Die deutsche Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutete auch sehr unterschiedliche staatliche Umgehensweisen mit schwul-lesbischem Begehren. Vorreiterin der rechtlichen Entkriminalisierung war formal die DDR, die von Beginn an entschärftere rechtliche Regelungen vorsah und im Jahr 1989 homosexuelle Handlungen komplett entkriminalisierte. In der BRD strich der Bundestag den Paragraph 175 erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch. Zum Alltag in der DDR gehörte allerdings trotzdem eine starke Tabuisierung und gesellschaftliche Ächtung homosexueller Lebensentwürfe. Zugleich erkannte die DDR, anders als die BRD, auch die Existenz weiblicher gleichgeschlechtlicher Sexualität an und kriminalisierte seit Ende der 1960er Jahre neben schwulem auch lesbisches Begehren. Auch waren Möglichkeiten sich homopolitisch zu engagieren in der DDR wesentlich eingeschränkter als in der BRD.
Die komplexe Geschichte der rechtlichen Stellung queerer Personen traf mit der Wiedervereinigung aufeinander. Bis zur kompletten Abschaffung des Paragraphen 175 im Jahr 1994 gab es die paradoxe Situation einer unterschiedlichen Strafbarkeit der gleichen Handlung, je nachdem, in welchem Landesteil diese erfolgte. Die Geschichte der Kriminalisierung und Entkriminalisierung von homosexueller Liebe in den beiden deutschen Staaten ist bis heute in ihrer Komplexität kaum erinnert und insbesondere die ostdeutsche Erfahrung wenig beachtet. Die Aufarbeitung von beiden historischen Verläufen, der damit verbundenen Lebensrealitäten und deren Aufeinandertreffen nach dem Mauerfall ist bis heute nicht erfolgt.
Die Veranstaltung will diese komplexe Geschichte nachzeichnen, ihre Auswirkungen diskutieren und die Frage stellen, was man für heutigen Queeraktivismus daraus lernen kann.