Über viele Umwege ist Berlin seit dem Mauerfall 1989 von einer eher provinziellen Großstadt zur Weltmetropole geworden, die heute zugleich Boomtown und unregierbar zu sein scheint. In der fünfteiligen Doku-Serie »Capital B« von ARTE kommen Akteurinnen und Akteure aus unterschiedlichsten Bereichen zu Wort: Politik, Clans, Immobilienbranche, Hausbesetzerszene, Schriftsteller oder Clubszene. Ihre Sichtweisen sind genauso vielfältig und bunt wie Berlin. Es sind spannende, polarisierende Geschichten von Idealismus und Größenwahn, Aktivismus und Kapitalmacht, sozialem Aufstieg und Verdrängung. Die Reihe ist am 3. und 4. Oktober als Erstausstrahlung im linearen Fernsehen zu sehen und bereits jetzt in der ARTE-Mediathek abrufbar.
Es sind Geschichten von Idealismus und Größenwahn, Aktivismus und Kapitalmacht, sozialem Aufstieg und Verdrängung. »Capital B« zieht uns hinein in den Sog einer einzigartigen Stadt und in die Kämpfe und Konflikte, die in Berlin seit 30 Jahren leidenschaftlich und mit harten Bandagen um die eine Frage ausgetragen werden: Wem gehört die Stadt? »Capital B« erzählt davon, wie die Bürger:innen Berlins sich seitdem wehren – gegen den Ausverkauf ihrer Stadt, ihre Verdrängung und dagegen, dass Berlin das gleiche Schicksal erleidet wie zuvor schon London, New York und Paris: zu einem langweiligen Biotop für Reiche und Investoren zu werden. In den fünf Episoden erleben wir Gier, Korruption, die Entstehung verschiedener Jugend- und Subkulturen in den 90er und Nullerjahren, Häuserkampf, Kriminalität sowie den Aufstieg und Fall gieriger Politiker. »Capital B« erzählt diese Geschichte auf besondere Weise – multiperspektivisch aus der Sicht derer, die die Stadt geprägt haben.
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Capital B – Wem gehört Berlin? (1/5) – Sommer der Anarchie
November 1989: Kaum ist die Berliner Mauer gefallen, beginnen die Kämpfe um die Zukunft der eben noch geteilten Stadt und um die Verteilung der neu entstandenen Räume und Möglichkeiten. Eitle Provinzpolitiker, geschäftstüchtige Immobilienentwickler und kampferprobte Hausbesetzer aus dem Westen, aber auch freiheitssuchende jugendliche Techno-Pioniere aus Ost und West.
Sie alle versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen und zwischen Mauerbrachen, maroden Altbauten und den verlassenen Industrieanlagen eines untergegangenen Landes ihre Claims abzustecken. Für die Subkultur ist es ein kurzer Sommer der Anarchie, in dem alles möglich zu sein scheint, in dem Utopie und Chaos nahe beieinander liegen. Doch die alten Machteliten Westberlins bereiten dem in einem großen Polizeieinsatz ein jähes Ende. Der Traum ist aus.
TV-Ausstrahlung: Dienstag, 3. Oktober 2023 um 20.15 Uhr | Samstag, 14. Oktober 2023 um 10.30 Uhr
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Capital B – Wem gehört Berlin? (2/5) – Größenwahn
1991 wird der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen in Berlin wiedergewählt. Er und der Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus Landowsky, heimlicher Strippenzieher der Berliner Politik, träumen davon, Berlin wieder zur Weltmetropole zu machen.
Während in Ostberlin die DDR-Industrie und Hunderttausende Ostberliner:innen von einem auf den anderen Tag arbeitslos werden, hoffen Investoren aus dem Westen auf das große Geschäft und gehen bisher nicht gekannte Risiken ein.
