Diskussionen strukturieren, Kontexte deutlich machen, Perspektiven herausarbeiten: All das sind Aufgaben von Moderatorinnen und Moderatoren. Forschende des Forschungsinstituts für Nachhaltigkeit – Helmholtz-Zentrum Potsdam (RIFS) haben in Kooperation mit der Stadt Magdeburg drei Beteiligungsverfahren gestaltet und begleitet, die auf unterschiedliche Weise moderiert wurden. Ihre Analyse von Stärken und Schwächen kann bei der Planung künftiger Bürgerräte und anderer »Mini-Öffentlichkeiten« helfen.
Die Forschenden untersuchten die Eignung von drei Moderationsansätzen für Ziele wie das Erkennen von Problemen, die Einbindung unterschiedlicher Sichtweisen und das Erarbeiten gemeinsamer Lösungen. Ihre Ergebnisse sind im »Journal of Deliberative Democracy« erschienen. »Bürgerräte und andere deliberative Beteiligungsformate werden immer mehr eingesetzt, dabei gibt es noch keine Standards für den Ablauf. Unsere Analyse zeigt, dass je nach Zielsetzung, Prioritäten und Ressourcen verschiedene Moderationsansätze geeignet sind«, sagt Erstautor Dirk von Schneidemesser.
Eine Aufgabe, drei Herangehensweisen
In Magdeburg diskutierten zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger über die Frage: »Wie kann Magdeburgs Innenstadt für Fußgänger attraktiver werden?«. Alle drei Gruppen erhielten zu Beginn die gleichen Informationen, Arbeitsmaterialien und Arbeitsaufträge. Danach organisierte sich die erste Gruppe selbst, die zweite wurde mit einem Multimethoden-Ansatz, die dritte mit der Methode »Dynamic Facilitation« moderiert. Die selbstorganisierte Diskussionsrunde hatte den Vorteil, dass sie am wenigsten personelle und finanzielle Ressourcen erforderte.
Der Multimethoden-Ansatz verband eine Vielzahl von Elementen, die zunächst die Möglichkeiten zur kreativen Ideenentwicklung erweiterten und dann die Diskussion auf konkrete Empfehlungen verengten. Techniken wie die Einbeziehung der Perspektiven von Bürger:innen, die zuvor von den Forschenden befragt worden waren, sowie das telefonische Kontaktieren von Bekannten wurden genutzt, um Perspektiven einzubringen, die in der Gruppe nicht vertreten waren. Die Teilnehmenden wurden in bestimmten Abständen gebeten, einzeln, zu zweit, in kleineren Gruppen und als ganze Gruppe zu arbeiten.
Die dritte Gruppe wurde mit dem Ansatz der »Dynamic Facilitation« moderiert. Dynamic Facilitation ist eine Diskursmethode, um schwierige Fragestellungen gemeinsam zu bearbeiten und sich als Gruppe gemeinsam auf Lösungen, Handlungsmöglichkeiten oder ein Konzept zu einigen. Dabei sprechen die Teilnehmenden hauptsächlich mit der Moderatorin, während die anderen konzentriert zuhören. Alle kommen an die Reihe und sollen reden, bis sie fertig sind – auch wenn das länger dauert. Die Methode geht davon aus, dass alles, was es für einen gemeinsamen Aufbruch braucht, schon in der Gruppe vorhanden ist und nur ans Licht gebracht werden muss.
Moderationsansatz muss zu den Erwartungen passen
Die Forschenden analysierten Videoaufzeichnungen der Gruppendiskussionen und erfassten die Erwartungen und Eindrücke der Teilnehmenden in begleitenden Befragungen. Sie stellten fest, dass die Unterschiede in der Moderation die Diskussion in vielerlei Hinsicht beeinflussen. In der selbstorganisierten Diskussionsrunde sprangen die Teilnehmenden oft von Thema zu Thema und kamen am Ende zu weniger weit entwickelten Ergebnissen als die moderierten Gruppen. Die Redezeit der Teilnehmenden war außerdem in dieser Gruppe am ungleichsten verteilt.
Der Multimethoden-Ansatz führte zu lebhaften Diskussionen, die Teilnehmenden konnten eigene Schwerpunkte setzen, entwickelten aber ihre Ideen in Austausch mit anderen. Dieser Ansatz führte zu der höchsten Zufriedenheit und der größten Bereitschaft unter den Teilnehmenden, sich an weiteren Stadtentwicklungsprojekten zu beteiligen.
Eine Stärke der Dynamic Facilitation lag darin, dass alle Teilnehmenden zu den Ergebnissen beitrugen. Wenn jemand sich nur zögerlich äußerte, hakte die Moderatorin nach. Die Bandbreite der geäußerten Meinungen wurde daher in dieser Gruppe und ihren Diskursergebnissen als am größten wahrgenommen.
Einige Ziele, etwa die Inklusion aller Teilnehmenden können mit einer professionellen Moderation besser erreicht werden, so das Fazit der Forschenden. Allerdings: »Eine strengere oder engagiertere Moderation ist nicht für jeden Zweck der Deliberation gleichermaßen geeignet. Jeder Ansatz geht mit jeweils eigenen Herausforderungen einher und zieht Kompromisse nach sich. So nimmt die Moderation in Beteiligungsverfahren einen Großteil der insgesamt zur Verfügung stehend Diskurszeit in Anspruch – Zeit, die letztlich nicht für den Austausch der Teilnehmenden untereinander zur Verfügung steht. Dafür steigt die Verlässlichkeit des Verfahrens, alle Teilnehmenden einzubinden und hochwertige Ergebnisse zu produzieren«, so Dirk von Schneidemesser. In der Praxis stünden Organisatorinnen und Organisatoren, Moderatorinnen und Moderatoren vor der Entscheidung, welche Erwartungen sie in den Vordergrund stellen wollen.