Abschnitt 13 - Sicherheit und Ordnung

§ 77

Grundsatz der Sicherheit und Ordnung

(1) Sicherheit und Ordnung der Einrichtung bilden die Grundlage des auf die Erreichung des Vollzugsziels ausgerichteten Lebens in der Einrichtung und tragen dazu bei, dass in der Einrichtung ein gewaltfreies Klima herrscht.

(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die den Untergebrachten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Untergebrachten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen. Es sind insbesondere geschlechtsspezifische Belange sowie die besonderen Belange lebensälterer und behinderter Untergebrachter zu berücksichtigen.

§ 78

Allgemeine Verhaltenspflichten, Aufarbeitung von Pflichtverstößen

(1) Die Untergebrachten sind für das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung mitverantwortlich und müssen mit ihrem Verhalten dazu beitragen. Ihr Bewusstsein hierfür ist zu entwickeln und zu stärken. Die Untergebrachten sind zu einvernehmlicher Streitbeilegung zu befähigen.

(2) Die Untergebrachten haben die Anordnungen der Bediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch diese beschwert fühlen.

(3) Die Untergebrachten haben ihr Zimmer und die ihnen von der Einrichtung überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.

(4) Die Untergebrachten haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

(5) Verstoßen die Untergebrachten gegen Pflichten, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, so sind die Ursachen und Folgen der Verstöße in einem Gespräch aufzuarbeiten. In geeigneten Fällen können im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei der oder dem Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib auf dem Zimmer in Betracht.

§ 79

Absuchung, Durchsuchung

(1) Die Untergebrachten, ihre Sachen und die Zimmer dürfen, auch unter Verwendung technischer Mittel oder sonstiger Hilfsmittel, abgesucht und durchsucht werden. Schreiben und Unterlagen, die gemäß § 35 Absatz 2 oder § 36a Absatz 1 nicht überwacht werden dürfen, werden in Gegenwart der Untergebrachten nur einer groben Sichtung auf verbotene Beilagen oder Schriftstücke unterzogen.

(2) Es kann allgemein angeordnet werden, dass bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besucherinnen oder Besuchern sowie nach jeder Abwesenheit von der Einrichtung in der Regel eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung der Untergebrachten durchzuführen ist. Ansonsten ist eine solche Durchsuchung nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der von der Leiterin oder dem Leiter der Einrichtung dazu bestimmten Bediensteten im Einzelfall zulässig.

(3) Die Durchsuchung der Untergebrachten darf nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden. Entkleidungen erfolgen einzeln in einem geschlossenen Raum. Während der Entkleidung dürfen bei männlichen Untergebrachten nur männliche Bedienstete und bei weiblichen Untergebrachten nur weibliche Bedienstete zugegen sein. Abweichend von den Sätzen 1 und 3 soll bei berechtigtem Interesse der Untergebrachten ihrem Wunsch, die mit der Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Bediensteten eines bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden; nur Bedienstete des benannten Geschlechts dürfen in diesem Fall während der Entkleidung anwesend sein. Das Schamgefühl ist zu schonen.

§ 80

Sichere Unterbringung

Untergebrachte können in eine Einrichtung verlegt werden, die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist, wenn in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung oder Befreiung gegeben ist oder sonst ihr Verhalten oder ihr Zustand eine Gefahr für die Sicherheit der Einrichtung darstellt.

§ 81

Maßnahmen zur Feststellung von Suchtmittelgebrauch

Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung können allgemein oder im Einzelfall Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, den Gebrauch von Suchtmitteln festzustellen. Diese Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein.

§ 82

Festnahmerecht

Untergebrachte, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Einrichtung aufhalten, können durch die Einrichtung oder auf deren Veranlassung festgenommen und zurückgebracht werden. Führt die Verfolgung oder die von der Einrichtung veranlasste Fahndung nicht alsbald zur Wiederergreifung, so sind die weiteren Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde zu überlassen.

§ 83

Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Untergebrachte können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustandes in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

  1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
  2. die Beobachtung der Untergebrachten in ihren Zimmern, im besonders gesicherten Raum oder im Krankenzimmer,
  3. die Trennung von allen anderen Untergebrachten (Absonderung),
  4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
  5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände und
  6. die Fesselung oder die Fixierung mittels spezieller Gurtsysteme an dafür vorgesehenen Gegenständen, insbesondere Matratzen oder Liegen.

Mehrere besondere Sicherungsmaßnahmen können nebeneinander angeordnet werden, wenn die Gefahr anders nicht abgewendet werden kann.

(3) Der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen, die Absonderung und die Beschränkung des Aufenthalts im Freien sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Ordnung der Einrichtung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Eine Absonderung von mehr als 24 Stunden Dauer ist nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer in der Person der Untergebrachten liegenden Gefahr unerlässlich ist. Ein Entzug des Aufenthalts im Freien ist nur zulässig, wenn eine Unterbringung im besonders gesicherten Raum erfolgt und aufgrund fortbestehender erheblicher Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung nicht verantwortet werden kann, einen täglichen Aufenthalt im Freien zu gewähren.

