Ich frage das Bezirksamt:
- Durch wen und auf welchem Wege erhalten die Geflüchteten die in Artikel 12 der „Massenzustromsrichtlinie“ der EU (2001/55/EG) garantierte befristete Arbeitserlaubnis?
- Welcher organisatorischen Abläufe bedarf es zu einer Überführung der arbeitsuchenden Geflüchteten in einen Leistungsbezug nach dem SGB II, wie er vom Bezirksamt in der letzten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit in Aussicht gestellt wurde?
- Welchen rechtlichen Status haben aktuell aus der Ukraine geflüchtete Menschen, die keine ukrainischen Staatsbürger*innen sind und nicht kurzfristig in ihr Heimatland zurückkehren können oder wollen?
Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Abt. Arbeit, Bürgerdienste und Soziales
Stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat
Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:
- Durch wen und auf welchem Wege erhalten die Geflüchteten die in Artikel 12 der „Massenzustromsrichtlinie“ der EU (2001/55/EG) garantierte befristete Arbeitserlaubnis?
Deutschland setzt die sogenannte „Massenzustromsrichtlinie“ durch § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthaltG) um. Die Vorschrift regelt die Aufenthaltsgewährung zum vorübergehenden Schutz. Geflüchtete aus der Ukraine können so unbürokratisch ohne Einzelfallprüfung einen humanitären Aufenthaltstitel zunächst für ein Jahr mit Verlängerung auf bis zu drei Jahre erhalten.
Bereits mit der vorläufigen Bescheinigung ("Fiktionsbescheinigung") über ihr Aufenthaltsrecht nach § 24 Absatz 1 AufenthG erhalten Ukrainische Geflüchtete durch die zuständige Ausländerbehörde auch die Erlaubnis zum Arbeiten. Die Fiktionsbescheinigung und dann später Der Aufenthaltserlaubnis muss mit dem Eintrag "Erwerbstätigkeit erlaubt" versehen sein.
Im Rundschreiben Soz Nr. 01/2022 vom 25.03.2022 der SenIAS zum Thema: Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes; Leistungen an Personen, die wegen des Krieges aus der Ukraine geflüchtet sind ist zu lesen: In Berlin erhalten die Geflüchteten die Möglichkeit, sich beim LEA online für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG zu registrieren. Hierbei sind Stammdaten einzutragen und ist anzukreuzen, dass eine dauerhafte Unterbringung vorhanden ist. Diese Voraussetzung wird nur dann erfüllt, wenn der Antragstellende mit dem Nachweis, dass er/sie angemeldet ist, oder durch das LAF registriert und nach Berlin verteilt worden ist, oder in einem Berliner Bürgeramt angemeldet ist, oder einen unbefristeten Mietvertrag besitzt, oder durch Bestätigung eines Unterkunftsgebers nachweisen kann, dass er/sie dauerhaft bei Verwandten oder Freunden in Berlin für mindestens 6 Monaten leben kann. Danach kann ein Dokument ausgedruckt werden, das zusammen mit dem gültigen Ausweisdokument und einem der o.g. Nachweise als Fiktionsbescheinigung gilt, womit dann auch die Beschäftigung erlaubt ist.
Im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 17.03. steht: Die Agenturen für Arbeit sollen beraten, vermitteln und weitere Leistungen der aktiven Arbeitsförderung bieten. Der Bund passt die vielfältigen Programme und Angebote an, die sich mit Spracherwerb, Aufnahme von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Beratung von Geflüchteten und ihren Familien beschäftigen. Die bestehenden Angebote werden auf einem zentralen Hilfeportal „Germany 4 Ukraine“ (www.germany4ukraine.de) zusammenfasst – auch in ukrainischer und russischer Sprache.
Ich bedaure persönlich, dass diese Antwort noch viel Raum für Interpretationen lässt. Bzw. die konkrete Umsetzung noch nicht unterlegt ist. Hier ist der Bund in Verantwortung.
- Welcher organisatorischen Abläufe bedarf es zu einer Überführung der arbeitsuchenden Geflüchteten in einen Leistungsbezug nach dem SGB II, wie er vom Bezirksamt in der letzten Sitzung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit in Aussicht gestellt wurde?
Bisher sind Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehen und nicht nach dem SGB II. Für eine Überführung bedürfte es zunächst einer Gesetzesänderung auf Bundesebene.
Aktuell soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe bis zum 7. April Vorschläge erarbeiten. Für den Fall, dass ein Wechsel des Leistungsträgers beschlossen wird, wäre dafür eine Gesetzesänderung notwendig. Dann wäre das Jobcenter sowohl für die Leistungsgewährung als auch für die Arbeitsvermittlung zuständig.
Die in der Presse veröffentlichten Vorschläge – nach drei Monaten Übergang aus dem AsylbwLG in die Grundsicherung SGB II – sehe ich vor dem Hintergrund der damit verbundenen Aufwände für Sozialamt und Jobcenter kritisch. Ungeachtet dessen wäre eine Versorgung nach dem SGB II in Hinblick Integrationsleistungen, Zugang zum Arbeitsmarkt und Kosten der Unterkunft grundsätzlich zu begrüßen.
Über die dann notwendigen organisatorischen Abläufe kann sich zu gegebener Zeit verständigt werden. Der Geschäftsführer des Jobcenters ist Teil des Ukraine-Koordinierungsstabs des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg und in enger Abstimmung mit mir.
- Welchen rechtlichen Status haben aktuell aus der Ukraine geflüchtete Menschen, die keine ukrainischen Staatsbürger*innen sind und nicht kurzfristig in ihr Heimatland zurückkehren können oder wollen?
Zu den Personengruppen, die nach § 24 Aufenthaltsgesetz einen vorübergehenden Schutz auf Grund der sogenannten „Massenzustromsrichtlinie" und damit einen Aufenthaltstitel erhalten können, zählen auch:
Staatenlose oder Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24.02.2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben, sowie deren Familienangehörige
Staatenlose oder Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die nachweisen können, dass sie sich vor dem 24.02.2022 in der Ukraine mit einem Aufenthaltstitel rechtmäßig aufgehalten haben und nicht in der Lage sind, sicher und dauerhaft in ihr Herkunftsland zurückzukehren.
Im Rundschreiben Soz Nr. 01/2022 vom 25.03.2022 der SenIAS zum Thema: Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes; Leistungen an Personen, die wegen des Krieges aus der Ukraine geflüchtet sind ist zu lesen: Unabhängig von § 24 Aufenthaltsgesetz und auch ohne Registrierung können sich Geflüchtete aus der Ukraine, die sich am 24.02.2022 in der Ukraine aufgehalten haben, bis zum 23.05.2022 legal, aber zunächst ohne Zugang zum Arbeitsmarkt, in Deutschland aufhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Nöll