In deren Windschatten erobern Techno-Pioniere und Hausbesetzer in der Mitte Berlins leerstehende Fabrikhallen, Kirchen und Kinos, um ihre Utopien zumindest im Kleinen auszuleben oder um einfach befreit zu feiern. Die Loveparade wird vom belächelten Event einiger tanzbegeisterter Enthusiasten zur Erfolgsgeschichte. Berlin wird deutsche Hauptstadt und bewirbt sich obendrein als Austragungsort der Olympischen Spiele 2000. Das ist für die Bürger:innen der armen Stadt zu viel und treibt die linke Szene auf die Barrikaden. Dass im Ostteil der neuen deutschen Kapitale immer häufiger Nazis Jagd auf Ausländer:innen und Linke machen, passt dabei so gar nicht ins Bild der internationalen Metropole.
Die Politik hält weiter unverdrossen an ihren Plänen fest und lässt im Herzen der Stadt, am Potsdamer Platz, das in Beton gegossene Symbol ihrer Metropolenträume errichten. Doch die größte Baustelle Europas am ehemaligen Todesstreifen kann nur noch schlecht darüber hinwegtäuschen: In der neuen deutschen Hauptstadt tun sich dunkle Wolken auf.
TV-Ausstrahlung: Dienstag, 3. Oktober 2023 um 21.05 Uhr | Samstag, 14. Oktober 2023 um 11.25 Uhr
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Capital B – Wem gehört Berlin? (3/5) – Absturz
Die Westberliner Elite um Bürgermeister Eberhard Diepgen und den mächtigen Mann Klaus-Rüdiger Landowsky hat ihre Macht Mitte der 90er Jahre zementiert und feiert sich selbst auf großen Festen in den Beton-Kathedralen der vielen Großbaustellen der Stadt. Doch der erhoffte Hauptstadt-Boom bleibt aus. Während in den Ostberliner Bezirken Mitte und Prenzlauer Berg noch die Altbewohner:innen von Investor:innen aus ihrem Stadtviertel verdrängt werden, bleiben die für die Metropole gebauten Bürobauten leer. Immobilienhaie und Großinvestoren haben sich verzockt.
Auch finanzstarke Unternehmen hat man nicht anlocken können. Die Wahrheit ist bitter: Berlin ist Mitte der 90er nicht Weltmetropole, sondern Hauptstadt der Dönerbuden. Die Stadt ist arm und hart. Bezirke wie Kreuzberg, Wedding und Neukölln sind abgehängt und drohen mit ihrer mehrheitlich migrantischen und arbeitslosen Bevölkerung zu Ghettos zu verkommen. Kriminalität und Gangfights sind an der Tagesordnung. Mittendrin: Savas Yurderi aka Kool Savas, der wenig später zum einflussreichsten Rapper Deutschlands wird.
Das Einzige, was in Berlin kommerziell funktioniert, ist Techno, die erste deutsch-deutsche Jugendkultur, die längst im Mainstream angekommen ist. Die Loveparade und Clubs wie der Tresor erobern von Berlins Mitte aus die Herzen der europäischen Jugend. Die Besucherzahlen der Loveparade verdoppeln sich von Jahr zu Jahr.
Diepgen und Landowsky geben derweil nicht auf. Sie wollen den Boom erzwingen und setzen alles auf eine Karte: Berlin soll nun nicht Industriestadt, sondern zu dem deutschen Finanzzentrum werden – und es bald mit London und New York aufnehmen. Der Anfang einer großen Katastrophe für die Stadt: der größte Bankenskandal in der deutschen Geschichte nimmt seinen Lauf. Und ein junger Politiker aus der zweiten Reihe nutzt geschickt die Gunst der Stunde, um die Macht in der Stadt zu übernehmen: Klaus Wowereit.
TV-Ausstrahlung: Dienstag, 3. Oktober 2023 um 22.00 Uhr | Samstag, 14. Oktober 2023 um 12.20 Uhr
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Capital B – Wem gehört Berlin? (4/5) – Arm, aber sexy!
»Ich bin schwul und das ist auch gut so!« Nachdem der Berliner Bankenskandal das etwas verstaubte Machtduo Eberhard Diepgen und Klaus-Rüdiger Landowsky im Jahr 2001 hinweggefegt und die Käseglocke von Berlin genommen hat, zieht mit dem charmanten und auch machtbewussten Klaus Wowereit ein neuer Stil in die Politik ein: Locker nach außen, aber knallhart in der Sache. Die verlorenen Wetten der 90er Jahre und die unseriösen Geschäfte seiner Vorgänger und der Berliner Bankgesellschaft haben die Stadt in eine tiefe finanzielle Krise gestürzt. Berlin muss »Sparen bis es quietscht!«.
