Die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland hat abgenommen, aber es gibt ein dauerhaft hohes Niveau bei rechtsextremen Einstellungen. Zu beobachten ist zudem eine „Radikalisierung und Enthemmung unter extremen Rechten“. Das sind zentrale Ergebnisse der neuen „Leipziger Autoritarismus-Studie“. Die Leipziger Studien zu autoritären und rechtsextremen Einstellungen in Deutschland werden seit 2002 alle zwei Jahre von einer Arbeitsgruppe um Oliver Decker und Elmar Brähler der Universität Leipzig durchgeführt. Die Studie, in der auch der Glaube an Verschwörungsmythen thematisiert wird, entstand in Kooperation mit der Heinrich-Böll- und der Otto Brenner Stiftung.
Im Corona-Pandemie-Jahr 2020 zeigt sich laut der Studie aber auch, dass eine große Mehrheit in Deutschland das liberale demokratische Gesellschaftsmodell trägt und unterstützt. Mit Dreiviertel der Befragten ist die Zustimmung zur Demokratie, „wie sie in der Verfassung festgelegt ist“ auf einem hohen Niveau. Knapp 6 von 10 Befragten befürworten die „Demokratie, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland funktioniert“ – ein Anstieg im Vergleich zur Vorgängerstudie 2018.
Der Prozentsatz der laut Studie „manifest ausländerfeindlich Eingestellten“ ist im Vergleich zu 2018 von 23,4 auf 16,5 Prozent gesunken. „Auffällig ist dabei der Unterschied des Rückgangs in West- und Ostdeutschland“, berichtet Decker. Im Westen sank der Anteil von 21,5 auf 13,7 Prozent, im Osten nur von 30,7 auf 27,8 Prozent. Insgesamt stimmen 28,4 Prozent (vor zwei Jahren: 36 Prozent) der Befragten der Aussage zu, dass „Ausländer nur hierherkommen, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ (Ost: 43,9 Prozent, West: 24,5 Prozent). Rund 26 Prozent der Befragten halten die Bundesrepublik „durch Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ – ein Minus von zehn Prozentpunkten. Während der Anteil verfestigt rechtsextrem eingestellter Personen in Westdeutschland weiter sank (auf drei Prozent), stieg er in Ostdeutschland nochmals an. Fast jede:r Zehnte dort Befragte hat ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild.
Das Thema Verschwörungsmythen ist zum fünften Mal Teil der Leipziger Studie, diesmal auch mit Fragen bezogen auf die Corona-Pandemie. Die Zustimmungswerte zur Aussage „Die Corona-Krise wurde so groß geredet, damit einige wenige davon profitieren können“, liegen bei 33 Prozent („stark ausgeprägt“) sowie 15,4 Prozent („ausgeprägt“), jene zur Aussage „Die Hintergründe der Corona-Pandemie werden nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen“ bei 47,8 Prozent („stark ausgeprägt“) sowie 14,6 Prozent („ausgeprägt“). „Unsere Befragung hat gezeigt, dass der Glaube an Verschwörungsmythen in der Bevölkerung seit 2018 gestiegen ist. Wir würden außerdem sagen, dass er als eine Art Einstiegsdroge für ein antimodernes Weltbild wirken kann“, erklärt Professor Decker.
„Autoritäre Dynamiken. Alte Ressentiments – neue Radikalität“ heißt die Untersuchung der Universität Leipzig, die in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) und der Otto Brenner Stiftung (Frankfurt/Main) erstellt worden ist. Mehr Informationen zur Studie und zu den Ergebnissen sind hier zu finden: https://www.boell.de/de/2020/11/09/autoritaere-dynamiken-alte-ressentiments-neue-radikalitaet