Zur Beantwortung Frau BzStR’in Schmiedhofer:
Herr Tillinger, sehr geehrte Damen und Herren, gerne
beantworte ich Ihre Fragen und Herr Tillinger, ich weiß nicht, wie frisch
dieses Thema für Sie ist, aber Sie werden sehen, wir haben tatsächlich schon
vor einigen Jahren mit den Dingen angefangen, die Sie jetzt einfordern.
Zu 1.
Das Abgeordnetenhaus hat am 24.01.2008 den Senat beauftragt,
Maßnahmen zu entwickeln, die die Teilnahmequote an der Kinderfrüherkennung,
also an den Kinderfrüherkennungsuntersuchungen, besonders bei der U4 im dritten
bis vierten Monat deutlich erhöht. Ein entsprechendes Gesetz zum Schutz und
Wohl des Kindes wurde nach vielen Auseinandersetzungen knapp zwei Jahren
später, nämlich am 17.12.2009, beschlossen. In dem neuen Gesetz ist die
Einführung eines verbindlichen Einladungswesens bis zur Vollendung des sechsten
Lebensjahres geregelt und wenn ich das etwas kritisch anmerken darf, es ist
eigentlich auch die Substanz von diesem Gesetz, also wenn man sich mal anguckt,
was steht da eigentlich wirklich drin, was anders ist, als vorher, es geht
ansonsten nur um relativ weiche Themen, wie Kooperationsbeziehungen und
Ansprechstellen usw., also das ist sozusagen der Kern.
Als zentrale Stelle ist die Charité für die Einladung und
Rückmeldung verantwortlich. Alle Kinder, für die dort keine Untersuchungsbescheinigung
eingehen, werden namentlich an die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste der
Bezirksämter übermittelt. Diese sollen und werden dann durch den
Sozialpädagogischen Dienst Kontakt aufnehmen. In der Regel durch Hausbesuche,
bei denen eine Motivation der Sorgeberechtigten erfolgen soll. Also, es soll
natürlich erst einmal herausgefunden werden, warum gehen die nicht zu der
Untersuchung, vielleicht muss man sie nur erinnern und dann ist es kein Problem
und man sieht, dem Kind geht es eigentlich gut. Wenn aber bei diesem Besuch
Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls erkennbar werden, dann wird
der Sozialdienst des Jugendamtes eingeschaltet. Diese Aufgabe ist durchaus
sinnvoll, es kann aber sein, dass die nachgehende soziale Arbeit auch sehr
personalintensiv wird.
Bereits bei den Berechnungen zum Mustergesundheitsamt wurde
für den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sowohl für den ärztlichen als auch
für den sozialpädagogischen Bereich eine personelle Unterausstattung
festgehalten. Aktuell sind, und dass ist jetzt erst einmal nur der Bereich
Gesundheit, von den 11,2 Arztstellen nur 6,36 besetzt und bei den
Sozialarbeiterinnen und Therapeuten fehlen Stellenanteile im Umfang von zwei
ganzen Stellen von insgesamt 27. Aufgrund der Vorgaben der Senatsverwaltung
konnten diese Stellen bisher nicht besetzt werden. Wir hoffen auf eine
Teilnachbesetzung in diesem Jahr, das ist aber insbesondere bei den Ärztinnen
dadurch schwieriger geworden, dass wir jetzt als gesamtes Bezirksamt uns balgen
müssen um die Besetzung von insgesamt 16, also extern zu besetzenden Stellen,
vorher war das so (2009), dass die Senatsverwaltung festgelegt hat, welche
Arztstellen nachbesetzt werden dürfen, natürlich hat sie nie alle anerkannt,
sondern immer ganz genau geprüft, jeden Monat neu, aber der Arbeitsmarkt,
insbesondere für Fachärzte, ist im Moment sehr gut und wir sind da ein sehr
schlechter Arbeitgeber, also vom Gehalt und auch von sonstigen Bedingungen, d.
h. wir müssen froh sein, wenn sich überhaupt auf eine ausgeschriebene Stelle
eine Person bewirbt, die dann auch möglichst noch bei uns bleibt.
