Die Konjunkturaussichten verschlechtern sich. Das wirkt sich auch deutlich auf die voraussichtlichen Steuereinnahmen aus. Das ist das Ergebnis der aktuellen Steuerschätzung des Arbeitskreises “Steuerschätzungen”, der vom 7. bis 9. Mai in Kiel die Prognose für die voraussichtlichen Steuereinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden im Zeitraum 2019 bis 2023 aktualisiert hat. Für Berlin werden die Mindereinnahmen Rückwirkungen auf die Haushaltsplanaufstellung haben.
Grundlage der Steuerschätzung war die Frühjahrsprojektion der Bundesregierung zur gesamtstaatlichen Entwicklung vom April 2019, nach der sich die Konjunkturaussichten für das laufende Jahr deutlich eingetrübt haben. Gegenüber der Herbstprojektion 2018 der Bundesregierung, welche die Basis der letzten Steuerschätzung bildete, werden nunmehr für das reale Bruttoinlandsprodukt statt einer Wachstumsrate von ursprünglich +1,8 Prozent nur noch +0,5 Prozent erwartet. Ab dem Jahr 2020 wird eine Normalisierung prognostiziert, nach der die deutsche Wirtschaft in Höhe ihres Wachstumspotenzials um +1,5 Prozent im Jahr 2020 und jeweils um +1,2 Prozent in den Folgejahren wachsen könnte.
Der Grund für diese Konjunkturdelle liegt im Wesentlichen im außenwirtschaftlichen Umfeld, das sich seit dem zweiten Halbjahr 2018 in einer vergleichsweise schwachen Industrieproduktion in Deutschland niederschlägt. Auch andere harte und weiche Konjunkturindikatoren wie Stimmungsindizes und Auftragseingänge fielen in den vergangenen Monaten schwach aus. Diese Korrektur der wirtschaftlichen Erwartungen wirkt sich sowohl im Jahr 2019 als auch als Basiseffekt – also geringerer, fortwirkender Ausgangswert – in den Folgejahren aus. Wegen des nachlaufenden Charakters der Besteuerung schlägt die Konjunkturdelle gesamtstaatlich insbesondere ab dem Jahr 2020 mit hohen konjunkturellen Mindereinnahmen zu Buche.
Nach dem regionalisierten Ergebnis der Steuerschätzung ergeben sich für Berlin für das laufende Jahr Einnahmen aus Steuern und Finanzausgleich in Höhe von 23,348 Mrd. Euro. Für das Jahr 2020 werden 24,227 Mrd. Euro und für das Jahr 2021 von 25,184 Mrd. Euro erwartet.
Gegenüber der letzten Steuerschätzung bedeutet dies in diesem Jahr noch einmal einen kleinen Plusbetrag von 25 Mio. Euro, aber negative Korrekturen von -381 Mio. Euro für das Jahr 2020 und -495 Mio. Euro für das Jahr 2021.
Hierzu Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz: “Die erhebliche Abwärtskorrektur für die Jahre 2020 und 2021 ist ein deutliches konjunkturelles und fiskalisches Warnsignal. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass die sehr starke Entwicklung der Berliner Einnahmen von jeweils rd. +8 Prozent pro Jahr in den vergangenen Jahren nicht von Dauer sein konnte. Wegen der hohen Exportorientierung der deutschen Wirtschaft schlagen außenwirtschaftliche Effekte vergleichsweise stark auf die Steuereinnahmen durch. Über den Finanzverbund trifft dies Berlin ebenso wie die anderen Länder, die Gemeinden und den Bund. Geringere verfügbare Finanzmittel in einer solchen Größenordnung bleiben nicht ohne Rückwirkung auf die aktuelle Aufstellung des Berliner Doppelhaushaltes 2020/2021. Dies bedeutet: Der Etat ist jetzt an die veränderten Einnahmeerwartungen anzupassen. Dabei kommt uns zugute, dass wir wichtige fiskalische Entwicklungen schon frühzeitig berücksichtigt haben – im Unterschied zur Steuerschätzung, die stets auf geltendem Steuerrecht basiert.”
Ein Teil der gesamtstaatlichen Steuermindereinnahmen beruht nämlich auch auf Steuerrechtsänderungen, die im Herbst vergangenen Jahres zwar absehbar, aber noch nicht rechtskräftig waren. Berlin hatte u.a. das Familienentlastungsgesetz (Kindergelderhöhung ab 1.7.2019, Anhebung des Grundfreibetrages usw.) bereits in der letzten Steuerschätzung berücksichtigt. Die Auswirkungen sind damit bereits in den Nachtragshaushalt 2019 sowie in den Entwurf des Haushaltes 2020/2021 eingeflossen. Hieraus ergeben sich für Berlin somit keine zusätzlichen Änderungen.
Ein weiterer Punkt sind alle über das Steuersystem vollzogenen Maßnahmen bei Asyl, Integration und dem Fonds “Deutsche Einheit”, die Berlin ebenfalls bereits in den Haushalt eingestellt hat, soweit sie mit dem Bund abschließend vereinbart sind.
Finanzsenator Dr. Kollatz: “Das Ergebnis ist ein Warnschuss, dass es nicht mehr so weitergehen wird wie bisher. Auch wenn wir damit rechnen, dass die Steuereinnahmen insgesamt noch leicht zunehmen, wird es deutlich weniger werden, als bisher angenommen. Wir müssen die neue Situation im Haushaltsaufstellungsverfahren berücksichtigen. In den nächsten Tagen werden wir die möglichen Konsequenzen genau prüfen. Durch die gute Arbeitsmarktlage, die niedrigen Zinsen und die positiven Aussichten auf den Haushaltsvollzug 2019 haben wir Möglichkeiten, die Minderausgaben ohne gravierende Einschnitte auszugleichen. Auch der Einwohnerzuwachs ist eine stabilisierende Komponente. Die Umsetzung der in den Richtlinien der Regierungspolitik enthaltenen Maßnahmen und der Maßnahmen des Koalitionsvertrages bleibt deshalb gewährleistet.“