Gut informierte Bürgerinnen und Bürger sind die Basis für eine freie gesellschaftliche Meinungsbildung und damit für die Demokratie. War es in (weiter) zurückliegenden Zeiten eher noch ein Problem, überhaupt an belastbare Informationen zu gelangen, stellt sich angesichts eines immer weiterwachsenden Nachrichtenangebots mehr und mehr die Frage, wie sich Spreu von Weizen trennen lässt. Unsere Nachrichten- und Informationskompetenz ist ganz besonders in Zeiten der Pandemie, von ökonomischen und ökologischen Krisen oder immer stärker polarisierenden Wahlkämpfen gefragt. Aber wie kompetent sind wir tatsächlich im Umgang mit all den Informationen, die tagtäglich auf Webseiten und in den Sozialen Medien auf uns einprasseln?
Die am Montag veröffentlichte Studie »Quelle Internet? – Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test« der Stiftung Neue Verantwortung (SNV) zeigt: Bei der Nutzung des Internets und der Sozialen Medien fehlt es oft an ganz konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten zur Identifikation unabhängiger Informationen, von Interessenkonflikten oder Werbung oder zur Unterscheidung zwischen Nachrichten und Meinungsbeiträgen.
In fast allen Kompetenz-Bereichen schneiden die Deutschen den Ergebnissen der Studie zufolge überwiegend mittelmäßig bis schlecht ab. So offenbart die Studie, dass beispielsweise Unterschiede zwischen Desinformation, Information, Werbung und Meinung zum Teil nur schwer erkannt werden. So hielten 56 % Befragten ein Advertorial – trotz Werbekennzeichnung – fälschlicherweise für eine Information. Nur 23 % haben richtig erkannt, dass es sich um Werbung handelt. Hingegen wird die Vertrauenswürdigkeit einer Quelle von Vielen richtig eingeschätzt. Interessenskonflikte werden allerdings seltener erkannt. So erkannten zwar 65 % der Befragten, dass der Geschäftsführer eines Flugreisenportals als Autor eines Beitrags zum Thema Fliegen keine neutrale Quelle ist, doch nur die Hälfte der Befragten konnte auch den konkreten Interessenskonflikt benennen. Die Unabhängigkeit des Journalismus von der Politik wird in weiten Teilen bezweifelt. So stimmten 25 % der Aussage zu, dass Medien und Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren (weitere 28 % sagten teils/teils). 24 % glaubten, dass die Bevölkerung in Deutschland von den Medien systematisch belogen werde (weitere 30 % sagten teils/teils). Jüngere Generationen sind kompetenter als Ältere – allerdings ist dies abhängig vom Bildungsabschluss. Besonders nachrichtenkompetent sind die höhergebildeten Befragten zwischen 18 und 39 Jahren, während Menschen unter 40 mit niedriger Schulbildung besonders niedrige Kompetenzwerte aufweisen.
Erhoben wurden die Ergebnisse mit Hilfe des laut der Studienverantwortlichen weltweit ersten bevölkerungsrepräsentativen Tests zu Informations- und Nachrichtenkompetenzen. Unterstützt wurde die Studie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, der Landesanstalt für Medien NRW und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).
Thomas Krüger, Präsident bpb, sieht in der Studie eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Strategien und konkreten Ansätzen der politischen Bildung, mit denen Bürgerinnen und Bürger in digitalen Öffentlichkeiten wirksam unterstützt werden können. „Informations- und Nachrichtenkompetenz umfasst insbesondere die Kompetenz, sich in der vielfältigen Informationslandschaft zurecht zu finden, Informationen richtig einzuordnen und sich gegen falsche und hetzerische Aussagen zu immunisieren und zu engagieren. Die Vermittlung dieser Kompetenzen gehört zum zentralen Aufgabenfeld einer zeitgemäßen politischen Bildung und ist die Grundlage für einen lebendigen gesellschaftlichen Diskurs und eine qualifizierte Meinungsbildung“, so Krüger.
Dr. Eva Flecken, Direktorin der mabb, diagnostiziert einen Handlungsbedarf über alle Generationen hinweg. Es müsse transparenter gemacht machen, wie Medien arbeiten und wie digitale Informationen und Nachrichten entstehen. „Die Nutzenden sollen klar erkennen, was Nachrichten ausmacht, was sie von Meinungen oder auch Desinformationen unterscheidet“, sagte Flecken. Dabei spielten auch Journalistinnen und Journalisten eine wesentliche Rolle: Sie müssen ihre Arbeit verständlich machen wie es z.B. in dem von der mabb koordinierten Projekt „Journalismus macht Schule“ geschehe: „Hier stellen sich Journalistinnen und Journalisten den kritischen Fragen von Schülerinnen und Schülern. Damit leisten sie einen wichtigen, authentischen Beitrag für den so notwendigen Ausbau der Informations- und Nachrichtenkompetenz und für die Wertschätzung ihrer Profession in der Gesellschaft.“ Die Berliner Landeszentrale für politische Bildung zählt mit zum Unterstützendenkreis von „Journalismus macht Schule“.
Begleitet wird die Studie von einem Online-Angebot, das es Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, selbst zu testen, wie nachrichtenkompetent sie sind. Mit dem »News-Test – wie gut bist du mit Nachrichten im Netz?« können sie solche Fragen beantworten, die auch den Studien-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern gestellt wurden und ihr Wissen in fünf Kompetenz-Bereichen testen. Gleichzeitig erhalten sie wichtige Informationen zur Navigation in der digitalen Medienwelt.