Dem Jugendamt stehen für die Aufgaben im Zusammenhang mit
Schutz und Hilfe bei Kindeswohlgefährdung, und zwar unabhängig von den neuen
Aufgaben aufgrund des Kinderschutzgesetzes,
insgesamt 61 Stellen zur Verfügung. Von denen sind aktuell fast sieben
unbesetzt. Das ist nämlich noch immer ein Thema im Jugendhilfeausschuss. Für
die Umsetzung des neuen Gesetzes soll es bezirksweit 24, auf zwei Jahre
befristete, zusätzliche Beschäftigungspositionen, wahrscheinlich für
Kinderkrankenschwestern, geben. Aber für diese ist die Bewilligung seitens der
Senatsverwaltung für Finanzen noch nicht da. Die Fachsenatsverwaltungen sind da
meistens etwas schneller und verkünden schon, was aber noch gar nicht unterlegt
ist, deswegen konnte die Ausschreibung auch noch nicht realisiert werden. Falls
wir uns statt für eine Kinderkrankenschwester für eine Sozialarbeiterin oder
einen Sozialarbeiter entscheiden, reicht das Geld nur für eine ¾-Stelle.
Zu 2. und 3.
Bereits 1991 wurde damals im Altbezirk Charlottenburg das
Haus des Säuglings als niedrigschwelliges Angebot für Hilfen rund um die Geburt
als Mittelpunkt eines Netzwerkes eingerichtet. Dort sind, anders als bisher in
anderen Bezirken, auch Kinderkrankenschwestern tätig. Es finden regelmäßige
Austausch- und Fortbildungsveranstaltungen mit Hebammen statt. In diesem Jahr
wird mit diesen auch eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen werden. Der
Vorteil der Einrichtung ist die Niedrigschwelligkeit, es gibt ganz viele
verschiedene Angebote für Mütter, auch für Väter. Das Haus musste ja umziehen.
Es lag vorher etwas schöner im Kiez, es gab am Anfang eine kleine
Nachfragedelle, das hat uns etwas besorgt. Jetzt haben wir festgestellt, die
Nachfrage ist wieder sehr sehr hoch, und zwar von etwas anderen Frauen.
Also, wir hatten vorher in der Gierkezeile eine größere
Gruppe von so genannten Mittelschichteltern, für die waren die Angebote sehr
wohl auch da, aber jetzt, wo es aus Kostengründen in die Otto-Suhr-Allee
verlegt wurde, als Teil des Rathauses, wenn auch mit einem eigenen Eingang, ist
die Nachfrage sehr erfreulich groß von Frauen, die soziale und vielleicht
finanzielle Ressourcen brauchen.
Durch die regelmäßig stattfindenden Treffen und Fortbildungsveranstaltungen
mit Hebammen im Haus des Säuglings ist eine bis heute tragende Kooperation mit
dieser für den frühen Kinderschutz wichtigen Berufsgruppe entstanden. Die im
Bezirk niedergelassenen Kinderärzte werden ebenfalls zweimal jährlich von der
Leitung des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes und in das Gesundheitsamt
eingeladen, mit erfreulicher Resonanz, es nehmen dort selbstverständlich auch
Mitarbeiterinnen des Jugendamtes teil. Neben dem allgemeinen Austausch gibt es
durch das Kennen lernen dann auch einfach die Voraussetzung, dass eine schnelle
unbürokratische Kooperation bei möglicher Kindeswohlgefährdung umgesetzt werden
kann.
