Informationen zum Geruchsgutachten "Wilhelmsruher Tor"

Erläuterungen zu den Geruchsimmissionen im Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“

Bebauungsplan 3-18 „Wilhelmsruher Tor“

Der Bebauungsplan 3-18 „Wilhelmsruher Tor“ wurde am 16.06.2015 mit dem Ziel aufgestellt, die planungsrechtliche Grundlage für ein neues Wohnquartier mit rund 400 Wohneinheiten, einer Kindertagesstätte, öffentlichen Grünflächen mit Spielplatz sowie Flächen für Dienstleistungen zu schaffen.

Entwurf des Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“ zum Zeitpunkt der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, Mai 2016

Abbildung 1: Entwurf des Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“ zum Zeitpunkt der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung, Mai 2016

Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens wurden im Mai 2016 die frühzeitige Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung nach Vorgaben des Baugesetzbuches (BauGB) durchgeführt, in denen Stellungnahmen mit Hinweisen zu Geruchsbelästigungen von den Fachämtern sowie auch Bürgern eingereicht wurden. Da die eingereichten Stellungnahmen und Hinweise im Bebauungsplanverfahren zu prüfen sind, war es erforderlich, eine Rasterbegehung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen (im Folgenden: „Geruchsgutachten“) durchzuführen.

Rasterbegehung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen („Geruchsgutachten“)

Die Rasterbegehung zur Beurteilung von Geruchsimmissionen („Geruchsgutachten“) wurde Ende 2017 durch das Stadtentwicklungsamt Pankow in Auftrag gegeben und durch einen Fachgutachter ausgeführt. Ziel der Untersuchung war es, die Geruchsbelastung innerhalb des Beurteilungsgebietes zu charakterisieren und eine Grundlage für die Beurteilung der Ge-ruchsbelästigung zu schaffen. Die Begehungen fanden im Zeitraum von Februar 2018 bis Februar 2019 statt.

Das Bebauungsplangebiet liegt unweit entfernt vom Industriegebiet Flottenstraße des Bezirks Reinickendorf. In diesem befinden sich mehrere Anlagen, die nach § 4 Bundesimmissions-schutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftig sind und durch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) Abteilung I C überwacht werden. Darunter auch eine Anlage zur Mechanisch-Physikalischen-Stabilisierung von Siedlungsabfällen (MPS-Anlage), eine Aluminiumgießerei, eine Kakao- und Kaffeerösterei sowie eine Bäckerei. Diese stehen wegen der betriebsbedingt zu erwartenden Emissionen, ihrer Entfernung bzw. Lage zum Plangebiet in Verdacht, für die Geruchsimmissionen verantwortlich zu sein.

Genehmigungsbedürftige Anlagen / Nebenanlagen nach § 4 BImSchG im Industriegebiet Flottenstraße des Bezirks Reinickendorf

Abbildung 2: Genehmigungsbedürftige Anlagen / Nebenanlagen nach § 4 BImSchG (Quelle: Geoportal Berlin, erstellt am 15.01.2020)

Folgende Geruchsarten wurden ausfindig gemacht, die anhand der Begehungen im Bebauungsplangebiet im Rahmen des Geruchsgutachtens auf ihre Häufigkeit untersucht wurden:

• Gießereigerüche
• Abfallgerüche
• Röstereigerüche
• Bäckereigerüche

Zusätzliche Gerüche, wie z.B. durch Hausbrand, den Kraftfahrzeugverkehr oder Vegetation entstehen, wurden als „sonstige Gerüche“ erfasst, jedoch nicht in die Bewertung nach der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) einbezogen.

