Spätestens seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007/2008 erfahren der Kapitalismus und Karl Marx als dessen wichtigster Analytiker und Kritiker wieder starke Aufmerksamkeit. Als Bezugspunkt autoritärer Ideologien und Diktaturen im 20. Jahrhundert bleibt Marx umstritten. Gleichzeitig sind die Fragen, die er in seiner Wirtschafts- und Gesellschaftskritik des 19. Jahrhunderts stellte, angesichts heutiger Transformationen und Krisen weiter in der Diskussion. In der noch bis zum 21. August 2022 laufenden Ausstellung »Karl Marx und der Kapitalismus« präsentiert und problematisiert das Deutsche Historische Museum Marx’ Denken und Wirken als intellektuelle und politische Auseinandersetzung mit den tiefgreifenden Umbrüchen und Konflikten seiner Zeit.
Die Industrialisierung löste im 19. Jahrhundert in Deutschland und Europa immense ökonomische, soziale und kulturelle Umwälzungen aus, die als Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts wahrgenommen wurden. Über eine politische und wirtschaftliche Revolution hinaus vollzog sich die erste moderne Globalisierungswelle. Ein Jahrhundert später bezeichnete man das, was sich da vollzogen hatte, als den Durchbruch des Kapitalismus. Für die Entstehung dieser Bezeichnung spielte das Werk von Karl Marx eine entscheidende Rolle. Er gehörte zu den schärfsten Kritikern der Verwerfungen der Moderne. Als Philosoph, Journalist, Ökonom und politischer Aktivist hatte er das Ziel, die neuen Verhältnisse versteh- und veränderbar zu machen.
Die Ausstellung zeigt, was Marx bewegte, worauf er reagierte, wie sich seine Theorien wandelten und wo er sich widersprach. Im Mittelpunkt stehen sieben Themen, die Marx’ Gegenwart und seine Kapitalismuskritik bestimmten und die auch heute nichts von ihrer Brisanz verloren haben: religions- und gesellschaftskritische Kontroversen, Antisemitismus, Revolution und Gewalt, neue Technologien, Naturzerstörung, globale Wirtschaftskrisen sowie internationale Protest- und Emanzipationsbewegungen. Marx’ Historisierung verbindet die Ausstellung dadurch auch mit Fragen nach seiner Aktualität. Gleichzeitig wirft sie im Epilog einen kritischen Blick auf die weltweite Rezeption seiner Theorien im 20. und 21. Jahrhundert und verdeutlicht, dass Marx’ ambivalentes Werk auch eine ambivalente Wirkungsgeschichte entfaltete.
In der Ausstellung werden Besucher:innen auf sehr unterschiedlichen Ebenen angesprochen: Über Texte (auch in einfacher Sprache), mit Video- und Audiobeiträgen, mit Ausstellungsstücken und historischen Dokumenten sowie auch mit Ausstellungsstationen zum selbst Ausprobieren.