Soziale Medien wie Facebook oder Twitter haben in letzter Zeit häufig für negative Schlagzeilen gesorgt. Dabei geraten positive Aspekte, die mit den digitalen Plattformen verbunden sind, schnell aus dem Blick. Vor diesem Hintergrund hat eine neue Studie das soziale Online-Engagement von bewusst ausgewählten Nutzerinnen und Nutzern des Kurznachrichtendienstes Twitter untersucht. Die Autoren Dr. Roman Lietz von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Dr. Fergal Lenehan von der Friedrich-Schiller-Universität Jena stellen fest, dass sozial engagierte Twitter-Nutzer trotz unterschiedlicher Biografien überraschende Gemeinsamkeiten aufweisen. »Diese digitalen Weltbürgerinnen und Weltbürger vertreten ähnliche Werte und werden von ähnlichen Motivationen und Perspektiven auf die Gesellschaft geleitet«, sagt Dr. Roman Lietz vom Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der JGU.
»Digital Cosmopolitanism« bisher erst wenig erforscht
Es gibt kaum eine Mitteilung über die sozialen Medien, die nicht etwas Kritisches zum Ausdruck bringt. Seit Donald Trump Twitter auf eine bisher noch nicht gekannte Weise instrumentalisiert hat und auch angesichts der Radikalisierung und Vernetzung rechtsextremer Terroristen über die sozialen Medien verdient das rechtspopulistische, agitatorische Potenzial von Facebook, Twitter, Telegram und Co eine besondere Aufmerksamkeit. Erst in der vergangenen Woche deckten Journalist:innen die Machenschaften der israelischen Firma »Team Jorge« auf, die gegen Geld (nahezu) weltweit Desinformationskampagnen anbietet, um gezielt demokratische Wahlen manipulieren. Eher selten wird der Blick auf die andere Seite gerichtet: Die sozialen Medien als Ort für die Verbreitung von Werten der Solidarität und Verständigung.
In ihrer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie »Tweeting the World a Better Place« untersuchen Lietz und Lenehan dieses digitale Weltbürgertum. Sie schauen auf die Beweggründe, Biografien und Charaktereigenschaften, die zehn verschiedene Menschen in ganz Europa dazu bewegen, sich auf Twitter etwa für Menschenrechte, Toleranz und gegen Autoritarismus zu positionieren. Im Fokus der qualitativen Untersuchung stehen nicht die großen Accounts von professionellen Influencer:innen, sondern Menschen, wie man sie aus dem Alltag kennt.
Parallelen zwischen herkömmlichen Ehrenämtern und sozialem Twitter-Engagement erkennbar
Die Studie stellt fest, dass diese Menschen, ungeachtet ihres Alters, Wohnorts und auch spezifischer Interessen wie beispielsweise für den Klimaschutz, gegen Antisemitismus oder für LGBT-Rechte überraschende Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Werte, Motivationen und Perspektiven auf die Gesellschaft und der gesellschaftlichen Entwicklungen haben. Auch Parallelen zwischen herkömmlichen Ehrenämtern und dem kosmopolitischen Twitter sind deutlich erkennbar. »Wir sehen darin eine Form des digitalen bürgerschaftlichen Engagements«, beschreibt Lietz die Ergebnisse. Abschließend geht die Studie darauf ein, wie diese Form des Engagements und Einsatzes für »die Welt als Ganzes« in einer manchmal rauen Umgebung der sozialen Medien bewerkstelligt werden kann.