HIER WOHNTE
BEATE REHFISCH
VERH. DUNCAN
JG. 1921
MIT HILFE
FLUCHT 1934
ENGLAND
Beate Susanne Rehfisch (Beata Duncan) wurde am 3. August 1921 in der Familienwohnung in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Lilli Rehfisch, geb. Stadthagen, (1891-1941) und Hans Rehfisch (1891-1960). Die Familie wohnte in der Württembergallee 26-27. Die Familien Rehfisch und Stadthagen waren angesehene Berliner Familien, die als Anwälte, Ärzte und Ingenieure einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisteten, darunter Beates Großonkel Arthur Stadthagen (1857-1917), ein SPD-Abgeordneter im Reichstag, ihr Großvater Prof. Dr Eugen Rehfisch (1862–1937), der wegweisende Urologe und Kardiologe, und ihr Onkel Paul Stadthagen (1893–1943), ein ausgezeichneter Pilot des Ersten Weltkriegs.
Beate Rehfisch besuchte die nahegelegene 28. Gemeindeschule Charlottenburg (heute Reinold-Otto-Grundschule) und später kurz die Westend Schule (heute Herder-Gymnasium). Ein Spielplatz für Beate und ihren älteren Bruder Thomas (1918-1991) befand sich direkt gegenüber ihrer Wohnung auf dem Fürstenplatz. In der näheren Umgebung wohnten viele engere Verwandte. Beate Rehfischs Großmutter Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) und ihre Tante Toni Salomon, geb. Stadthagen, (1887-1942) lebten nahebei in der Hölderlinstraße.
Ihre Mutter Lilli Rehfisch war eine praktizierende Psychotherapeutin, die ihre Patienten*innen in ihrem Arbeitszimmer in der Wohnung empfing, während ihr Vater Hans Rehfisch, ein erfolgreicher Bühnenautor, seine Stücke im angrenzenden Arbeitszimmer schrieb. Beate Rehfisch erinnerte sich an ein lebhaftes Familienleben in den 1920-er und frühen 1930-er Jahren mit Besuchern aus der Welt der Psychoanalyse (Alfred Adler) und der des Theaters (Bertold Brecht, Erwin Piscator).
Nach der Machtübernahme Hitlers 1933 wurde der Vater wegen seiner regimekritischen Stücke für kurze Zeit inhaftiert und floh dann nach Österreich, später nach Großbritannien. Wegen ihrer jüdischen Herkunft entschied Beates Mutter Lilli Rehfisch früh im Jahre 1934, dass auch Beate und ihr Bruder Thomas Deutschland verlassen und mit der Hilfe von Lady Erleigh aus der Mond Familie, einer entfernten Verwandten, nach Großbritannien emigrieren sollten. Sie besuchten die Bunce Court School, eine fortschrittliche Schule, die die Direktorin Anna Essinger von Herrlingen in Baden-Württemberg nach Großbritannien verlegt hatte, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren.
Beate Rehfisch besuchte anschließend die Manor House School in Surrey, während ihr Bruder Thomas Elektrotechnik in London studierte. Um 1939 lebte Beate Rehfisch in angemieteten Räumen im Norden Londons und war als Sekretärin beim Refugees Committee beschäftigt. (Das war auch der Grund, warum sie 1940 nicht interniert wurde.) Während des 2. Weltkrieges studierte sie am Birkbeck College der Universität von London, für einen Bachelor of Arts im Fach Geschichte. Um ihren Lebensunterhalt als Studentin zu bestreiten, hatte sie eine Reihe von Teilzeitstellen, so als Kindermädchen, als Lehrhilfskraft und als Malerin in einer Spielzeugwerkstatt. So war sie schließlich in der Lage, sich mit ihrem Bruder Thomas eine Mietwohnung in Belsize Park im Norden von London zu teilen.
Nach dem Ende des Krieges musste Beate Rehfisch erfahren, dass ihre Mutter Lilli Rehfisch, ihr Onkel Paul Stadthagen, ihre Tante Toni Salomon und ihre Cousine Eva-Marie Salomon während des Holocaust in den Konzentrationslagern ermordet worden waren – ein traumatischer Verlust, der zu vielen Jahren von Leid führte.
