Dokumentarfilm-Trilogie »Einzeltäter« gibt Angehörigen rechtsextremer Anschläge eine Stimme

Der rassistische Anschlag vom 19. Februar 2020 hat Hanau-Kesselstadt verändert. Hier leben Menschen verschiedener Herkunft, hier starben sechs der neun Opfer, hier wohnen der Vater des Täters und Hinterbliebene der Opfer in unmittelbarer Nachbarschaft. Der Dokumentarfilmer Julian Vogel beschäftigt sich seit 2018 mit Menschen, die bei rechtsradikalen Anschlägen vermeintlicher »Einzeltäter« Angehörige verloren haben und will ihnen eine Stimme geben. Nach den ersten beiden Teilen »München« und »Halle« bildet der heute Nacht um 0.30 Uhr im ZDF zu sehende Film »Hanau« den letzten Teil der seiner »Einzeltäter«-Trilogie.

Nach dem Anschlag halten Hinterbliebene, Eltern, Geschwister und Freunde der Opfer zusammen und versuchen gemeinsam mit den Folgen der Tat umzugehen. Sie organisieren sich politisch, kämpfen um die Aufklärung der Tat und gegen Rassismus. Und sie fordern Konsequenzen bei Behörden, von denen sie sich im Stich gelassen fühlen. So entsteht ein neues »Wir«-Gefühl bei den Menschen aus Hanau-Kesselstadt, die weiterhin in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Vater des Täters leben.

Die »Einzeltäter«-Trilogie blickt auf Wechselwirkungen zwischen Trauerarbeit der Betroffenen und politischer Deutung der Tat. Die Debatte über die rechtsextremen Anschläge von München 2016, Halle 2019 und Hanau 2020 eint die Tatsache, dass die Taten zunächst sogenannten »Einsamen Wölfen« zugeschrieben wurden: Vermeintliche Einzeltäter, die sich scheinbar ohne in klassisch extremistische Strukturen eingebunden zu sein, im Internet radikalisieren und im öffentlichen Raum plötzlich zuschlagen. Es sind Geschichten, die mittlerweile die Schlagzeilen dominieren: Der rechte Terror gilt zurzeit laut Verfassungsschutz als größte Bedrohung der Demokratie in Deutschland. Und das, obwohl solche Täter noch bis vor Kurzem oft als psychisch kranke, »verwirrte« Einzeltäter eingestuft wurden und ihnen so ihr Rassismus abgesprochen wurde. Diese Zeiten sind vorbei: Frank Walter Steinmeier sprach nach dem Anschlag in Hanau von einem »Angriff auf uns alle«.

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