Drucksache - 1585/3  

 
 
Betreff: Zukunft des Jugendfreizeitangebots
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:FDP-Fraktion 
Verfasser:Dr.Fest/Prof.Dr.Dittberner 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
Beratungsfolge:
Bezirksverordnetenversammlung Beratung
21.01.2010 
38. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Große Anfrage
schriftliche Beantwortung

Wir fragen das Bezirksamt:

Wir fragen das Bezirksamt:

 

  1. Wonach bemisst der Bezirk den Umfang und die Finanzierung seines Jugendfreizeitangebots?

  2. Welche Bedingungen in Bezug auf Miete, Betriebskosten und bauliche Unterhaltung hält das Bezirksamt bei einer Übertragung an einen freien Träger für angemessen?

  3. Treffen die Informationen zu, dass die Abteilung Jugend Vertragsabschlüsse zu Lasten der Bauabteilung geschlossen hat?

  4. Fanden während der Vertragsverhandlungen mit dem freien Träger, welcher das Jugendfreizeitheim Spirale zum 1. Januar 2010 übertragen bekommen sollte, bezüglich der Übernahme der Betriebskosten und baulichen Unterhaltung fortlaufend verbindliche Abstimmungen zwischen den beteiligten Abteilungen statt?

  5. Welche Auswirkungen erwartet der Bezirk von der Schulstrukturreform, z.B. bei den Öffnungszeiten?

 

 

Das Bezirksamt beantwortet die Große Anfrage wie folgt:

 

Zu 1.:

Auch wenn die für die Darstellung der Größe einer Jugendfreizeiteinrichtung landesweit genutzte Bezugsgröße „Platzzahl“ (2,5 m² pädagogische Nutzfläche pro potentielle/r Besucher/in) eine wenig befriedigende Bemessungsgrundlage darstellt, wird zur Darstellung der Versorgung eines Bezirks mit Jugendfreizeiteinrichtungen davon ausgegangen[1], dass für 11,4 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis unter 25 Jahren ein Platz in einer öffentlichen oder öffentlich geförderten Jugendfreizeiteinrichtung zur Verfügung stehen sollte.

 

Bei 46.513 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis unter 25 Jahren und 2.152 Plätzen erreichte der Bezirk im Juni 2009 lediglich einen Versorgungsgrad von 4,6 %. Der Durchschnitt aller Berliner Bezirke lag 2004 bei 6,08 % (letzte aktuelle Zahl).

 

Das Bezirksamt strebt grundsätzlich eine angemessene Ausstattung mit Jugendfreizeiteinrichtungen in Charlottenburg-Wilmersdorf an, ist hier allerdings durch die begrenzten finanziellen Ressourcen in seiner Gestaltungsfähigkeit gebunden. Die gegenwärtige Verteilung von Angeboten der Jugendförderung unter den Bezirken zeigt ein eindeutiges Ost-West-Gefälle zulasten der westlichen Bezirke. Die gegenwärtig auf Landesebene erfolgende Erarbeitung eines Modells für die Zuweisung von Finanzmitteln an die Bezirke für Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII soll zu einem gerechteren Verteilungssystem unter den Bezirken führen.

 

Zu 2.:

Vorausschickend ist festzuhalten, dass grundsätzlich jedes Grundstück pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten ist (vgl. § 7 LHO).

 

Bei einem Grundstück des Fachvermögens ist eine Vermietung, Verpachtung oder sonstige Nutzung durch andere nur zulässig, wenn der Fachzweck des Grundstücks gewahrt bleibt. Bei einer Vermietung oder Verpachtung müssen dem Mieter oder Pächter die gleichen Leistungen und Verpflichtungen auferlegt werden, wie sie private Vermieter oder Verpächter zu vereinbaren pflegen. Als Miet- oder Pachtzins ist das ortsübliche Entgelt zu fordern. Bei einem Grundstück oder einer Nutzung von besonderer Eigenart oder Bedeutung ist das Entgelt so zu bemessen, dass auch die besonderen Verhältnisse berücksichtigt werden.

 

Das Berliner Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes bestimmt in § 47 Abs. 3, „dass den Trägern der freien Jugendhilfe die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Räume, soweit sie sich im Vermögen des Landes Berlin befinden, entgeltfrei zur Verfügung gestellt werden.“ Die hierzu erlassenen Ausführungsvorschriften (AV-R) regeln in Nr. 1 Abs. 4, dass die „laufenden Bewirtschaftungskosten, insbesondere Heizung, Strom, Wasser sowie Abgaben, Gebühren und Steuern“ nicht unter die Entgeltfreiheit fallen. Allerdings verweist dieselbe Regelung in Satz 5 diesbezüglich auf die Möglichkeit einer weitergehenden Förderung nach § 47 Abs. 1 AG KJHG (Zuwendungsrecht). Der Rechnungshof von Berlin kritisierte mit Schreiben vom 19.01.2000 die Senatsverwaltung für diese umständliche Regelung: „Da Sie in Ihren AV-R aber gleichzeitig verwaltungsaufwendige Umwege aufzeigen, die diese restriktive Auslegung ad absurdum führen, liefern Sie nur ein Beispiel für die Befassung der öffentlichen Verwaltung mit sich selbst.“ Der Rechnungshof bezeichnet im selben Schreiben ausdrücklich den Verzicht auf die Erhebung nicht nur der Miet-, sondern auch der Mietnebenkosten als im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut stehend.