Beate Rehfisch änderte ihren Vornamen in „Beata“, wurde 1949 britische Staatsbürgerin (ihre deutsche Staatsbürgerschaft war ihr 1939 von der deutschen Regierung aberkannt worden) und ließ sich dauerhaft in London nieder.
Beata Rehfisch war Adrian, einem Kommilitonen, am Birkbeck College begegnet und sie hatten zusammen einen Sohn, Stephen. Adrian wurde als Dozent für Psychologie im Fachbereich Philosophie der Sheffield Universität ernannt, aber er starb jung. Beata Rehfisch zog ihren Sohn im Norden Londons auf mit Beschäftigungen als Redakteurin im Verlagswesen, als Forscherin für die Encyclopaedia Britannica, als Bibliothekarin in Schulen und Hochschulen und als Dozentin für englische Literatur in Einrichtungen der Erwachsenenbildung.
Beata Rehfischs wahre Leidenschaft war aber die Literatur und sie studierte in den frühen 1950er- Jahren Literatur am University College, London. Sie wurde Schriftstellerin, insbesondere Dichterin, und sie war eine versierte und beliebte Interpretin ihrer Gedichte. Ihre Dichtung wurde vielfach in Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien (einschließlich der „New Poetry“ des Arts Council of Great Britain, der Hearing Eye Press und der website poetry p f) veröffentlicht. Sie war Preisträgerin in Gedichtwettbewerben und leistete Pionierarbeit in Workshops für kreatives Schreiben mit vielen aufstrebenden Dichtern*innen. Ein Großteil ihrer Gedichte beschreibt Ereignisse aus ihrem Leben, einschließlich der Betreuung ihrer Enkelkinder, und wurde in einigen Liederzyklen von Komponisten vertont.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand gewann Beata Rehfischs Karriere als Dichterin an Vitalität; sie wurde von vielen ihrer Kollegen*innen für die Klarheit und Eleganz ihrer Dichtung sowie für die Schilderung persönlicher Erlebnisse gelobt. Der Dichter Julian Stannard hat ihre Dichtung beschrieben als „großartig und human … ihre Dichtung ist einfach perfekt, herrlich genau“, während der Dichter Hugo Williams sagte: „Ihre Stimme, die Spuren der besten und schlimmsten Lebenserfahrungen trägt, verleiht ihrem Werk eine Autorität, der wir vertrauen können.“
Beata Rehfisch führte ein langes und aktives Leben und setzte sich für die National Osteoporosis Society sowie für die Zukunft der lokalen Bücherei ein. In ihrem letzten Lebensjahrzehnt besuchte sie mit ihrer Familie ihr Elternhaus in Berlin und stand in Kontakt mit Historikern*innen in Deutschland, die über ihre berühmten Verwandten forschten. Ihre Gedichtsammlung „Berlin Blues“ (Green Bottle Press) beschreibt ihr erstes Lebensjahrzehnt in Berlin, ihre Eltern und deren Leben in der Weimarer Republik. Ihre Gedichtsammlung „Breaking Glass“ (WriteSideLeft Press) beschreibt ihr folgendes Lebensjahrzehnt als Flüchtling im Vereinigten Königreich und ihre Erfahrungen im Londoner Blitz, d.h. den deutschen Bombenangriffen auf London während des 2. Weltkrieges.
Beata Rehfischs Sohn Stephen Duncan wurde Student an der Royal Academy in London und ist nun Fellow of the Royal Society of Sculptors. Er ist der Verwalter und Herausgeber ihres literarischen Nachlasses und ihre Gedichte werden noch immer in Anthologien und posthumen Publikationen veröffentlicht.
Beata Rehfisch starb 2015 im Alter von 93 Jahren und hinterließ ihren Sohn und drei Enkelkinder, die alle in Großbritannien leben.
Diese Biographie ist von Beata Duncans Sohn Stephen Duncan mit Hilfe ihres Enkelsohnes Robert Duncan geschrieben worden. London 2022.
Beata Duncans Stolperstein ist von ihrem Sohn gespendet worden.
© Stephen Duncan
Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); Universitätsarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin; UAM-Universitätsarchiv, Ludwig-Maximilians-Universität München; Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogene Auskünfte Berlin-Reinickendorf;
BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; StANu-Staatsarchiv Nürnberg; Arolsen Archiv
Weblinks:
Paul Stadthagen:
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Toni Salomon geb.Stadthagen:
https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php
Eva-Marie Salomon: https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146363.php