Die Entwicklung der Gemeinde machte in der Folge Riesenfortschritte, mehr als 5.000 Seelen nahm die Einwohnerschaft jährlich zu. Die erhebliche Bevölkerungszunahme unseres Ortes hatte auch eine rege Bautätigkeit zur Folge, zahlreiche Straßen wurden um die Jahrhundertwende bebaut. Ein Ereignis aus den ersten Jahren der Rathaus-Geschichte soll hier noch erwähnt werden. Am 24. Juni 1907 lasen die Pankower im “Berliner Tageblatt” diesen Nachruf:
?Am Sonntag, dem 23. d. Mts., starb nach schwerem Leiden Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Mendel in Pankow. In ihm verliert die Gemeinde Pankow einen ihrer ältesten, edelsten und opferbereitesten Bürger. Sein an Arbeit und Erfolgen reiches Wirken an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin und seine ausgedehnte ärztliche Tätigkeit hinderten ihn nicht, der Entwicklung und dem Gedeihen seines Wohnortes Pankow das lebhafteste Interesse entgegenzubringen und seine großen Geistes- und Herzensgaben in den Dienst der Gemeinde zu stellen ….. so wird er in dem Andenken der Gemeinde fortleben “ein leuchtendes Vorbild menschlicher und bürgerlicher Tugenden. Im Namen des Gemeindevorstandes und der Gemeindevertretung Stawitz. Die Aufbahrung der Leiche und die Trauerfeier findet im großen Sitzungssaal des Pankower Rathauses am Mittwoch, d. 26. d. Mts. Nachmittag 4 – 12; Uhr statt.”
An diesem Tage kamen zahlreiche Pankower und Vertreter vieler wissenschaftlicher Gesellschaften zum Pankower Rathaus, um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen. Am Sarg hielten die buntgekleideten Chargierten der studentischen Vereinigungen mit bestickten Bannern und blanken Schlägern die Ehrenwache. Bürgermeister Wilhelm Kuhr gedachte in seiner Rede des Mannes, “der durch 40 Jahre der Gemeindeverwaltung mit vorbildlicher Arbeitskraft zur Seite stand, als ein Anreger moderner Einrichtungen und nie ratender Helfer.” Nach der Trauerfeier wurde der Sarg zum Lehrter Bahnhof geleitet, um mit der Eisenbahn zur Einäscherung nach Hamburg gebracht zu werden, in Berlin war das damals noch nicht möglich. Die Urne von Dr. Mendel wurde auf dem Weddinger Urnenfriedhof Gerichtstraße beigesetzt.
In den Kriegsjahren 1914-18 kamen immer neue Aufgaben auf die Gemeinde zu, auch musste die Verwaltung ständig umgestellt werden. Die meisten Beamten waren eingezogen, ihre Stellen wurden mit weiblichen Hilfskräften besetzt. “Die Arbeit war kaum zu bewältigen. Wenn ich nur an die vielen verschiedenen Lebensmittelkarten und Karten für Gegenstände des täglichen Bedarfs denke, deren Ausgabe immer schwieriger wurde, so tritt mir so recht grausam wieder das in jener Zeit herrschende Elend vor meine Augen. Schon morgens um 5 Uhr standen Hunderte von Kriegerfrauen auf der Straße vor dem Rathause, um möglichst die ersten bei der Auszahlung der Unterstützung zu sein. Im Rathause selbst saßen die Frauen mit ihren Kindern auf den Fluren und Treppen, dass man nur mit Mühe vorbeigehen konnte. Der Flur des Rathauses bot in dieser Beziehung täglich ein erschütterndes Bild,” heißt es in den Lebenserinnerungen von Ernst Böhm.
Mit dem Ende der Monarchie in Deutschland und dem Beginn der Weimarer Republik zog auch ein neuer Zeitgeist ins Pankower Rathaus ein; der Sozialdemokrat Wilhelm Kubig übernahm 1921 die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters.
Als 1920 die Großgemeinde Berlin mit acht Stadtgemeinden, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken gegründet wurde, gingen sie als Ortsteile in den 20 Verwaltungsbezirken auf. Aus Pankow, acht Landgemeinden und vier Gutsbezirken entstand der 19. Verwaltungsbezirk, zu dessen Direktor Ernst Böhm ernannt wurde. “Damit begannen für mich neue umfangreiche, aber auch ebenso interessante Aufgaben. Die Zahl der mir unterstellten Beamten wuchs auf rund 600, die Einwohnerzahl des Bezirkes auf über 140.000 Seelen,” schreibt Böhm.
Die Mühlenstraße soll noch vor 90 Jahren ein sehr holpriger Feldweg gewesen sein, obwohl sie eine Hauptverbindung von Berlin nach Pankow und weiter in Richtung Spandau war. Uralte Linden, Pappeln und Ahornbäume beschatteten die Mühlenstraße. Ein Zeitzeuge schrieb, dass diese Straße für Fußgänger und Fuhrwerke ein gefahrvoller, mühseliger Weg gewesen sei, denn der sogenannte Bürgersteig lag etwa einen Meter über dem Fahrweg. Erst 1904 ist er reguliertworden.
Über diesen Weg auf die Breite Straße kommend, die bis 1871 Dorfstraße hieß, erblickte man links Bauernhäuser mit kleinen Vorgärten. Auf den Grundstücken Nr. 24a bis 26 entstand später das Pankower Rathaus. Im Haus Breite Straße 26 befanden sich ein Kolonialwarengeschäft, dessen Besitzer gleichzeitig eine Nebenstelle der Niederbarnimer Kreissparkasse verwaltete, sowie eine Eisen- und Kurzwarenhandlung.
Mitte der neunziger Jahre gründete die Gemeinde eine Knabenvorschule ? eine Art Aufbauschule. Sie blieb zunächst im alten Schulhaus Breite Straße 25. Ab 1900 wurde der Unterricht in dem auf dem Gelände hinter den Grundstücken 25 und 26 errichteten Schulgebäude durchgeführt. Aus ihr entwickelte sich zunächst die Realschule, dann die Oberrealschule, die 1939 den Namen ?Karl-Peters-Schule?, Oberschule für Jungen, erhielt.
Im Jahre 1901 entstand in der Neuen Schönholzer Straße ein größerer Schulneubau, der den Beginn des späteren Schulkomplexes Görschstraße darstellt. Auf dem Grundstück Breite Straße 24a wurde 1887 das Postgebäude errichtet, das später die Polizeistation beherbergte.
(Aus: Rathaus Pankow 1903-1993, Arwed Steinhausen, Dieter Geisthardt, Hans Klockmann. Herausgegeben vom Freundeskreis der Chronik Pankow e.V., 1993. Aktualisierte Fassung. Für das Internet überarbeitet und gekürzt. Foto: Chronik Pankow/Prof. Dr. Mendel)