 

Im Rahmen der politischen Zielstellung der Übertragung an einen Träger der freien Jugendhilfe soll dieser bei der Überlassung einer Einrichtung durch eine öffentliche Förderung in die Lage versetzt werden, in der Einrichtung Jugendarbeit im erforderlichen Ausmaß und in geeigneter Weise durchführen zu können. Bei der Bemessung der Eigenleistung sind entsprechend § 74 Abs. 3 Satz 3 „die unterschiedliche Finanzkraft und die sonstigen Verhältnisse zu berücksichtigen“. Dabei ist zu beachten, dass sich die finanziellen Rahmenbedingungen im Bereich Jugendarbeit im Vergleich zum Kita-Bereich deutlich schlechter darstellen, da hier für die Träger noch immer keine Kostenblattfinanzierung gegeben ist.

 

Soweit die Finanzkraft des Trägers eine höhere Eigenleistung nicht zulässt, ist die bisher praktizierte Regelung auch der Übernahme der Betriebskosten sowie der baulichen Unterhaltung angemessen. Die gemäß BVV-Beschluss zum 01.01.2010 erfolgte Übertragung des Kinder- und Jugend-Kulturzentrums und Abenteuerspielplatzes „Spirale“ konnte nur deshalb erfolgreich realisiert werden, weil der Träger zur Deckung der Personalmittel eine den gewöhnlichen Rahmen weit übersteigende Eigenleistung erbringt.

 

Zu 3.:

Die besonderen Verhältnisse für ein Grundstück des Verwaltungsvermögens benennt die für das Jugendfreizeitangebot zuständige Abt. Jugend. Die sich aus den Vorgaben der Abt. Jugend ergebenden Vertragskonditionen können daher durchaus von den vorgeschlagenen Empfehlungen der Abt. Bau abweichen, für die insbesondere die Wirtschaftlichkeit der Grundstücke bei externer Nutzung im Vordergrund steht. Grundsätzlich ist dabei anzumerken, dass in der Budgetierung der einzelnen Produkte auch die jeweiligen Infrastrukturkosten enthalten sind. Insofern müssten im Bauamt und der Immobilienverwaltung, in deren Haushaltsplänen die jeweiligen Finanzmittel geführt werden, auch die jeweiligen Mittel zur Deckung der Infrastrukturkosten vorhanden sein. Da die Immobilie weiterhin im bezirklichen Fachvermögen Jugend verbleibt, ändert sich im Verhältnis zu den Vorjahren nichts zu Lasten der Abt. Bau, sondern eher zu deren Gunsten, da der Träger, der die Immobilie künftig nutzt, im Rahmen seiner Eigenleistung nicht nur Personalkosten übernimmt, sondern sich auch an der kleinen baulichen Unterhaltung und weiteren Bewirtschaftungskosten beteiligt.

 

Im Rahmen der Übertragung der „Spirale“ ist von der von der dafür zuständigen Abt. Jugend der Leistungsvertrag („Muttervertrag“) und ergänzend von der für die Immobilien zuständigen Abt. Bau der Nutzungsvertrag geschlossen worden. Im zeitlichen Ablauf dieser Übertragung ist deutlich geworden, dass im Hinblick auf mögliche weitere Übertragungen von Jugendeinrichtungen an freie Träger (Phase 2) eine Verständigung zwischen beiden Abteilungen u.a. auf eine gemeinsame „Checkliste“ geboten ist. Denn die Vorgaben der Abt. Jugend haben im Hinblick auf die finanzielle Ausgestaltung der Verträge zur Folge, dass die wünschenswerte Entlastung des Bezirkshaushalts, die nicht allein im Bereich Personal, sondern möglichst auch im baulichen Unterhalt und bei den A08-Mittel erfolgen sollte, betr. des Übertragungsprozesses von Jugendeinrichtungen an freie Träger nur in engen Grenzen realisierbar ist. Hinzu kommt, dass aufgrund der zeitlichen Ausgestaltung dieser Verträge mit freien Trägern zudem politisch gewollt eine Verfügbarkeit der Grundstücke auf längere Sicht ausgeschlossen ist.

 

Zu 4.:

Im Rahmen der Vertragsverhandlungen hinsichtlich der „Spirale“ fand ein intensiver Austausch zwischen den zwei beteiligten Abteilungen statt. Ferner wurde hierüber im Bezirksamtskollegium beraten. An dem abschließenden Gespräch mit dem Träger und seinem Kooperationspartner nahmen die für Jugend, Bau und Finanzen zuständigen Bezirksamtsmitglieder teil.

 

Zu 5.:

Die Umsetzung der Schulstrukturreform mit der zweigliedrigen Oberschule und der damit einhergehende Ganztagsbetrieb für alle Sekundarschulen ab dem Schuljahr 2010/11 macht eine umgehende Überprüfung der Öffnungszeiten der Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen mit dem Ziel einer bedarfsgerechten Anpassung der Öffnungszeiten notwendig. Diese ist eingeleitet.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Reinhard Naumann

Bezirksstadtrat

 



[1] Vgl. Drs. 15/1664, 15/2957 und 15/4115 des Abgeordnetenhauses über Fortsetzung des Jugendfreizeitstättenberichts vom 01.12.2005


 

 
 

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