Vom 22. bis 26. August 1992 erlebte der Rostocker Stadtteil Lichtenhagen einen der schwersten rassistischen Gewaltausbrüche in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das markante Sonnenblumenhaus wurde zum Symbol für die Rückkehr rechter Gewalt im gerade vereinigten Deutschland. Diese als Pogrom zu bezeichnenden Ausschreitungen waren Teil einer Welle rechter Gewalt, die bis heute mit Orten wie Hoyerswerda, Solingen oder Mölln in Verbindung gebracht wird.Sie fielen in eine Zeit zunehmender Fluchtmigration nach Deutschland, die tiefe gesellschaftliche Spannungen aufdeckte und im Dezember 1992 zu den umstrittenen Änderungen der Asylbestimmungen des Grundgesetzes führte.
Waren die ersten Jahre nach den Ereignissen von Rostock-Lichtenhagen von Verdrängung, Vergessen und Abwehr geprägt, wurden die Ereignisse insbesondere in den letzten Jahren stärker aufgearbeitet. Dabei erhielten zunehmend auch die Perspektiven der von der Gewalt Betroffenen, hier vor allem der ehemaligen vietnamesischen Gastarbeiter:innen, die 1992 im Sonnenblumenhaus lebten, eine größer Aufmerksamkeit. Der Sammelband „Kulturen des Verdrängens und Erinnerns“ ist Ausdruck dieser neuen multiperspektivischen Betrachtung der Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen 1992 im globalen Zusammenhang ebenso wie in den historischen Auswirkungen bis heute. Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Rechtsrucks der letzten Jahre wird der Mitherausgeber des Sammelbands David Jünger mit den beiden Autorinnen Franka Maubach und Dan Thy Nguyen über die Vergangenheit und Gegenwart von Rostock Lichtenhagen sprechen.