den Haushaltsgesetzgeber, klare Prioritäten zu setzen. Die Schuldenbremse verlangt, grundsätzlich mit den verfügbaren Einnahmen auszukommen. Es muss dann entschieden werden, wie man diese Mittel auf Investitionen und konsumtiven Ausgaben verteilt.
In den vergangenen Jahren vor Corona sind die Steuereinnahmen des Bundes und der Länder zwar stark gestiegen, die Investitionsquoten – also der Anteil der Investitionen an den staatlichen Ausgaben – allerdings gar nicht oder nur in geringem Umfang.
Die Einhaltung der Schuldenbremse im Krisenjahr 2020 und die notfallbedingte Kreditaufnahme in Höhe von 7,3 Mrd. Euro zeigt, dass das Regelwerk der Schuldenbremse auch in extremen Krisensituationen ausreichend fiskalischen Spielraum einräumt und das notwendige staatliche Handeln nicht einschränkt.
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Warum gibt es eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse?
Diese Diskussion gibt es schon seit Langem. Das ist bei einer solch bedeutenden Frage für die Verfassung und die öffentlichen Haushalte auch nicht ungewöhnlich. Und natürlich ist es geboten und auch üblich, im Licht von Erfahrungen und sich verändernden Rahmenbedingungen die Angemessenheit von Regelungen zu evaluieren.
Es gibt heute mehr kritische Stellungnahmen zur Schuldenbremse als bei ihrer Einführung. Für den Moment aber gilt: Die Schuldenbremse ist für das Land Berlin – so wie sie im Grundgesetz steht – maßgeblich und grundgesetzkonform umgesetzt. -
Was ist der Sinn der Regelung der Schuldenbremse für Berlin?
Mit einer strikten Regelung wird die Berliner Haushaltslage nachhaltig stabilisiert. Trotz enormer Anstrengungen und großer Erfolge bei der Konsolidierung des Haushalts hatte das Land Berlin auch nach sieben Jahren ohne neue Schulden bereits vor der Pandemie noch immer eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen in Deutschland.
Durch die Pandemie sind neue Schulden in Höhe von mehr als 7 Mrd. Euro hinzugekommen; die Höhe der Schulden liegt nunmehr bei über 65 Mrd. Euro. Da die Zinsen nicht dauerhaft so niedrig bleiben werden und die konjunkturellen Bedingungen schwanken, ist es umso wichtiger, den eingeschlagenen haushaltspolitischen Kurs fortzusetzen
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Wird Berlin ein Musterschüler in Haushaltsfragen?
Berlin war in finanzieller Hinsicht vor Ausbruch der Corona Pandemie auf einem guten Weg. Richtig ist: Es ist nicht Aufgabe des Staates, jedes Jahr große Überschüsse zu erwirtschaften. Richtig ist aber auch: Die Aufnahme von Schulden sollte eher die Ausnahme sein als die Regel. Der Staat hat die Pflicht, seine Aufgaben gut zu erfüllen. Dabei soll dafür Sorge getragen werden, dass das eingenommene Geld – mit Ausnahme von Notlagen – ausreicht.
Die Herausforderungen der Konsolidierung wurden ernst genommen. Auch wenn das Jahr 2020 mit einer milliardenschweren Kreditaufnahme eine Zäsur darstellt: Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Finanzpolitik darf nicht zulassen, dass die schwer erkämpften Konsolidierungserfolge revidiert werden. Daher gilt es, nach der Rückkehr zu einer – wie auch immer veränderten – Normalität finanzpolitisch in den Rahmen des Regelsystems der grundgesetzlichen Schuldenbremse, zurückzukehren.
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Ist die Schuldenbremse verfassungsrechtlich verankert?
Die deutschen Bundesländer haben sich größtenteils für eine verfassungsrechtliche Verankerung im Grundgesetz entschieden (Art. 109 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 143d GG). In Berlin greift eine einfachgesetzliche Regelung in der Landeshaushaltsordnung (LHO) und einem eigenen Schuldenbremsengesetz.
Eine Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung von Berlin ist angesichts der Regelungstiefe des Grundgesetzes nicht notwendig. Auch mit der einfachgesetzlichen Regelung wird gewährleistet, dass das Parlament das Recht hat, den Verfassungsgerichtshof des Landes anzurufen, um die Rechtmäßigkeit eines Haushalts zu prüfen. -
Gibt es Kreditermächtigungen für landeseigene Unternehmen?
Die Schuldenbremse erstreckt sich grundsätzlich nicht auf Beteiligungsunternehmen, die am Markt tätig sind, wie etwa die BSR oder die Berliner Wasserbetriebe und dort Einkommen erzielen. Diese Unternehmen dürfen im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten auch weiterhin Kredite zur Finanzierung von Investitionen aufnehmen.
