In den 75 Jahren seines Bestehens wurde das Grundgesetz nahezu ebenso oft geändert. Es befindet sich damit in einer ständigen Anpassung an die gesellschaftspolitische Realität. Was demgegenüber seit den 50er Jahren lange Zeit Bestand hatte, war die Auslegung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGO) durch das Bundesverfassungsgericht, wie sie in den Urteilen zum Verbot der Sozialistischen Reichspartei und der KPD vorgenommen wurden. Wobei das KPD-Urteil schon länger als politisch motiviertes Fehlurteil diskutiert wird.
Mit dem 2. NPD-Urteil 2017 hat das Bundesverfassungsgericht eine sich bereits andeutende Revision der Auslegung der fdGO-Formel vorgenommen. Menschenwürde, prozessuales Demokratieverständnis und Rechtsstaatlichkeit als Selbstbindung des Staates werden nunmehr als Kern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung definiert.
Überraschender Weise ist diese Neufassung in der öffentlichen Debatte kaum wahrgenommen worden. Auch in den Feldern des Diskriminierungsschutzes, der politischen Bildung und für den Auftrag der Verfassungsschutzämter scheint der grundlegende Wandel bisher kaum Berücksichtigung zu finden.