Laut einer aktuellen Befragung der Bertelsmann Stiftung zeigt eine Mehrheit der 16- bis 30-Jährigen in Deutschland Interesse an gesellschaftlichen und politischen Themen. Zugleich setzen die jungen Menschen nur geringes Vertrauen in die Politik und glauben nicht daran, dass sie selbst etwas bewirken können. Trotzdem wären viele von ihnen bereit, sich zu engagieren, vor allem auf lokaler Ebene. Dafür braucht es neben neuen Beteiligungsformaten auch einen Kulturwandel in Politik und Gesellschaft.
Frieden, mentale Gesundheit, Bildung und Inflation – diese Themen bewegen die junge Generation in Deutschland laut der heute veröffentlichten Studie mit dem Titel »Junges Engagement für sozialen Wandel« sehr. Fast zwei Drittel der jungen Menschen äußern zudem Interesse daran, mehr über die ihnen wichtigen Sachverhalte zu erfahren. Zugleich fehlen ihnen aber die Anreize, um sich für ihre Belange politisch zu engagieren. Nur knapp jede:r Fünfte der befragten 16- bis 30-Jährigen glaubt daran, dass es einen Unterschied macht, wenn man sich persönlich für ein bestimmtes Thema einsetzt. Rund 40 Prozent gehen davon aus, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse ohnehin nicht ändern lassen, und fast jede:r Zweite fühlt sich von den Problemen in der Welt oftmals überfordert.
Neben diesen grundsätzlichen Zweifeln sehen die jungen Menschen allerdings auch konkrete Hürden für mehr politisches Engagement. So geben 43 Prozent an, dass sie gar nicht wissen, wo oder wie sie sich einbringen können. Die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass es abseits von Wahlen zu wenig Möglichkeiten für Jüngere gibt, um sich zu beteiligen. Nicht einmal jede:r Zehnte glaubt, dass Parteien offen für die Ideen junger Menschen sind. Noch etwas weniger sind überzeugt, dass Politiker:innen die Sorgen der jungen Generation ernst nehmen.
Junge Menschen hören und bei Entscheidungen einbinden
Dennoch gibt es Potenzial dafür, dass sich junge Menschen stärker in die Gesellschaft einbringen. Mehr als ein Drittel der Befragten hätte Interesse, für die ihnen wichtigen Themen aktiv zu werden, etwa durch das Unterzeichnen von Petitionen oder das Leisten von Freiwilligenarbeit. Ein weiteres Drittel ist zumindest teilweise dazu bereit. »Junge Menschen würden sich politisch mehr engagieren, wenn sie wüssten, dass ihr Einsatz tatsächlich eine Wirkung entfaltet und ihre Argumente Gehör finden. Daraus entstünde die größte Motivation für sie. Deshalb muss es der Politik besser als bisher gelingen, auf junge Menschen zuzugehen, Wert auf ihre Meinung zu legen und sie bei Entscheidungen einzubinden«, sagt Regina von Görtz, Expertin für Jugend und Demokratie der Bertelsmann Stiftung.
Die Ergebnisse zeigen auch, dass fehlendes Engagement der jungen Generation nicht etwa aus einer Ablehnung der Demokratie resultiert. 61 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die Demokratie trotz mancher Schwächen die bestmögliche Regierungsform darstelle. Allerdings äußert fast jede:r Zweite Unzufriedenheit mit der Art und Weise, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert; im Osten ist dieser Anteil höher als im Westen.
Passgenaue und niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeiten
Die besten Chancen auf ein größeres Engagement bietet aus Sicht der Befragten das unmittelbare Umfeld. Sie glauben, dass sie eher auf lokaler als auf nationaler Ebene etwas verändern könnten und dass sich hier effektiver ein Wandel herbeiführen lasse. Zudem fühlen sie sich im Lokalen mehr in der Verantwortung, wenn es darum geht, politische und gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken. Andererseits weiß nur eine Minderheit von ihnen, wie sie sich in ihrer Stadt oder Gemeinde einbringen können.
Genau hier gelte es anzusetzen, so Regina von Görtz: »Wir brauchen passgenaue und niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen in ihrem Umfeld.« Lokalpolitiker:innen sollten dafür das Gespräch mit der Jugend suchen, um herauszufinden, welche Formate geeignet sind. Dabei helfe es auch, sie in der Diskussion speziell solcher Themen einzubinden, die jungen Menschen vor Ort wichtig sind, etwa der Glasfaserausbau oder die Gestaltung von Sport- und Freizeitanlagen. Auch über fest verankerte Gremien, z.B. Jugendbeiräte, ließen sich junge Menschen stärker in lokale Entscheidungsprozesse einbeziehen.
Doch neben Strukturen brauche es einen Mentalitätswandel: »Alibi-Beteiligung hilft niemandem. Verantwortliche auf lokaler Ebene müssen jungen Menschen auf Augenhöhe begegnen und ihren Positionen ernsthaft Beachtung schenken«, so von Görtz. Für alle, die sich in der Lokalpolitik engagieren, liege hierin eine besondere Verantwortung aber auch eine Chance. »Sie können als Vorbilder junge Erwachsene ermutigen, ihre Interessen selbstbewusst zu vertreten. Dadurch könnten junge Menschen erleben, dass ihr Einsatz tatsächlich etwas bewirkt. Das stärkt auch die Demokratie als Ganzes«, erläutert von Görtz.