Abschnitt 2 - Aufnahme, Diagnostik, Vollzugs- und Eingliederungsplanung

§ 6

Aufnahmeverfahren

(1) Mit den Untergebrachten wird unverzüglich nach der Aufnahme ein Aufnahmegespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten sowie über die Ausgestaltung der Unterbringung informiert werden. Sofern es für die sprachliche Verständigung mit den Untergebrachten erforderlich ist, sind Sprachmittlerinnen und Sprachmittler hinzuzuziehen. Den Untergebrachten wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Untergebrachten zugänglich zu machen. Sofern die technischen Voraussetzungen in der Einrichtung vorgehalten werden, sollen den Untergebrachten die in Satz 3 und 4 genannten Vorschriften elektronisch zugänglich gemacht werden. Im Rahmen des Zugangsgesprächs ist den Untergebrachten ein schriftlicher Hinweis auf die Zugangsmöglichkeiten nach den Sätzen 4 und 5 auszuhändigen.

(2) Während des Aufnahmeverfahrens dürfen andere Untergebrachte nicht zugegen sein.

(3) Die Untergebrachten werden alsbald ärztlich untersucht.

§ 7

Diagnostikverfahren

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung das Diagnostikverfahren an.

(2) Das Diagnostikverfahren muss wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen und von Bediensteten mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation durchgeführt werden.

(3) Das Diagnostikverfahren erstreckt sich, aufbauend auf den Erkenntnissen aus dem Vollzug vorangegangener Freiheitsentziehungen, auf die Persönlichkeit, die sozialen Bezüge sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine Beurteilung der Gefährlichkeit der Untergebrachten, eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung der Untergebrachten nach der Entlassung notwendig erscheint.

(4) Im Diagnostikverfahren werden die im Einzelfall die Gefährlichkeit begründenden Faktoren ermittelt. Gleichzeitig sind seitens der Einrichtung die Fähigkeiten der Untergebrachten zu ermitteln, deren Stärkung der Gefährlichkeit entgegenwirken kann.

(5) Das Ergebnis ihres Diagnostikverfahrens wird mit den Untergebrachten erörtert.

§ 8

Vollzugs- und Eingliederungsplanung

(1) Auf der Grundlage des Ergebnisses des Diagnostikverfahrens wird ein Vollzugs- und Eingliederungsplan erstellt. Er zeigt den Untergebrachten bereits zu Beginn der Unterbringung die zur Erreichung des Vollzugsziels erforderlichen Maßnahmen auf. Daneben enthält er weitere Angebote und Empfehlungen zur sinnvollen Gestaltung des Lebens im Vollzug. Den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Untergebrachten ist Rechnung zu tragen.

(2) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird unverzüglich, regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen nach der Aufnahme, erstellt.

(3) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie die darin vorgesehenen Maßnahmen werden regelmäßig alle sechs Monate überprüft und fortgeschrieben. Die Entwicklung der Untergebrachten und die in der Zwischenzeit gewonnenen Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die durchgeführten Maßnahmen sind zu dokumentieren.

(4) Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit den Untergebrachten erörtert. Dabei werden deren Anregungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.

(5) Zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans führt die Einrichtung eine Konferenz mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch. Die im Vollzug einer vorangegangenen Freiheitsentziehung an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten können an der Konferenz beteiligt werden. Standen die Untergebrachten vor ihrer Unterbringung unter Bewährung oder Führungsaufsicht, so kann auch die für sie bislang zuständige Bewährungshelferin oder der für sie bislang zuständige Bewährungshelfer an der Konferenz beteiligt werden. Den Untergebrachten wird der Vollzugs- und Eingliederungsplan in der Konferenz eröffnet und erläutert. Sie können auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.

(6) An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit in die Planung einzubeziehen. Sie können mit Zustimmung der Untergebrachten auch an der Konferenz beteiligt werden.

(7) Frühzeitig vor einer voraussichtlichen Entlassung ist der künftig zuständigen Bewährungshelferin oder dem künftig zuständigen Bewährungshelfer die Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen und sind ihr oder ihm der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen zu übersenden.

(8) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen werden den Untergebrachten ausgehändigt.

§ 9

Inhalt des Vollzugs- und Eingliederungsplans

(1) Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten unter Berücksichtigung von § 15 Absatz 2 Satz 2 insbesondere folgende Angaben:

  1. Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnostikverfahrens,
  2. Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft,
  3. Teilnahme an psychiatrischen, psychotherapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen,
  4. Teilnahme an anderen einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen,
  5. Unterbringung in einer Wohngruppe,
  6. Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch,
  7. Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz,
  8. Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen,
  9. Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining,
  10. Arbeit,
  11. freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung,
  12. Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit,
  13. Ausführungen zur Erreichung des Vollzugsziels, Außenbeschäftigung,
  14. Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels,
  15. Unterbringung im offenen Vollzug,
  16. Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten,
  17. Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten,
  18. Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge,
  19. Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.

(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 3, 4, 6 bis 9, die nach dem Ergebnis des Diagnostikverfahrens als zur Erreichung des Unterbringungsziels zwingend erforderlich erachtet werden, sind als solche zu kennzeichnen und gehen allen anderen Maßnahmen vor. Andere Maßnahmen können versagt werden, soweit sie die Teilnahme an Maßnahmen nach Satz 1 beeinträchtigen würden.

(3) Frühzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen. Anknüpfend an die bisherige Vollzugsplanung werden ab diesem Zeitpunkt die Maßnahmen nach Absatz 1 Nummer 18 konkretisiert oder ergänzt. Insbesondere ist Stellung zu nehmen zu:

  1. Unterbringung im offenen Vollzug, Aufenthalt in einer Übergangseinrichtung,
  2. Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung,
  3. Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente,
  4. Beteiligung der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanzen,
  5. Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe,
  6. Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen,
  7. Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht,
  8. Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen,
  9. nachgehende Betreuung durch Vollzugsbedienstete.