Spazieren und gedenken

Wer die Zeit des Lockdowns für vermehrte Spaziergänge nutzt, kann diese gut mit dem Besuch von im Freien befindlichen Gedenkorten verbinden. Der Große Tiergarten bietet eine große, urbane Grünfläche mit vielen zu entdeckenden Kleinoden, die am bevorstehenden Wochenende in seltener Schneepracht zu bewundern sein dürften.
Zur Zeit seiner Schaffung war der Tiergarten als Jagdrevier für Füchse gedacht, wurde dann aber rasch, ohne Zäune, zu einem Lustpark für Berlins Bevölkerung. Heute finden sich verschiedene Hinweise auf die Stadtgeschichte: Ein Denkmal für die Baumspenden nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel.
Beginnen können Sie den Spaziergang beispielsweise am Reichstagsgebäude, das auch von außen interessant ist und sich neben dem Brandenburger Tor zu einer schönen Aussicht erhebt. Im Tiergarten direkt gegenüber gelegen finden Sie am Simsonweg das Sinti-und-Roma-Denkmal. Es erinnert an den Porajmos (zu Deutsch: Das Verschlingen), den Genozid an bis zu 500.000 Sinti und Roma während des Nationalsozialismus. Das Denkmal wurde nach rund 20 Jahren Planung im Oktober 2012 feierlich eingeweiht. Entworfen hat es der israelische Künstler Dani Karavan. Er schuf ein kreisrundes Wasserbecken mit zwölf Metern Durchmesser mit schwarzem Grund. In die Beckenmitte platzierte der Künstler eine dreieckige steinerne Stele, die von oben gesehen an den Winkel auf der Kleidung der KZ-Häftlinge erinnert. Auf der Stele liegt eine frische Blume. Immer wenn sie verwelkt ist, versinkt der Stein in einen Raum unter dem Becken, wo eine neue Blume auf den Stein gelegt wird, um danach wieder hochzufahren und aus dem Wasserbecken emporzusteigen.
Im Sommer 2020 überraschte die Deutsche Bahn mit der Ankündigung, den Zugang zum Denkmal aufgrund von Ausbauarbeiten einer S-Bahnlinie sperren oder das Denkmal auf unbestimmte Zeit gar vollständig abtragen zu wollen. Diese Pläne wurden zwischenzeitlich überarbeitet. Am 1. August 2020 verhinderte eine Mahnwache, dass eine rechtsoffene Demo von Menschen, die offiziell gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen gerichtet war, direkt durch das Mahnmal hindurchführte.
Außerdem finden Sie im Großen Tiergarten, die Ebertstraße hinunter, auch das Denkmal für die im Nationalsozialismus entrechteten und ermordeten Homosexuellen. Das von dem dänisch-norwegischen Künstlerduo Elmgreen und Dragset entworfene Denkmal ist ein 3,60 Meter hoher und 1,90 Meter breiter Betonquader; durch eine verglaste Öffnung ist ein kurzer Film zu sehen. Am Denkmal befindet sich eine Gedenktafel in deutscher und englischer Sprache, die auch an das Fortdauern der Verfolgungen in der Bundesrepublik und der DDR erinnert (§ 175).
Beide Opfergruppen verbindet, dass das Gedenken in den Jahren nach dem Krieg unerwünscht war und es eine anhaltende Ausgrenzungs- und Verfolgungslage zum Teil bis heute gibt.
Gegenüber dem Mahnmal für die ermordeten Homosexuellen befindet sich das Stelenfeld des Denkmals für die ermordeten europäischen Juden, wo Sie Ihren Gedenkspaziergang beenden können.
Zum Nachwirken Lassen bietet der Große Tiergarten Gelegenheit.