Studie: Rechtspopulist:innen nutzen Corona-Pandemie als Vehikel zur Eliten-Kritik

Mit der aktuellen Pandemie haben rechtspopulistische Parteien ihr Alleinstellungsmerkmal auf dem politischen Angebotsmarkt noch einmal verstärkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM) in deren Rahmen Facebook-Aktivitäten rechtspopulistischer Parteien in Europa ausgewertet wurden. Demnach erweist sich Corona als ein wichtiges Mobilisierungsthema, das zur Erschließung populistischer Wählerschichten genutzt wird. Zwar werde das Thema Corona von Rechtspopulist:innen meist nicht häufiger angesprochen als von anderen Parteien, doch die Art der Kommunikation hebe sich von derjenigen anderer Parteien deutlich ab, so das MIDEM. Staatliche Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung seien zu einer Projektionsfläche für polemisch und emotional aufgeladene Regierungskritik geworden. Eine Ausnahme bildeten rechtspopulistische Parteien mit Regierungsverantwortung: Hier habe während der Pandemie bislang das Ziel im Mittelpunkt gestanden, das Thema Corona zu entpolitisieren.

„Im Kern geht es für die meisten Rechtspopulisten auch in der Pandemie darum, sich als einzige Alternative zu den bestehenden Parteien zu inszenieren. Auch deswegen vollzogen oppositionelle Rechtspopulisten in Europa einen radikalen Kurswechsel zu Beginn der Pandemie: von Befürwortern zu scharfen Kritikern der Schutzmaßnahmen“, so Professor Hans Vorländer, Direktor des Mercator Forum Migration und Demokratie (MIDEM).

Wie die Forschenden beobachten konnten, bleibt das Thema Migration für Rechtspopulist:innen auch während der Pandemie wichtig – insbesondere für rechtspopulistische Parteien in Nordeuropa. In den sozialen Medien würden Corona und Migration oft verknüpft, etwa, wenn vor einer Verbreitung des Virus durch Migrantinnen und Migranten gewarnt werde. Auch zeige die Analyse der offiziellen Facebook-Kanäle, dass rechtspopulistische Parteien die Expertise von Fachleuten aus dem Gesundheitsbereich nicht grundsätzlich in Frage stellten. Strategie sei hier vielmehr, das Meinungsspektrum um Positionen zu erweitern, die angeblich kein Gehör fänden. Die Verbreitung verschwörungserzählerischer Inhalte würde dahingegen zumeist über andere Wege erfolgen, etwa über rechtspopulistische und -extreme Plattformen oder Accounts von Einzelpersonen.

„Eine der größten Gefahren für gesellschaftlichen Zusammenhalt geht von rechten Strömungen aus“, erklärt Christiane von Websky, Leiterin des Bereichs Teilhabe und Zusammenhalt der Stiftung Mercator. „Die MIDEM-Jahresstudie gibt der Politik und Zivilgesellschaft wichtige Impulse, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken – und Toleranz, Weltoffenheit und Respekt zu fördern.“