Zwischen den Entbindungskliniken im Bezirk, das war ja auch
Ihre Frage, und dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst gibt es ebenfalls eine
jahre- oder jahrzehntelange Kooperation. Den Schwerpunkt bildet die
Charlottenburger DRK-Klinik im Westend. Das ist auch in unserem Bezirk die
einzige mit einer Kinderklinik. Seit 20 Jahren besuchen die
Kinderkrankenschwestern aus dem Haus des Säuglings zweimal pro Woche die Frauen
auf einer Wöchnerinnenstation, informieren über die Angebote des KJGD,
beantworten Fragen und verweisen auch an die Sozialarbeiterinnen. Und natürlich
gibt es aufgrund dieses Kontaktes auch einfach den Weg, wenn dort in der Klinik
jemand das Gefühl hat, eine Frau braucht dringend Unterstützung, dass dann auch
einfach mal angerufen wird.
Zu den anderen beiden Entbindungskliniken gibt es immer
wieder persönliche Kontakte auf den unterschiedlichen Ebenen. Gerade war die
Amtsärztin mit der Leiterin vom KJGD bei den ärztlichen Leitungen im Bereich
der Gynäkologie sowohl im Gertrauden- als auch im Martin-Luther-Krankenhaus.
Auch das Jugend- und Gesundheitsamt haben miteinander eine
Kooperationsvereinbarung, sie wurde sogar noch mal verbessert. Sie regelt
konkrete Arbeitschritte auf der Mitarbeiterinnenebene, insbesondere um die
Betreuung im Schnittstellenbereich zwischen beiden Ämtern zu optimieren. Das
Thema hatten wir aus nicht ganz sehr schönen Anlässen auch hier einige Male
schon breit diskutiert.
Am 27.11.2009 fand, initiiert durch die Region 1 des
Jugendamtes, die erste Regionalkonferenz zum Thema Kinderschutz statt, an der
der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst, Erziehungs- und Familienberatungsstellen,
freie Träger der ambulanten und stationären Hilfe, Kirchengemeinden, Polizei,
Schulen usw. teilgenommen haben und diese Regionalkonferenzen werden dann nach
und nach in allen Regionen durchgeführt. Eine Kooperationsvereinbarung zwischen
den Abteilungen Gesundheit und Jugend einerseits des Bezirksamtes und der
Charité zur vernetzten Fallarbeit wurde letzten Sommer unterzeichnet. Sie ist
insofern sehr bedeutsam, dass in dieser Klinik schwerpunktmäßig Frauen mit
großen Risikofaktoren, z. B. Drogenkonsumentinnen und Frauen mit HIV-Infektion
entbinden. Außerdem ist es dort möglich, durch ein spezielles
Kinderschutzprogramm Verdachtsfälle auf Kindesmisshandlungen mit einem fachlich
sehr hohen Standard aufzuklären.
Jetzt kommt noch was Schönes: Im nächsten Monat wird im Haus
des Säuglings das Projekt „Spielen lernen“ starten. Es wird
finanziert, und zwar dauerhaft, durch Spenden des Facilitycenters der
DRK-Kliniken und durchgeführt von der Bürgerstiftung Berlin. Eine externe
finanzierte Fachkraft wird Eltern zeigen, wie sich die emotionalen Bedürfnisse
von Kindern äußern und wie sie diese spielerisch erfüllen können, um frühzeitig
eine gute Bindung herzustellen. Wir hoffen, dass das Projekt insofern gelingt,
als dort auch insbesondere die Mütter oder die Eltern hingehen, für die der
Bedarf groß ist.
Der KJGD im Bezirk und auch das Jugendamt ist auch mit den
anderen gesundheitlichen und sozialen Diensten und freien Trägern hervorragend
vernetzt, z. B. wenn es darum geht, Paten zu bekommen oder Unterstützung zu
Kindern von psychisch kranken Eltern oder von Drogenkonsumentinnen und es zeigt
sich, dass es einfach sehr hilfreich ist, sich regelmäßig auf einem fachlichen
Niveau auszutauschen.
Zu 4.
Die Frage hab ich im Prinzip schon unter Punkt 2.
beantwortet. Also, welche Angebote es dort gibt. Außerdem gibt es bei
Kinderschutzfällen gibt es auch eine bezirkliche Hotline und die 24-stündige
Erreichbarkeit berlinweit.