Das Bebauungsplangebiet wurde in fünf Beurteilungsflächen aufgeteilt, wovon jede Fläche an vier Messpunkten (insgesamt elf Messpunkte) beprobt wurde. Die Geruchsproben wurden gemäß GIRL und DIN EN 13725[4] durch geschulte Probanden durchgeführt. Es erfolgten 104 Messungen gleichmäßig über zwölf Monate an allen Wochentagen und Tageszeiten verteilt. Die Messungen geben Aufschluss über die Häufigkeit von Geruchsstunden auf einer Beurteilungsfläche. Jede Messung erfolgte über 10 Minuten und verlief im 10-Sekunden-Takt. Wurden während des Messzeitintervalls in mindestens 10 % der Zeit (Geruchszeitanteil) Geruchsimmissionen der vorbezeichneten Art erkannt, wurde dieses Messzeitintervall als „Geruchsstunde“ gewertet. (Ermittlung der Anzahl der Geruchsstunden nach VDI 3940 Blatt 1 [4] bzw. DIN EN 16841 Teil 1 [2].) Außerdem wurde eine Windstation auf dem Gelände installiert, die kontinuierlich die Windgeschwindigkeit und Windrichtung aufzeichnete.

Im Ergebnis wurde festgestellt, dass in vier der fünf Beurteilungsflächen die Immissionswerte für Wohn- und Mischgebiete überschritten werden. Besonders hoch sind die Belastungen entlang der Kopenhagener Straße. Nur im nordöstlichen Beurteilungsfeld an der Tollerstraße werden die Werte eingehalten. Die GIRL gibt für Wohn- und Mischgebiete den Immissionswert von 0,10 (relative Häufigkeiten der Geruchsstunden =10%) und für Gewerbe- und Industriegebiete den Immissionswert 0,15 (=15%) vor. Auf der nordwestlichen Fläche an der Kopenhagener Straße wurde auch der Immissionswert von 0,15 überschritten. Insbesondere Gießerei- und Abfallgerüche wurden im Jahr häufig wahrgenommen und tragen zu den Überschreitungen der Werte maßgeblich bei. Die Häufigkeit der Rösterei- und Bäckereigerüche sind geringfügig.

Darstellung der Geruchshäufigkeiten in Prozent Summe Geruchsart 1

Abbildung 3: Gesamtgeruchshäufigkeiten [%] der Summe der Geruchsarten 1A, 1B, 1C, 1D

Geruchsbelästigung

Nur diejenigen Geruchsbelästigungen sind als schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne § 3 Abs.1 Bundes-Immissionsschutzgesetz zu werten, die erheblich sind. Die Erheblichkeit ist keine absolut festliegende Größe, sie kann in Sonderfällen nur durch Abwägung der dann bedeutsamen Umstände festgestellt werden.

Die Bewertung, ob eine Belästigung als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen ist, wird von einer Vielzahl von Kriterien beeinflusst.

Dies sind nach Nummer 1.3 ff. sowie Nr. 5.4 ff. der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) u.a. die Geruchsart und Hedonik (z.B. Ekel erregende Gerüche; Ekel und Übelkeit auslösende Gerüche können bereits eine Gesundheitsgefahr darstellen), die Geruchsintensität, die tages- und jahreszeitliche Verteilung der Einwirkungen, der Rhythmus, in dem die Belastungen auftreten, die Nutzung des Gebietes (insbesondere festgelegte Nutzung in Bebauungsplänen).

Zur Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchseinwirkung werden in Abhängigkeit von verschiedenen Baugebieten Immissionswerte in Form von Geruchshäufigkeiten als regelmäßiger Maßstab für die höchstzulässige Geruchsimmission in Nummer 3.1.1 der GIRL festgelegt.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sein kann, die unter anderem dazu führen kann, dass der Belästigte in höherem Maße Geruchseinwirkungen hinnehmen muss. Dies wird besonders dann der Fall sein, soweit einer emittierenden Anlage Bestandsschutz zukommt. In diesem Fall können Belästigungen hinzunehmen sein, selbst wenn sie bei gleichartigen Immissionen in anderen Situationen als erheblich anzusehen wären.