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Greifen die Regelungen zur Schuldenbremse auch bei Extrahaushalten?
Die Länder können im Rahmen ihrer Haushaltsautonomie entscheiden, ob sie die Schuldenbremse nur auf die Kernhaushalte oder auf den öffentlichen Gesamthaushalt, also Kernhaushalt und Extrahaushalte beziehen.
Eine Einbeziehung von Extrahaushalten mit Kreditermächtigung ist sinnvoll, weil das Land aufgrund wirtschaftlicher und rechtlicher Verpflichtungen die direkte Verantwortung für deren Schulden trägt. Deshalb werden solche Extrahaushalte nach den Maßgaben des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen der Gebietskörperschaft zugerechnet, die die wirtschaftliche und rechtliche Kontrolle über diese Einheiten ausübt. Die Einbeziehung von Extrahaushalten würde dazu dienen, die Umgehungsmöglichkeiten der Schuldenbremse einzuschränken.
Das Gesetz zur Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Berliner Landesrecht (BerlSchuldenbremseG) sieht keine Einbeziehung von Extrahaushalten vor.
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Wie misst man negative Abweichungen von der konjunkturellen Normallage, die über Kreditaufnahmen kompensiert werden dürfen?
Die genaue Beobachtung oder Messung von konjunkturellen Schwankungen und deren Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte ist äußerst schwierig. Zur Bestimmung der zulässigen konjunkturbedingten Kreditaufnahmen werden sogenannte Konjunkturbereinigungsverfahren verwendet. Diese Verfahren bieten nur eine Annäherung an die konjunkturelle Wirklichkeit. Insofern weisen alle Verfahren Schwächen auf.
Ziel muss es daher sein, sich den Auswirkungen konjunktureller Schwankungen so gut wie möglich zu nähern, Planbarkeit und Berechenbarkeit für den Haushalt zu gewährleisten und auf mittlere und lange Sicht einen Aufwuchs von Schulden zu vermeiden. -
Welches Verfahren wird vom Land Berlin genutzt, um negative Abweichungen von der konjunkturellen Normallage zu messen?
Zur Bestimmung der zulässigen konjunkturbedingten Kreditaufnahmen wird das Konjunkturbereinigungsverfahren verwendet, das auch der Bund nutzt. Es orientiert sich an der gesamtwirtschaftlichen Produktionslücke und der Abweichung des tatsächlichen vom prognostizierten BIP-Wachstum.
Das BIP reagiert rascher als das Steueraufkommen. Die Planungs- und Vollzugssicherheit gebende Anknüpfung an die tatsächliche Entwicklung des Steueraufkommens entfällt damit aber künftig. -
Sieht die Schuldenbremse Regelungen zur Tilgung von Altschulden vor?
Altschulden sind von den Regelungen zur Schuldenbremse ausgenommen. Neue Schulden sind ggf. zurückzuführen.
Da Berlin noch immer einen hohen Bestand an Altschulden hat, der die finanziellen Spielräume des Landes begrenzt, sieht das Berliner Schuldenbremsegesetz (BerlSchuldenbremseG) aber die Möglichkeit vor, dass auch weiterhin Altschulden getilgt werden sollen. -
Warum wurde der Nachhaltigkeitsfonds in eine Konjunkturausgleichsrücklage überführt?
Der bisher als Teil des Sondervermögens Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA) geführte Nachhaltigkeitsfonds wurde in eine Konjunkturausgleichsrücklage (KAR) überführt. Diese dient als Alternative zu Kreditaufnahmen, die allein dem Ausgleich konjunkturbedingter Defizite oder solcher Finanzierungsbedarfe dienen, die durch Naturkatastrophen oder unverschuldete Notlagen entstanden sind. Das Zielvolumen soll mindestens 1 Prozent der kumulierten bereinigten Einnahmen der jeweils vergangenen fünf Jahre betragen. Im Zuge der Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie wurde die KAR mit dem 2. NHH 2020 i.H.v. 327 Mio. Euro vollständig entnommen und muss nun wieder aufgefüllt werden.
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Wie wird künftig mit Überschüssen umgegangen?
Sollten künftig Überschüsse erzielt werden, können diese zur Tilgung von Altschulden, zur Dotierung der Konjunkturausgleichsrücklage oder zur Zuführung zum SIWA verwendet werden. Dies allerdings nur, wenn die Überschüsse die Tilgungsverpflichtungen aus Kreditaufnahmen nach 2020 übersteigen. Die Tilgung neuer Schulden orientiert sich am Symmetriegebot des Grundgesetzes. Die Entscheidung über die Verwendung von Überschüssen und die jeweiligen Anteile trifft grundsätzlich der Hauptausschuss auf Vorschlag des Senats.