Die Corona-Pandemie verunsichert viele Menschen. Das begünstigt die Verbreitung von Verschwörungstheorien. Auch Kinder und Jugendliche sind zunehmend mit diesen konfrontiert. Wie Lehrerinnen und Lehrer dieses komplexe Thema im Unterricht aufgreifen und zu einem kritischen Umgang mit Querdenkern und Co. anregen können, zeigt der Politikdidaktiker Prof. Dr. Andreas Petrik von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einem Beitrag im Fachjournal “Gesellschaft. Wirtschaft. Politik”. Er entwickelte einen konkreten Vorschlag für eine Unterrichtseinheit, in der sich Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Verschwörungstheorien auseinandersetzen sollen.
“Der Verschwörungsglaube erschüttert die Grundfesten unserer Demokratie. Im schlimmsten Fall führt dies nicht nur zur Politikverdrossenheit und Wissenschaftsfeindlichkeit, sondern zu Gewalt, wie wir beispielsweise bei den Querdenken-Demonstrationen sehen können”, sagt Prof. Dr. Andreas Petrik, der an der MLU Didaktik der Sozialkunde und politische Bildung lehrt. Schulen hätten die Aufgabe, Kinder und Jugendliche über Verschwörungstheorien und die rhetorisch-manipulativen Mittel, die zu ihrer Verbreitung genutzt werden, aufzuklären, so Petrik.
Der Didaktiker entwickelte den Entwurf für eine Unterrichtseinheit, um das Thema möglichst vielseitig und kritisch zu behandeln. “Die Schülerinnen und Schüler werden dabei zu kleinen Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die sich mit verschiedenen Verschwörungsbewegungen auseinandersetzen und diese anhand von nachvollziehbaren Kriterien bewerten sollen”, fasst er zusammen. Wichtig sei dabei auch, dass die Lehrkräfte das Ziel der Übung am Anfang deutlich formulieren. “Es geht nicht darum, die Schülerinnen und Schüler auf eine Meinung einzuschwören. Der Umgang der Bundesregierung und der Länder mit der Pandemie darf und soll durchaus kontrovers diskutiert werden – allerdings immer auf der Basis von Fakten”, so Petrik. Deshalb stehen Recherche und Kriterien zur Überprüfung von Tatsachenbehauptungen im Zentrum der Übung. Dabei soll die tragende Rolle von Qualitätsjournalismus und Wissenschaft für die Demokratie deutlich werden.
Für die neue Veröffentlichung sammelte Petrik zahlreiche Online-Artikel und -Videos verschiedener Gruppierungen, denen nachgesagt wird, Verschwörungstheorien in Bezug auf das Coronavirus zu verbreiten. Dazu zählt er rechtspopulistische, linkspopulistische, wissenschaftsverzerrende und spirituell-esoterische Bewegungen. “Die Bewegungen sind nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden. Die Ablehnung des sogenannten Mainstreams oder der Eliten in Politik, Wissenschaft und Medien ist allen gemeinsam”, sagt Petrik.
Im Unterricht sollen Kleingruppen dann eine der vier Strömungen und verschiedene dazugehörige Quellen, etwa Videos oder Onlinetexte, analysieren und mit Hilfe von Faktenportalen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. So soll ein wissenschaftliches, nachvollziehbares Urteil über die untersuchte Perspektive ermöglicht werden. Ziel der Unterrichtseinheit ist es, die Schülerinnen und Schüler für die Thematik zu sensibilisieren und ihnen das nötige Recherchewerkzeug zu vermitteln. Auch der Umgang mit Menschen, die einer Verschwörungstheorie Glauben schenken, soll in Rollenspielen trainiert werden: “Es ist wichtig, diese Menschen nicht von oben herab zu belehren. Stattdessen sollten auch ihre Ängste, das Gefühl von Ohnmacht oder Benachteiligung wahr- und ernstgenommen werden”, sagt Petrik.
Der Entwurf und alle weiteren Materialien stehen online kostenfrei zur Verfügung und können direkt in den Unterricht, aber auch in Lehrveranstaltungen an Universitäten, integriert werden:
https://www.zsb.uni-halle.de/download/didaktischer-koffer/unterrichtsreihen/corona-verschwoerungstheorien/