Unter antimuslimischem Rassismus (AMR) wird eine spezifische Form des Rassismus verstanden. Er ist in unsere gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen, wie zum Beispiel das Schulsystem, eingeschrieben. Als Macht- und Herrschaftsverhältnis reguliert er die Zugänge zu gesellschaftlichen Ressourcen (wie Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Bildung). Er zeigt sich aber auch als individuelles Einstellungs- und Handlungsmuster und ist im öffentlichen Diskurs wirkmächtig. Ebenso äußert er sich in gewaltvollen und mörderischen Angriffen. Aus Sicht der politischen Bildung sind die verschiedenen Intersektionen (Geschlecht, soziale Herkunft usw.) dabei mit in den Blick zu nehmen, da es gerade darum geht, die Vielfalt der Erfahrungen und die spezifischen Interessen zum Ausgangspunkt politischer Bildungsprozesse zu machen.
Der Schwerpunkt der Tagung liegt auf der Frage, welche Aufgaben sich der politischen Bildung – im breiten Verständnis der Stärkung gesellschaftlicher und politischer Teilhabe – angesichts der Virulenz des antimuslimischen Rassismus stellen. Unter politischer Bildung wird im menschenrechtlichen Sinn sowohl die Frage der öffentlichen Bewusstseinsbildung verstanden als auch das Recht auf Förderung der politischen Teilhabe einbezogen.
Demgegenüber wird in den vergangenen Jahren antimuslimischer Rassismus meist im Kontext der Islamismusprävention thematisiert. So wird die Perspektive der politischen Bildung auf den Kopf gestellt. Nicht die gesellschaftlichen Strukturen, die Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen, die als Muslim*innen gelesen werden, begünstigen, stehen im Mittelpunkt, sondern die individuellen Einstellungen von (meist) Jugendlichen, die als potenzielle Gefährder*innen adressiert werden. Einer Tagung, die sich der Bedeutung von antimuslimischem Rassismus für die politische Bildung widmen will, muss es folglich auch um das Aufdecken und „Verlernen“ dieses wirkmächtigen Narrativs gehen, das Prozesse der Ausgrenzung und des Otherings verstärkt.
Bei der Tagung wollen wir uns der Frage widmen, wie politische Bildung die verschiedenen Ebenen der Ausgrenzung und Diskriminierung konzeptionell mitdenken und wirksame Gegenmaßnahmen entwickeln kann. Ebenso ist Thema, wie politische Bildung für, mit und von Muslim*innen und als muslimisch gelesenen Menschen ausgestaltet werden kann.