In Verhandlungen priorisieren Gesprächspartner:innen ihre eigenen kurzfristigen Interessen und ignorieren die Konsequenzen ihrer Entscheidungen für zukünftige Generationen. Das zeigt eine experimentelle Studie des Instituts für Psychologie der Universität Hildesheim gemeinsam mit Wissenschaftler:innen der Leuphana Universität Lüneburg. Spannend wird diese Erkenntnis beispielsweise im Zusammenhang mit Fragen der Ressourcenverteilung oder klimapolitischen Entscheidungen.
In der Studie mit dem Titel »Verhandlungsführer der gegenwärtigen Generationen setzen ihre Interessen auf Kosten der zukünftigen Generationen um«, haben Forschende der Universität Hildesheim und der Leuphana Universität entscheidende Erkenntnisse zu den Herausforderungen intergenerationaler Verhandlungen und deren weitreichenden Auswirkungen aufgedeckt.
»Um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen, beispielsweise auf der bevorstehenden UN-Klimakonferenz in Dubai, greifen Entscheidungsträger häufig auf Verhandlungen als bewährtes Mittel zurück, um Konflikte zu lösen und gegenseitig vorteilhafte Lösungen zu finden«, berichtet Dr. Johann Majer vom Institut für Psychologie der Universität Hildesheim. Diese Verhandlungen führen demnach zu Vereinbarungen, die nicht nur die unmittelbar beteiligten Parteien beeinflussen, sondern auch weitreichende und oft dramatisch zeitverzögerte Konsequenzen für zukünftige Generationen haben. Als Ergebnis sehen sich Verhandlungsführer in Konflikten auf zwei Ebenen: mit ihren gegenwärtigen Verhandlungspartnern und den Interessen der Generationen, die noch kommen werden.
Die Forschung, die in fünf sozial-interaktiven Experimenten mit 524 Teilnehmenden durchgeführt wurde, zeigt eine ernüchternde Realität auf: Verhandlungsführende der gegenwärtigen Generation priorisieren oft ihre kurzfristigen Interessen über diejenigen der zukünftigen Generationen.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie umfassen:
Selbstbezogene Abwägungen: Wenn die gegenwärtigen Verhandlungsführenden Kosten tragen mussten, um die Interessen der zukünftigen Generationen zu realisieren, lagen die Vereinbarungen eindeutig im Interesse der gegenwärtigen Generation.
Tendenz, zukünftige Interessen zu ignorieren: Selbst, wenn die gegenwärtigen Verhandlungsführenden nur die Präferenzen der zukünftigen Generationen berücksichtigen und umsetzen mussten, blieb die Voreingenommenheit für kurzfristige Gewinne bestehen.
Beharrlichkeit trotz schwerwiegender Konsequenzen: Diese Priorisierung gegenwärtiger Interessen über die Interessen zukünftiger Generationen setzte sich selbst dann fort, wenn die Konsequenzen für zukünftige Generationen immer schwerwiegender wurden.
Mit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse verbinden die Wissenschaftler:innen einen Aufruf zum Handeln und betonen die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen, die auf eine gerechtere Balance zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Interessen abzielen.