Konsequenzen für das Bebauungsplanverfahren

Diese Überschreitungen bedeuten im Zusammenhang mit den festgestellten Geruchsarten, dass in dem Großteil des Geltungsbereichs des Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“ nach Maßgabe der GIRL bzw. BImSchG erhebliche Geruchsbelästigungen vorliegen, so dass die im BauGB geforderten gesunden Wohnverhältnisse nicht gewahrt werden können.
Die als Verursacher für die Geruchsimmissionen vermuteten Anlagen sind nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftig, unterliegen bestimmten Auflagen zur Luftreinhaltung und werden regelmäßig durch SenUVK überwacht. Laut SenUVK erfüllen diese Betriebe ihre Auflagen und halten die für sie maßgebenden Emissionswerte ein. Die notwendigen Filteranlagen der Betriebe befinden sich auf dem aktuellen Stand der Technik. Somit kann hier keine weitere Reglementierung erfolgen. Neben den nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen gibt es noch weitere Industrie- und Gewerbebetriebe im benannten Industriegebiet sowie auch im Gewerbegebiet PankowPark an der Hertzstraße des Bezirks Pankow. Dass durch diese ebenfalls Geruchsemissionen ausgestoßen werden, wird von den Umweltämtern der Bezirke aufgrund der Art der Betriebe ausgeschlossen.
Da keine passiven Maßnahmen zum Schutz vor Gerüchen bekannt sind (wie z.B. bei Verkehrslärm mit Baukörperstellung, bestimmten Wohnungsgrund-
rissen und Schallschutzfenstern reagiert werden kann), muss von dem Ziel der Errichtung des Stadtquartiers mit rund 400 Wohneinheiten abgesehen werden und ein neues, mit den Immissionen verträgliches Konzept entwickelt werden. Einer Kita (sowie auch einer Schule) wird dieselbe Schutzbedürftigkeit wie einer Wohnnutzung zugesprochen, so dass auch für diese auf der bislang vorgesehenen Fläche kein Planungsrecht geschaffen werden kann.
Derzeit bestehen Überlegungen, das Bebauungsplangebiet für gewerbliche Nutzungen, wie z.B. Büronutzungen, Dienstleistungen, Einzelhandel, zu entwickeln und nur auf der kleinen Fläche im Nordosten an der Tollerstraße, in dem die Immissionswerte für Wohnen eingehalten wurden, Wohnungsbau zu ermöglichen. Neben einer gewerblichen Nutzung erlauben die Geruchsimmissionswerte im Übrigen auch Nutzungen als Grünfläche oder Kleingartenanlage, da diese nicht dem dauerhaften Aufenthalt dienen.

Luftschadstoffe

Im Rahmen des Geruchgutachtens wurden lediglich die Geruchsarten und deren Häufigkeiten im Geltungsbereich des Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“ untersucht. SenUVK dokumentieren im Rahmen der Überwachung der Anlagen auch deren jeweiligen Luftemissionen und sehen aufgrund der Daten keinen Anlass zur Annahme, dass Gesundheitsgefähr-dungen durch Luftschadstoffe vorliegen. Auch liegen zu dieser Thematik dem Stadtentwicklungsamt Pankow bislang keine Hinweise vor, aufgrund derer Untersuchungen im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens notwendig sind.

Konsequenzen für die Nachbarschaft

Die bestehende Wohnnutzung in Wilhelmsruh und Niederschönhausen hat sich ebenso, wie das benachbarte Industrie- und Gewerbegebiet „Flottenstraße“ im Bezirk Reinickendorf historisch entwickelt und in Kenntnis der räumlichen Situation verfestigt. Dies schließt eine gegenseitige Rücksichtnahme ein und hat in der Vergangenheit offensichtlich nicht dazu geführt, dass seitens der Bauwilligen von Anträgen auf Wohnbebauung abgesehen wurde.

Die Wahrung von gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen ist auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Vorhaben, wie z.B. Wohngebäuden, nach § 34 BauGB im unbeplanten Innenbereich (ohne festgesetzten, qualifizierten Bebauungsplan) sicherzustellen.

