Demokratie im Internet: Plattformräte als Beratungsinstrument für soziale Medien

Diskriminierung, Hassrede, Desinformation: Die Schattenseiten des aktuellen Geschäftsmodells vieler populärer Social-Media-Plattformen werden mehr und mehr zu einem Problem für alle, die sich für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer freiheitlichen Demokratie einsetzen. Im Rahmen des Projekts »Plattform://Demokratie« hat ein internationales Forschungsteam nun politische Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von unabhängigen Gremien zur Kontrolle von Social-Media-Plattformen veröffentlicht. Es hatte ein Jahr lang untersucht, wie demokratische Werte und die Menschenrechte im digitalen Raum geschützt werden können. Die Wissenschaftler:innen schlagen sogenannte Plattformräte (eng: Social Media Council/SMC) als sinnvolles Beratungsinstrument für private Plattformunternehmen vor.

35 Forschende aus sechs Kontinenten hatten in dem von der Stiftung Mercator geförderten Forschungsprojekt untersucht, welche Modelle der Rückbindung von privaten Ordnungen an gesellschaftliche, ethische und moralische Werte weltweit schon existieren. Dafür sichteten sie zunächst in Afrika, Asien, Australien, Europa und den amerikanischen Kontinenten verschiedene aktive Kontrollaufsichten wie Medien-, KI- und Fernsehräte. Anschließend analysierte das Forschungsteam, wie diese Beratungsgremien die Öffentlichkeit gegenüber privaten Akteuren in Bereichen wie Medienregulierung, Internet, Jugendschutz und Schulen vertreten. »Es gibt bisher kein Patentrezept, um die Demokratie im digitalen Zeitalter zu sichern«, sagte Professor Matthias C. Kettemann, „ja, nicht einmal ein geteiltes Bewusstsein darüber, was das Problem ist«. Für den Leiter des Forschungsprojektes hat die Untersuchung hier wichtige Erkenntnisse geliefert: »Unsere regionalen Studien konnten zeigen, dass Modelle der gesellschaftlichen Rückbindung weltweit funktionieren. Es gibt also ein echtes Bedürfnis dafür, mächtige Kommunikationsakteure – wie Plattformen – dabei zu beraten und zu kontrollieren, wie sie Regeln setzen und diese algorithmisch durchsetzen.« Kettemann fasst zusammen: »Plattformräte sind ein tragfähiges Instrument, um die großen sozialen Medien in wichtigen gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen zu beraten.«
»Kompromisse im Design der Räte müssen dabei aber sorgfältig abgewogen werden«, betonte Projektmitarbeiterin Josefa Francke. »Sie müssen fair und inklusiv besetzt sein und man muss sicherstellen, dass ihre Mitglieder Zugang zu ausreichendem Fachwissen haben.«

Braucht aber jede Plattform und jedes Land einen eigenen Rat? Das finden die Wissenschaftler:innen weniger sinnvoll. Ihre Ergebnisse sprechen für eine übergreifende Kommission, die sich auf die Gewährleistung der Menschenrechte im Internet konzentriert. Sie könnte – nach dem Vorbild der Venedig-Kommission des Europarats – das Fachwissen in diesem Themenfeld bereitstellen. Besonders, so Professor Wolfgang Schulz, »wenn es um Entscheidungen geht, die Plattformen und die öffentlichen Interessen in besonderer Weise berühren. Zum Beispiel die Frage, wie Personen des politischen Lebens, wie Donald Trump, behandelt werden sollten. Oder ob und wie Plattformen mit bestimmten Medieninhalte am besten umgehen. Müssen sie etwa ihre Empfehlungssysteme auf Vielfalt ausrichten?«.

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