Abschnitt 15 - Disziplinarverfahren

§ 94

Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen können angeordnet werden, wenn die Gefangenen rechtswidrig und schuldhaft

  1. andere Personen oder Mitgefangene mit Worten oder mittels einer Tätlichkeit beleidigen, körperlich misshandeln, bedrohen oder nötigen,
  2. fremde Sachen zerstören, beschädigen oder unbefugt deren Erscheinungsbild nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändern,
  3. in sonstiger Weise gegen Strafgesetze verstoßen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen,
  4. Lebensmittel, Verpackungen sowie andere Gegenstände unsachgemäß entgegen der Hausordnung entsorgen,
  5. verbotene Gegenstände in die Anstalt einbringen, sich an deren Einbringung beteiligen, sie besitzen oder weitergeben,
  6. unerlaubt Betäubungsmittel oder andere berauschende Stoffe konsumieren,
  7. entweichen oder zu entweichen versuchen,
  8. gegen Weisungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Lockerungen verstoßen oder
  9. in nicht unerheblicher Weise gegen sonstige Pflichten oder Anordnungen verstoßen, die ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, und dadurch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt stören.

(2) Zulässige Disziplinarmaßnahmen sind

  1. der Verweis,
  2. die Beschränkung oder die Unterbindung des Fernsehempfangs für die Dauer von bis zu drei Monaten,
  3. der Entzug anderer Geräte der Informations- und Unterhaltungselektronik mit Ausnahme eines Hörfunkgeräts für die Dauer von bis zu drei Monaten,
  4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs für die Dauer von bis zu drei Monaten,
  5. die Beschränkung oder der Entzug des Aufenthalts in Gemeinschaft oder der Teilnahme an einzelnen Freizeitveranstaltungen für die Dauer von bis zu drei Monaten,
  6. der Entzug des Einkaufs für die Dauer von bis zu einem Monat,
  7. die Kürzung der Vergütung nach §§ 61 und 62 um zehn Prozent für die Dauer von bis zu drei Monaten,
  8. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder der Teilnahme an Maßnahmen nach §§ 21 bis 23 für die Dauer von bis zu vier Wochen unter Wegfall der nach §§ 61 und 62 geregelten Vergütung und
  9. der Arrest von bis zu vier Wochen.

(3) Arrest darf nur wegen schwerer oder wiederholter Verfehlungen verhängt werden. Gegen Schwangere und weibliche Gefangene, die gemeinsam mit ihren Kindern in der Anstalt untergebracht sind, darf ein Arrest nicht verhängt werden.

(4) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

(5) Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 95

Vollzug der Disziplinarmaßnahmen, Aussetzung zur Bewährung

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.

(2) Die Vollstreckung von Disziplinarmaßnahmen kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monate zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Aussetzung zur Bewährung kann ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Gefangenen die ihr zugrundeliegenden Erwartungen nicht erfüllen.

(3) Für die Dauer des Arrests werden die Gefangenen getrennt von anderen Gefangenen untergebracht. Sie können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen zur Teilnahme an Maßnahmen außerhalb des Raums, in dem Arrest vollstreckt wird, sowie die Befugnisse zur Ausstattung des Haftraums mit eigenen Gegenständen, zum Fernsehempfang und Einkauf. Gegenstände für die Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme des Lesestoffs sind nicht zugelassen. Die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst und anderen religiösen Veranstaltungen in der Anstalt sowie auf Aufenthalt im Freien bleiben unberührt.

§ 96

Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnen die von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter dazu bestimmten Bediensteten an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Anstalt zum Zweck der Verlegung sind die damit betrauten Bediensteten der Anstalt am Bestimmungsort zuständig.

(2) Richtet sich die Verfehlung gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter, so ist die Aufsichtsbehörde für die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen zuständig.

(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen die Gefangenen in einer anderen Anstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt. § 95 Absatz 2 bleibt unberührt.

§ 97

Verfahren

(1) Bei der Klärung des Sachverhalts sind sowohl belastende als auch entlastende Umstände zu ermitteln. Die betroffenen Gefangenen werden gehört. Sie werden darüber unterrichtet, welche Verfehlungen ihnen zur Last gelegt werden. Sie sind darauf hinzuweisen, dass es ihnen freisteht, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Die Äußerungen der Gefangenen und die Ergebnisse der Ermittlungen sind zu dokumentieren.

(2) In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden. Insbesondere kommen die Wiedergutmachung des Schadens, die Entschuldigung bei Geschädigten, die Erbringung von Leistungen für die Gemeinschaft und der vorübergehende Verbleib auf dem Haftraum in Betracht. Erfüllen die Gefangenen die Vereinbarung, so hat die Anordnung einer Disziplinarmaßnahme aufgrund dieser Verfehlung zu unterbleiben.

(3) Mehrere Verfehlungen, die gleichzeitig zu beurteilen sind, werden durch eine Entscheidung geahndet.

(4) Die für die Anordnung von Disziplinarmaßnahmen zuständigen Bediensteten sollen sich vor der Entscheidung mit anderen Bediensteten besprechen, die maßgeblich an der Vollzugsgestaltung mitwirken. Bei Schwangeren, stillenden Gefangenen oder Gefangenen, die sich in regelmäßiger ärztlicher Behandlung befinden, ist zudem eine Ärztin oder ein Arzt zu den gesundheitlichen Auswirkungen zu hören.

(5) Die Entscheidung wird den Gefangenen mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

(6) Bevor Arrest vollzogen wird, ist eine Ärztin oder ein Arzt zur Arrestfähigkeit zu hören. Während des Arrests stehen die Gefangenen unter ärztlicher Aufsicht. Der Vollzug des Arrests unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn ansonsten die Gesundheit der oder des Gefangenen gefährdet würde.