Wie erleben Kinder und Jugendliche aus der Ukraine den Krieg und was stellen sich Kinder, die in Russland oder Deutschland aufwachsen vor, was dort passiert? In der aktuellen TelevIZIon, dem Fachmagazin des IZI für Qualität im Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen, werden Studien zu diesen und anderen Fragen rund um den Ukraine-Krieg vorgestellt. Die Befragung jeweils 21 Kindern aus der Ukraine, Russland und Deutschland zeigt, wie unterschiedlich der Krieg eingeschätzt werden kann. Eine Studie mit 101 Kindern aus Deutschland verdeutlicht, was Kinder von Qualitätsmedien erwarten. Ukrainische Jugendliche zeigen in Filmen, wie sie die Kriegssituation seit 2014 erleben.
Berichten ukrainische Kinder, die nach Deutschland geflohen sind, über ihre Erlebnisse während des Kriegs, beschreiben sie u. a. das Gefühl einer allumfassenden Bedrohung ohne Sicherheit, die Zerstörung von allem was ihnen wichtig war und die Hilf- und Hoffnungslosigkeit. Verfilmen ukrainische Kinder und Jugendliche, die schon seit Beginn des russischen Expansionskriegs 2014 als Binnengeflüchtete leben, ihre Gefühlswelt, werden die Zerrissenheit und die psychischen Folgen eines Lebens unter ständigem Beschuss deutlich. Es sind Erfahrungen, die sie, so der Forschungsstand, ein Leben lang prägen und zumeist auch in ihrer Entwicklung einschränken werden.
Gleichzeitig erweisen sich ukrainische Jugendliche als durchaus kompetent in der Nutzung von Medien zur Kommunikation, zur Informationsbeschaffung oder Regulierung der eigenen Gefühle. Bei Kindern aus der Ukraine werden – bei allem Leid – auch die Hoffnung und das unerschütterliche Vertrauen in die ukrainische Armee deutlich, die russische Soldat:innen zurückdrängt, besiegt und damit eine Rückkehr und Vereinigung der Familien ermöglicht.
Einen Weg, die emotionale Gerechtigkeit zumindest im Ansatz wiederherzustellen, malt zum Beispiel die 10-jährige Svetlana, die aus Kiew nach Deutschland geflohen ist. In ihrem Bild zur Frage, was gerade in der Ukraine geschieht, malt sie eine ukrainische Soldatin, die einem russischen Soldaten eine Pistole an den Kopf hält, während eine (Friedens-)Taube ihm auf seinen Kopf kotet.
Propagandanarrative bestimmen die Vorstellungen russischer Kinder vom Krieg
Wie zu erwarten, sehen die Vorstellungen von der aktuellen Situation in der Ukraine bei Kindern die in Russland aufwachsen ganz anders aus. Sie haben ihre Informationen fast ausschließlich aus den russischen Staatsmedien und gehen davon aus, dass die ukrainische Bevölkerung froh über die »Befreiung« von den Nazis ist. Entsprechend malen sie Hakenkreuze auf historisch aussehende Flugzeuge und Soldaten, die unehrenhaft kämpfen. Malt Juri (10 Jahre), ein »Plakat gegen den Krieg«, ist es die Friedenstaube mit einer russischen Schärpe im Schnabel, die den Frieden in die vom Kampf zerstörte Ukraine bringt. Er sagt selber »Ich kann nicht verstehen, wie und warum das passiert ist. Ich weiß mit Sicherheit, dass wir viel mit den Ukrainern teilen.«
Das Leid der ukrainischen Zivilbevölkerung wird von den russischen Kindern und ihre Eltern erahnt, erscheint aus Perspektive der Kinder aber sozusagen als ein notwendiges Übel, damit die »schöne Ukraine« und der »wehrhafte Russe« wieder als »ein Volk« zusammenleben können, wie Daria (8 Jahre) es malt. Diese typischen russischen Propagandanarrative finden sich bei allen befragten Kindern, selbst bei jenen, die in Familien aufwachsen, die gegen den Invasionskrieg sind. Eine russische Wissenschaftlerin beschreibt, wie Kinder in Russland von klein auf durch eine Kultur des Militarismus und der Propaganda geprägt werden. Die Tiefe, mit der ihre inneren Bilder von den Propagandanarrativen durchdrungen sind, gibt dabei wenig Hoffnung auf ein gegenseitiges Verständnis.