Wo die Spree in den Müggelsee mündet, gründeten einst tüchtige junge Fischer ein kleines Rundlingsdorf. Der Name „Rundling“ kommt von der typischen hufeisenförmigen Anordnung der Gehöfte um eine Grasfläche – einen sogenannten Anger – herum. 1375 wurde das Fischerdorf das erste Mal mit dem Namen Radenstorf urkundlich erwähnt. Ende des
15. Jahrhunderts gelangte auch ich in dieses beschauliche Fischerdorf. Man pflanzte mich beim heutigen vierten Haus der Dorfstraße.
Im Laufe der Jahrhunderte kamen mehr und mehr Häuser, eine schöne Barockkirche und eine Stiel-Eichen-Allee zum Dorf, was man nun Rahnsdorf nannte, dazu. Auch ich wuchs zu einem stattlichen Baum heran. Doch mit der Ruhe war es bald vorbei. In den Jahren 1860 und 1872 kam es zu zwei verheerenden Großbränden im Dorf. Die meisten Häuser des Fischerdorfes und auch unsere schöne Dorfkirche brannten ab. Auch mich erfasste das Feuer. Zum Glück wurde nur ein kleiner Teil meines Stammes geschädigt und ich konnte mich in den Folgejahren wieder gut erholen. Zurück blieben immer wieder schmerzende Wunden in der Borke meines Stammes, die ich nur zum Teil wieder schließen konnte. Auch das große Ulmensterben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte mich nicht unterkriegen. Mittlerweile gibt es wieder eine beeindruckende Dorfkirche und viele kleine und große Häuser am Anger.
Mittlerweile bin ich über 520 Jahre alt. Ich habe eine stattliche Größe von elf Metern erreicht. Umfassen kannst du mich aber nicht, denn mein Stammumfang bemisst 5,20 Meter. Jedes Jahr kommen Rahnsdorfer wie auch Besucher zu mir. Sie verweilen einen Moment im Schatten meines Blätterdachs. Seit 1974 zähle ich zu den Naturdenkmalen Berlins. Seitdem kümmert man sich noch rührender um den Erhalt meiner Statur und Vitalität. Jeden Winter werde ich beschnitten. Seit 2013 besitze ich ein stabiles Metallkorsett, was mir bei meiner Stabilität hilft. Mit den Jahren ist mein Stamm hohl. Pilze und der Zahn der Zeit nagen an mir. Dennoch zieht meine Blüte in jedem Frühjahr fleißige Bienen an. Viele Insekten tummeln sich in meiner Krone, an meinem Stamm und an meinen Wurzeln aber auch in toten Ästen wohnen viele Insekten. Die Rahnsdorfer verzeihen mir deshalb auch, dass meine Krone nicht mehr ein ganz so prächtiges Blätterdach besitzt, wie in den Jahrhunderten zuvor.
Das Straßen- und Grünflächenamt hat sogar schon kleine Nachkommen aus Stecklingen meiner Zweige gezogen. Wenn ich irgendwann nicht mehr da bin, wachsen bereits junge Ulmen heran, die später an meiner Stelle den Rahnsdorfern und Besuchern an Sommertagen Schatten und im Herbst den Kindern bunte Blätter schenken werden.
Text: Wilitzki, A. und O. Toepfer /Straßen- und Grünflächenamt Treptow-Köpenick 2021