Wowereit versteht es, seine Politik in prägnante Slogans zu packen. Fürs Sparen sucht und findet der smart auftretende Bürgermeister einen eiskalten Vollstrecker, den damals kaum jemand kennt: Sein Name: Thilo Sarrazin. Wieder so ein Duo an der Spitze der Stadt: Der freundliche Party-Bürgermeister und der eiserne Sparkommissar. Der von ihnen in Gang gesetzte radikale Sparkurs verschärft die sozialen Konflikte in der armen Stadt dramatisch. Das wird besonders in den klammen Problembezirken Kreuzberg und Neukölln deutlich.
Das raue und arme Image der harten Stadt Berlin machen sich junge Berliner Hip-Hop Künstler- und Künstlerinnen rund um Kool Savas und seinen Kumpel Sido längst zunutze. Sie verwandeln es zu knallhartem und oft nicht jugendfreiem Berliner Battle-Rap und machen es zu ihrem Markenzeichen, das von dem Kreuzberger Keller aus die Jugendzimmer ganz Deutschlands erobert.
Und auch die Berliner Techno- und Partyszene erlebt eine Renaissance und zieht von der eng gewordenen Berliner Mitte an neue Orte voller Industriebrachen, der bis dahin in einem Dornröschenschlaf lag: Das Spreeufer, wo unter anderem die Bar 25 eröffnet wird und nicht unwesentlich zu Berlins neuem Image bei, das Bürgermeister Wowereit wieder in einen weltberühmten Slogan packt: »Berlin ist arm, aber sexy«.
TV-Ausstrahlung: Mittwoch, 4. Oktober 2023 um 20.15 Uhr | Samstag, 21. Oktober 2023 um 11.05 Uhr
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Capital B – Wem gehört Berlin? (5/5) – Die Stadt als Beute
Im letzten Jahrzehnt erobert das Kapital die Stadt. Während von New York aus eine Finanzkrise die Welt in Atem hält, passiert in Berlin zur Überraschung Vieler das Gegenteil. Die Stadt boomt. Endlich. Berlin zieht zur Freude des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der Berlin eben noch als »arm, aber sexy« beworben hat, nicht nur Tourist:innen, sondern auch Investor:innen aus aller Welt an und wird zum milliardenschweren Immobilieneldorado.
Nach Jahren der Stagnation und des Niedergangs wächst Berlin plötzlich in rasanter Geschwindigkeit. Die Berliner Bürger und die Clublandschaft bekommen die Schattenseiten des Booms zu spüren: Erst werden Clubs von finanzstarken Investoren verdrängt, dann die Bewohner:innen.
Der Kampf der Bürger gegen Verdrängung, Gentrifizierung und für eine weiterhin lebenswerte Stadt wird zum Überthema des Jahrzehnts. Und die Bürger:innen finden immer neue Mittel und Aktionsformen, um sich erfolgreich zu wehren. Der zunehmend entrückt wirkende Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit versteht derweil seine Bürger nicht mehr und macht sich mit einer Bauruine, die ein Großflughafen werden sollte, zum Gespött der ganzen Welt, während der alte Flughafen Tempelhof zur Zuflucht von Geflüchteten wird und der Stadtteil Neukölln endgültig zum Symbol für gescheiterte Migrationspolitik und kriminelle Clan-Kriminalität.
Und als ob das nicht genug wäre, versetzt zu Beginn des dritten Jahrzehnts eine Pandemie die Stadt, die jetzt wirklich eine Weltmetropole ist, in eine Schockstarre, die alles verändert. Willkommen im Berlin der Zehnerjahre.
TV-Ausstrahlung: Mittwoch, 4. Oktober 2023 um 21.05 Uhr | Samstag, 21. Oktober 2023 um 11.55 Uhr