Zum Zeitpunkt der Baugenehmigungen lagen dem Stadtentwicklungsamt keine Hinweise zu Geruchsbelästigungen vor, so dass diese zuvor nicht, wie jetzt im Bebauungsplanverfahren, diesbezüglich umfassend geprüft wurden. Aufgrund der jetzt vorliegenden Erkenntnisse sind jedoch in künftigen Genehmigungsverfahren die festgestellten Geruchsbelästigungen zu be-rücksichtigen und im Antragsverfahren entsprechende Nachweise zu erbringen.

Die vorliegende Rasterbegehung zur Beurteilung der Geruchsimmissionen trifft nur Aussagen zu den Flächen des Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“. Es ist anzunehmen, dass die Umgebung ähnlichen Belastungen ausgesetzt ist, aber ohne konkrete Untersuchungen der jeweiligen Orte können diesbezüglich keine Aussagen getroffen werden.

Die bereits bestehenden, genehmigten Wohnungen, sowie auch die Gewerbebetriebe im In-dustriegebiet in Reinickendorf, unterliegen dem Bestandsschutz.

Gesetzesgrundlagen

Baugesetzbuch (BauGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634 ), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 27.März 2020 (BGBl.IS.587).

Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005 (GVBl.S.495), zuletzt geändert durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin vom 9.April 2018 (GVBl.S.205, 381).

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom
17. Mai 2013 (BGBl. I S. 1274), das zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl. I S. 432).

DIN EN 16841 Teil 1 (Außenluft – Bestimmung von Geruchsstoffimmissionen durch Bege-hungen, in der Fassung vom 03/2017.

DIN EN 13725, (Luftbeschaffenheit – Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie); Deutsche Fassung EN 13725:2003.

Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 29.Februar 2008.

Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) TA Luft – Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 24. Juli 2002 (GMBl S. 511).

VDI 3940 Bl. 1 Bestimmung der Immissionshäufigkeit von erkennbaren Gerüchen – Rastermessung) in der Fassung von 02/2006.

Verordnung über die bauliche Nutzung der Grundstücke (Baunutzungsverordnung – BauN-VO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786).

  • Bericht über die Durchführung einer Rasterbegehung zur Beurteilung der Geruchsimmissionen im Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans 3-18 „Wilhelmsruher Tor“

    PDF-Dokument (4.9 MB)

  • Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen (Geruchsimmissions-Richtlinie - GIRL) in der Fassung vom 29. Februar 2008 und einer Ergänzung vom 10. September 2008 mit Begründung und Auslegungshinweisen in der Fassung vom 29.Februar 2008 (Quelle: http://gewerbeaufsicht.baden-wuertemberg.de)

    PDF-Dokument

Ansprechpartner

Fragen zum Immissionsschutz im Bezirk Pankow:

Umwelt- und Naturschutzamt Pankow

Fragen zur Gesundheitsgefährdung:

Gesundheitsamt Pankow

Fragen zum Bebauungsplanverfahren 3-18 „Wilhelmsruher Tor“:

Stadtentwicklungsamt Pankow, FB Stadtplanung, Verbindliche Bauleitplanung:
E-Mail: Verbindliche Bauleitplanung

Fragen zu Bauvorhaben in Wilhelmsruh und Niederschönhausen:

Stadtentwicklungsamt Pankow, FB Stadtplanung, Bauberatung/ Einzelvorhaben:
Fr. Reichelt, Tel.: 902954314
E-Mail: cordula.reichelt@ba-pankow.berlin.de

Fragen zum Gewerbe- und Industriegebiet Flottenstraße des Bezirks Reinickendorf:

Stadtentwicklungsamt Reinickendorf, FB Stadtplanung und Denkmalschutz

oder

Umwelt- und Naturschutzamt Reinickendorf

Fragen zu den nach § 4 BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen
Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Referat 1 C