Doku: „Antisemiten sind immer die anderen: Nie wieder Judenhass – eine Illusion?“

Die SWR Dokumentation der Reihe “Echtes Leben” im Ersten berichtet über Strategien und das vielseitige Engagement gegen Antisemitismus und Judenhass in Deutschland.

„Die Rothschild-Seuche lässt sich nicht wegimpfen“ stand bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen auf einem Plakat der Querdenker. Der Antisemitismus treibt neue Blüten, nicht erst seit Beginn der Corona-Krise. Doch seit dem Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019 sind Politik und Zivilgesellschaft wach geworden. Die Bundesregierung gibt allein 2021 für Extremismusprävention und Demokratieförderung 150 Millionen Euro aus. Wer sind die Akteur:innen gegen Antisemitismus? Welche Strategien gibt es gegen Judenhass? Diesen Fragen geht Dokumentation „Antisemiten sind immer die anderen: Nie wieder Judenhass – eine Illusion?“ in der ARD Mediathe nach.

Angesichts fast zwei Jahrtausenden institutionalisiertem Judenhass ist dieser Slogan Wunschdenken. Darin sind sich alle einig, die sich den Kampf gegen Antisemitismus aufs Banner geschrieben haben. Doch es gibt Strategien – in Zivilgesellschaft, Bildung, Politik und Gesetzgebung – und das Engagement vieler Initiativen zeigt Früchte.

Neue Wege gegen Antisemitismus im Netz

Gerade im Netz ist Antisemitismus nur schwer beizukommen. Der Antisemitismusforscher Matthias Becker vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität in Berlin geht neue Wege. Mit europäischen Partneruniversitäten entwickelt er eine Künstliche Intelligenz (KI), die Antisemitismus im Netz erforschen und decodieren soll. Denn dort ist Judenhass oft nur versteckt zu finden. Der „salonfähige“ Antisemitismus, so Becker, sei tot und trage im Nachkriegsdeutschland neue Kleider.

Aufdecken von Judenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft

Niemand will heute mehr als Antisemit gelten. „Die Antisemiten“, meint Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, „sind immer die anderen“. Besonders in der Mitte der Gesellschaft werden judenfeindliche Tendenzen meist verleugnet. Doch Blume lässt nicht locker und legt den Finger in die Wunden. Sei es Judenhass in den Schulen, verdeckte antisemitistische Haltungen in der Zivilgesellschaft oder Israel-bezogener Antisemitismus. Letzterer überträgt Verschwörungsmythen auf den jüdischen Staat und stellt das Existenzrecht Israels in Frage.

Persönliche Begegnung: „Meet a Jew“ vom Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden in Deutschland geht mit „Meet a Jew“ seit einiger Zeit neue Wege. Dabei gehen Jüd:innen an die Schulen und in die Öffentlichkeit. Nichts baue antisemitische Vorurteile besser ab als direkte Begegnungen. Bisher haben Zeitzeug:innen die Erinnerung an den Holocaust aufrechterhalten. Doch bald werden auch die Letzten von ihnen nicht mehr leben.

Lebensbejahende Porträts von Holocaust-Überlebenden

In Israel porträtiert der Fotograf Erez Kaganovitz Holocaust-Überlebende aus einem sehr persönlichen, lebensbejahenden Blickwinkel. Seine Bilder sind Beispiele für eine neue, emotionale Erinnerungskultur. Judenhasser:innen und Holocaustleugner:innen, meint er, sei nicht mit Geschichtsunterricht beizukommen.

Filme von „Die Demokratielotsen“

In Berlin produzieren „Die Demokratielotsen“ Filme mit arabischen Migranten – auch Filme, die den in muslimischen Gesellschaften oft tief verwurzelten Antisemitismus ins Visier nehmen. So wie „Meet a Jew“ werden sie von der Bundesregierung unterstützt.

Offensive der christlichen Kirchen

Auch Kirchen gehen in die Offensive. Christian Staffa ist Antisemitismusbeauftragter der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er setzt auf Bildung und auf den schonungslosen Umgang mit der eigenen antisemitischen Geschichte der Kirchen. Im brandenburgischen Neuruppin hat er mit einer ganzen Schule einen zweitägigen Schwerpunkt zum Thema Judenhass organisiert.