SVVollzG Bln - Abschnitt 1 - Allgemeine Bestimmungen

§ 1

Anwendungsbereich

Dieses Gesetz regelt den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Vollzug) in Einrichtungen der Landesjustizverwaltung.

§ 2

Ziel und Aufgabe des Vollzugs

Der Vollzug dient dem Ziel, die Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen.

§ 3

Grundsätze der Vollzugsgestaltung

(1) Der Vollzug ist auf die Auseinandersetzung der Untergebrachten mit ihrer Gefährlichkeit und deren Folgen auszurichten.

(2) Der Vollzug ist therapiegerichtet und freiheitsorientiert auszugestalten. Die Untergebrachten sind individuell und intensiv zu betreuen. Fähigkeiten, die sie für ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung benötigen, sind zu erhalten und zu fördern.

(3) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen. Selbst bei langer Dauer der Unterbringung muss den Untergebrachten ein Leben in Würde und weitgehender Selbstbestimmung ermöglicht werden.

(4) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.

(5) Der Bezug der Untergebrachten zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern. Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Den Untergebrachten ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren.

(6) Die unterschiedlichen Bedürfnisse der Untergebrachten, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft, Religion, Weltanschauung, Behinderung und sexuelle Identität, werden bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall berücksichtigt.

§ 4

Stellung der Untergebrachten, Mitwirkung

(1) Die Persönlichkeit der Untergebrachten ist zu achten. Ihre Selbstständigkeit im Vollzugsalltag ist soweit wie möglich zu erhalten und zu fördern.

(2) Die Untergebrachten werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sind ihnen zu erläutern.

(3) Zur Erreichung des Vollzugsziels bedarf es der Mitwirkung der Untergebrachten. Ihre Bereitschaft hierzu ist fortwährend zu wecken und zu fördern.

(4) Die Untergebrachten unterliegen den in diesem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit. Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen ihnen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung unerlässlich sind.

§ 5

Soziale Hilfe und Eigenverantwortung

Die Untergebrachten werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten möglichst selbst zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln.

§ 5a

Verletztenbezogene Vollzugsgestaltung

(1) Die berechtigten Belange der Verletzten von Straftaten sind bei der Gestaltung des Vollzugs, insbesondere bei der Erteilung von Weisungen für Lockerungen, bei der Eingliederung und Entlassung der Untergebrachten, zu berücksichtigen.

(2) Die Untergebrachten sind dabei zu unterstützen, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden auszugleichen.

(3) Für Fragen des Schutzes von Verletzten und des Tatausgleichs sollen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner in der Einrichtung zur Verfügung stehen. Verletzte, die sich an die Einrichtung wenden, sind in geeigneter Form auf ihre Rechte, auch ihre Auskunftsansprüche nach § 55 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Berlin vom 27. September 2021 (GVBl. S. 1145) in der jeweils geltenden Fassung hinzuweisen. § 56 des Justizvollzugsdatenschutzgesetzes Berlin bleibt unberührt.