Bislang stand die »Junge Alternative« (JA) als Jugendorganisation der Alternative für Deutschland (AfD) in der öffentlichen Wahrnehmung im Schatten der Partei. Spätestens mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln in dieser Woche, das die Einstufung der »Jungen Alternative« als gesichert rechtsextremistisch zulässt, ist die JA ins Rampenlicht gerückt. In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat Dr. Anna-Sophie Heinze von der Universität Trier die Entwicklung und Rolle der JA in Deutschland untersucht. Die Politikwissenschaftlerin kommt zu dem Ergebnis, dass die JA einer der zentralen Treiber der Radikalisierung der AfD ist.
»Seit der Entscheidung im November 2015, die JA als offizielle Jugendorganisation anzuerkennen, hat sich die AfD zunehmend radikalisiert«, fasst Anna-Sophie Heinze die Entwicklung zusammen. Diese Beobachtung lässt sich nach Ansicht der Parteienforscherin an Themen und Positionen sowie an personellen Entscheidungen festmachen. So habe die AfD nach dem Zusammenschluss mit der als radikaler geltenden JA deren schon sieben Jahre zuvor aufgestellte Forderung, die EU aufzulösen, übernommen. Eine ähnliche Entwicklung sei auch auf der personellen Ebene zu verzeichnen: Wie zuvor in der JA kamen nach 2015 auch in der AfD zunehmend radikaler eingestellte Personen in Führungspositionen.
Kampf um Anerkennung
Der Annäherung der beiden Organisationen gingen teils massive Reibungen und Konflikte voraus. Die JA habe um die Anerkennung durch die AfD regelrecht gekämpft, so Anna-Sophie Heinze. Insbesondere in der Gründungsphase gab es innerhalb der AfD durchaus kritische bis ablehnende Stimmen gegenüber der Anerkennung der JA als AfD-Nachwuchsorganisation. Konfliktpotenzial entstand in den Folgejahren unter anderem hinsichtlich der Frage, ob und wie man sich zu rechtsextremen Organisationen und Positionen abgrenzt – auch, um die eigene Überwachung doch noch abzuwenden.
»Inzwischen stehen AfD und JA so eng zusammen wie nie zuvor. Durch die Beobachtung beider Organisationen durch die Verfassungsschutzbehörden und die Verbotsszenarien hat sich bei AfD und JA eine Wir-sitzen-im-selben-Boot-Mentalität eingestellt, die das Gemeinschaftsgefühl stärkt«, so Anna-Sophie Heinze. Die AfD erkenne nun auch stärker die positiven Effekte einer Jugendorganisation, etwa bei der Rekrutierung und Sozialisation von Mitgliedern, an und statte die JA finanziell besser aus. »Es schweißt AfD und JA zusammen, dass sie das gemeinsame Ziel verfolgen, die sie beobachtenden Nachrichtendienste zu delegitimieren und sich als die einzig wahre Opposition zu präsentieren.«
Interviews mit hochrangigen JA-Mitgliedern
Für ihre Studie hat Anna-Sophie Heinze auf ein breites Spektrum von Quellen zurückgegriffen. Sie führte Interviews mit hochrangigen Mitgliedern der JA, wertete Kommunikationskanäle und Beiträge in sozialen Medien, offizielle Dokumente von JA und AfD und Berichte von Nachrichtendiensten aus. »In der Frage, warum sich die AfD radikalisiert, helfen Parteiprogramme nur bedingt weiter. Auch die Entwicklung der JA lässt sich viel besser in ihrer Social-Media-Kommunikation nachverfolgen. Was einige Personen aus der JA posten, ist schon heftig.«
Die Interviews wurden bereits im Herbst 2020 im Rahmen eines internationalen Projekts zu Partei-Jugendorganisationen geführt. »Wir haben damals bei den angefragten Interviewpartnern eine überraschend große Offenheit erlebt und den Wunsch, sich mitzuteilen. Inzwischen ist es deutlich schwieriger, mit hochrangigen Mitgliedern der JA in Kontakt zu kommen. Diese Entwicklung dürfte auf die Beobachtung der JA durch die Nachrichtendienste und die Besetzung des Vorstands mit extremer ausgerichteten Personen zurückzuführen sein«, stellt Anna-Sophie Heinze fest.