Studie: Ost-West-Unterschiede in den Einstellungen zu Politik und Gesellschaft schmelzen

In der Bewertung der Lebensqualität unterscheiden sich Menschen in Ost- und Westdeutschland oder Menschen auf dem Land und aus der Stadt kaum. Dieses überraschende Ergebnis ist einer der Hauptbefunde des Deutschland-Monitors 2023, einer neu entwickelten jährlichen wissenschaftlichen Studie, die eine neue Sicht auf gesellschaftliche und politische Einstellungen und Bewertungen der deutschen Bevölkerung ermöglicht. An der Erstellung des Deutschland-Monitors sind Forschende der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt.

Als zentrale Herausforderungen vor Ort gelten in Stadt und Land die Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums, der Fachkräftemangel sowie der zunehmende Gegensatz zwischen Arm und Reich. In strukturschwachen ländlichen Regionen – verstärkt in Ostdeutschland – wird die Abwanderung junger Menschen als besondere Herausforderung problematisiert. Positiv ist, dass in Deutschland flächendeckend ein starker sozialer Zusammenhalt vor Ort wahrgenommen wird: »Sozialer Zusammenhalt vor Ort ist eine zentrale Ressource für das Funktionieren der Demokratie«, so Politikwissenschaftler Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung Halle.

Wohn- und Lebensumfeld beeinflusst politische Einstellung

Der Fokus des neuen Deutschland-Monitors zeigt: Für die Entwicklung politischer Einstellungen sind individuelle Merkmale und gleichzeitig auch das Wohn- und Lebensumfeld entscheidend. Menschen in Ostdeutschland fühlen sich doppelt so häufig abgehängt wie Menschen in Westdeutschland (19 % zu 8 %). Damit einhergehend haben in Ostdeutschland mehr Menschen den Eindruck, dass sich die Politik nicht ausreichend für ihre Region interessiere und sich zu wenig für deren wirtschaftliche Entwicklung einsetze. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland können aber zum Teil auf objektive Faktoren zurückgeführt werden. Menschen in strukturschwachen Regionen in Ost und West fühlen sich stärker abgehängt als Menschen in strukturstarken Regionen. Das »Gefühl des Abgehängtseins« ist in jenen ostdeutschen und strukturschwachen Gegenden besonders stark verbreitet, die stärker von Überalterung und Abwanderung betroffen sind.

Einstellungen der West- und Ostdeutschen gleichen sich an

Dagegen findet der Deutschland-Monitor einen stabilen wohlfahrtsstaatlichen Konsens: Eine breite Mehrheit ist der Ansicht, dass der Staat für allgemeine Lebensrisiken Verantwortung übernehmen sollte. Dabei wächst die Offenheit für einen handlungsfähigen Staat bei wirtschaftlichen Herausforderungen und sozialen Risiken. »Die Ost-West-Unterschiede schmelzen, weil sich die entsprechenden Einstellungen der Westdeutschen an die der Ostdeutschen annähern«, so Reinhard Pollak, Soziologe am GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Mannheim.

Diese und zahlreiche weitere Resultate des Deutschland-Monitors enthält der ausführliche Ergebnisbericht der Studie. Eine kompakte Kurzinformation über die wesentlichen Untersuchungsergebnisse ist dort ebenfalls verfügbar.

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