(5) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden. Besteht die Gefahr der Entweichung, so dürfen die Untergebrachten bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport gefesselt werden.

(6) Eine Fixierung des Körpers oder von Teilen davon ist nur zulässig, wenn die gegenwärtige und erhebliche Gefahr besteht, dass Untergebrachte sich selbst oder andere ernsthaft zu verletzen oder zu töten versuchen, und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist.

(7) Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Fesselung oder Fixierung sind die Untergebrachten zu schonen. Die Fesselung oder Fixierung ist unverzüglich zu lockern, wenn die Gefahr sich verringert hat oder dies zeitweise, beispielsweise zur Nahrungsaufnahme oder ärztlichen Untersuchung, notwendig ist. Sie ist zu entfernen, sobald die Gefahr nicht mehr fortbesteht oder durch mildere Mittel abgewendet werden kann.

§ 84

Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen, Verfahren

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnen die von der Leiterin oder dem Leiter der Einrichtung dazu bestimmten Bediensteten an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung der nach Satz 1 zuständigen Bediensteten ist unverzüglich einzuholen.

(2) Werden die Untergebrachten ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der besonderen Sicherungsmaßnahme, so ist vorher eine ärztliche Stellungnahme zu den gesundheitlichen Auswirkungen einzuholen. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, so wird die Stellungnahme unverzüglich nachträglich eingeholt.

(3) Den Untergebrachten sind besondere Sicherungsmaßnahmen zusammen mit deren Anordnung zu erläutern. Bei einer Gefährdung der Sicherheit kann dies ausnahmsweise nachgeholt werden. Die Anordnung, Entscheidungen zur Fortdauer und die Durchführung der Maßnahme einschließlich der ärztlichen Beteiligung sind mit einer kurzen Begründung schriftlich abzufassen.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind in angemessenen Abständen daraufhin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang sie aufrechterhalten werden müssen.

(5) Abweichend von Absatz 1 ist eine nicht nur kurzfristige Fixierung gemäß § 83 Absatz 2 Satz 1 Nummer 6 und Absatz 6 nur auf Grund vorheriger Anordnung durch das zuständige Gericht zulässig. Eine Fixierung ist kurzfristig, wenn sie absehbar die Dauer einer halben Stunde unterschreitet. Die richterliche Entscheidung ist durch die Leiterin oder den Leiter der Einrichtung oder von ihr oder ihm dazu bestimmten Bediensteten zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug können auch die Leiterin oder der Leiter der Einrichtung oder, wenn deren Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, andere Bedienstete der Einrichtung eine Fixierung nach Satz 1 vorläufig anordnen; die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Ist eine richterliche Entscheidung beantragt und die Fixierung vor deren Erlangung beendet worden, so ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.

(6) Über Absatz 3 Satz 3 hinaus sind bei jeder Fixierung die Anordnung und die dafür maßgeblichen Gründe sowie der Verlauf, die Art der Überwachung und die Beendigung umfassend zu dokumentieren. Nach Beendigung einer Fixierung, die nicht gemäß Absatz 5 richterlich angeordnet worden ist, sind die Untergebrachten unverzüglich auf ihr Recht hinzuweisen, die Rechtmäßigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen zu lassen; auch dies ist zu dokumentieren.

(7) Eine Absonderung, Unterbringung im besonders gesicherten Raum oder Fixierung sind der Aufsichtsbehörde unverzüglich mitzuteilen, wenn sie länger als drei Tage aufrechterhalten werden. Sind Untergebrachte in einem besonders gesicherten Raum untergebracht und fixiert, so hat die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde nach Ablauf von 24 Stunden zu erfolgen. Auf Antrag der Untergebrachten sind deren Verteidigerinnen oder Verteidiger über die besonderen Sicherungsmaßnahmen nach Satz 1 unverzüglich zu benachrichtigen.

(8) Die Absonderung und die Unterbringung im besonders gesicherten Raum von mehr als 30 Tagen Gesamtdauer innerhalb von zwölf Monaten bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Während der Absonderung und Unterbringung im besonders gesicherten Raum sind die Untergebrachten in besonderem Maße zu betreuen. Sind die Untergebrachten darüber hinaus fixiert, so sind sie durch einen Bediensteten ständig und in unmittelbarem Sichtkontakt zu beobachten.

§ 85

Ärztliche Überwachung

(1) Sind die Untergebrachten in einem besonders gesicherten Raum untergebracht, so sucht sie die Ärztin oder der Arzt alsbald auf. Sind die Untergebrachten fixiert, so ist unverzüglich eine Ärztin oder ein Arzt hinzuzuziehen. In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist jeweils eine angemessene regelmäßige medizinische Überwachung sicherzustellen.

(2) Die Ärztin oder der Arzt ist regelmäßig zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu hören, solange den Untergebrachten im besonders gesicherten Raum der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen ist oder sie länger als 24 Stunden abgesondert sind.