Pandemie drängt junge Menschen politisch ins Abseits

Immer mehr Jugendliche sind der Meinung, dass ihre Bedürfnisse und Sorgen von der Politik nicht beachtet werden. Gleichzeitig wachsen die pandemiebedingten Beeinträchtigungen – Einsamkeitsempfinden, Zukunftsängste, psychische Belastungen – immer weiter. Das geht aus zwei Befragungen unter dem Titel „Jugend und Corona“ hervor, die von den Universitäten Hildesheim und Frankfurt/Main durchgeführt und in Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung vertiefend ausgewertet worden sind.

Angesichts der steigenden Belastungen wären Aufmerksamkeit und Unterstützung für die jungen Menschen besonders wichtig. Doch genau diese vermissen sie. 65 Prozent der befragten Jugendlichen gaben während des zweiten Lockdowns im November 2020 an, dass ihre Sorgen eher nicht oder gar nicht gehört werden. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur Befragung vom April und Mai 2020, bei der bereits 45 Prozent diesen Eindruck äußerten. Anders als in der öffentlichen Debatte, möchten die Jugendlichen in der Corona-Zeit nicht auf ihre Rolle als Schüler:innen, Auszubildende oder Studierende reduziert werden. Dass sie in der Pandemie auf Vieles verzichten müssen – Kontakte zu Freund:innen und Gleichaltrigen, organisierte Freizeitaktivitäten, Möglichkeiten zur Selbstentfaltung – wird ihrer Meinung nach kaum thematisiert, geschweige denn anerkannt. In die Politik setzen sie nur wenig Hoffnung auf Besserung: 58 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Situation der Jugendlichen den Politiker:innen nicht wichtig sei. Mit 57,5 Prozent gehen fast genauso viele gar nicht erst davon aus, dass junge Menschen ihre Ideen in die Politik einbringen können.

Systematische Bedarfserhebung gefordert

Um die Belange der jungen Generation systematisch stärker zu berücksichtigen, sollte die Politik nach Auffassung der Bertelsmann Stiftung eine repräsentative, umfassende und regelmäßige Bedarfserhebung für und mit Kindern und Jugendlichen einführen und finanzieren. Der aktuelle Zeitpunkt sei günstig, um die durch Corona verursachten und verschärften Probleme zu identifizieren und geeignete Lösungen zu erarbeiten. „Eine solche Bedarfserhebung muss mit jungen Menschen entwickelt und durchgeführt werden und dabei besonders die Kinder und Jugendlichen in prekären Lebensverhältnissen erreichen“, sagt die Kindheitsforscherin Johanna Wilmes von der Goethe Universität Frankfurt.