HIER WOHNTE
TONI SALOMON
GEB. STADTHAGEN
JG. 1887
DEPORTIERT 11.7.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Toni Bertha Salomon, geb. Stadthagen, wurde am 8. Juli 1887 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Agnes Stadthagen, geb. Jacobi, (1864-1938) und der Justizrat Dr. Julius Stadthagen (1855-1912). Ihre Mutter stammte aus Hamburg, ihr Vater war gebürtiger Berliner und als Anwalt an Berliner Landgerichten tätig. Unter vielen Verwandten war auch ihr Onkel, der angesehene SPD-Reichstagsabgeordnete Arthur Stadthagen (1857-1917).
Toni Salomon hatte zwei jüngere Geschwister, ihre Schwester Lilli (1891-1941) und ihren Bruder Paul (1893-1943). Die Geschwister verband eine herzliche Beziehung im engen Familienkreis. Die Familie wohnte zunächst in der Zimmerstraße 94, Berlin-Mitte und zog dann 1900 in ein Viertel südlich des Tiergartens (Am Karlsbad 2). Im Unterschied zu ihren Geschwistern absolvierte Toni Salomon keine Ausbildung oder ein Studium; sie war musikalisch und literarisch begabt und arbeitete als Kindergartenhelferin. Ihr Vater war ein Amateur Ägyptologe und besaß eine Sammlung antiker Fundstücke, die sich in der Familienwohnung befanden. Auf der Rückreise von einem Besuch in Ägypten 1912 starb Julius Stadthagen an einer Herzattacke am 9. Mai, die er an Bord des Schiffes erlitt. Sein Leichnam wurde mit dem Zug von Neapel nach Berlin überführt und er ist auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beerdigt.
Toni Stadthagen (Salomon) heiratete am 29. September 1913 in Berlin den Neurologen Dr. Ernst Oberndörffer (1876-1916), der aus München stammte. Am 7. August 1914 wurde ihr Sohn Arnold geboren. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges verließ Ernst Oberndörffer, noch vor der Geburt seines Sohnes, Berlin, um als Sanitätsoffizier in der deutschen Armee an der Westfront zu dienen, wo er das Eiserne Kreuz II. Klasse und die Bayrische Militärverdienstmedaille erhielt. 1915 trat er in die Osmanische Armee ein und wurde zum Arzt im Stab des Feldmarschalls von der Goltz ernannt; er reorganisierte das Lazarett in Bagdad nach deutschen Richtlinien, wofür er mit dem „Eisernen Halbmond“ ausgezeichnet wurde. Ernst Oberndörffer infizierte sich bei einem Patienten mit Typhus und starb am 10. März 1916 in Bagdad, wo er auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt worden ist.
Toni Oberndörffer (Stadthagen/Salomon), jetzt Kriegswitwe, zog mit ihrem Sohn Arnold und ihrer Mutter Agnes Stadthagen in die Hölderlinstraße 10 nach Westend, einem Viertel in Charlottenburg. Die Familie wohnte im Erdgeschoss und Agnes Stadthagen in ihrer eigenen Wohnung im ersten Stock. Toni Salomons Schwester Lilli Rehfisch und ihr Bruder Paul Stadthagen würden bald auch ihre jeweiligen Familien in der Nähe großziehen.
Mit dem Arzt Dr. Julian Nathanblut (1877-1942) ging Toni Salomon am 10. Juli 1919 ihre zweite Ehe ein. Geboren in St. Petersburg war er mit seiner Familie nach Warschau umgezogen und dann 1883 nach Berlin. Julian Nathanblut wuchs in Berlin auf, studierte Medizin und, nachdem er seinen Doktortitel an der Universität von Leipzig erworben hatte, praktizierte er als Arzt in Berlin. Nach einer kinderlosen Ehe ließen sich Toni und Julian Nathanblut ein Jahr später scheiden. Da Julian Nathanblut aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung nach 1933 keine Patienten innerhalb des öffentlichen Gesundheitswesens mehr behandeln konnte, emigrierte er nach Belgien und später nach Frankreich.
Julian Nathanblut wurde am 28. August 1942 von dem Durchgangs- und Internierungslager Drancy aus in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er ermordet wurde.
Ihre dritte Ehe ging Toni (Stadthagen/Nathanblut/Salomon) am 18. April 1922 mit dem Justizrat Dr. Philipp Salomon (1867-1941), einem Anwalt am Kammergericht, ein. Als Schachspieler und Amateur-Pianist wurde er ein enges Mitglied der Großfamilie, der auf Familienfeiern Klavier spielte und seinen Schwager Hans Rehfisch (1891-1960) bei Gesangsduetten begleitete. Er war in der Lage, die Großfamilie in ihren rechtlichen Belangen zu beraten und zu unterstützen.
Toni und Philipp Salomons Tochter Eva-Marie wurde am 18. September 1924 geboren. Eva-Marie hatte Lernbehinderungen, und sie besuchte daher Sonderschulen. Die Familien von Toni Salomon, ihrer Schwester Lilli Rehfisch und ihrem Bruder Paul Stadthagen standen sich nahe und unterstützten sich in der Weimarer Zeit. Nachdem 1933 Hitler an die Macht gekommen war, konnte Tonis Sohn Arnold aufgrund einer festen Prozentzahl an Studenten jüdischer Abstammung kein Medizinstudium an einer deutschen Universität aufnehmen. Daher emigrierte er in die Niederlande. Weil er an einer schweren Krankheit litt, kehrte er 1936 nach Deutschland zurück, um sich in einem Sanatorium der Kurstadt Obernigk in Niederschlesien zu erholen. Am 16. Februar 1937 starb Arnold Oberndörffer. Er ist auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee in Berlin beerdigt.
Die Familie Salomon ertrug unterdrückende soziale Verhältnisse aufgrund der Rassengesetze der späten 1930er- Jahre. Die Familie zog 1938 von der Hölderlinstraße in die Württembergallee 8, ihre letzte Adresse freier Wahl. Toni Salomons Mutter Agnes Stadthagen starb am 22. Juni 1938 und ist auf dem Friedhof Weißensee neben ihrem Ehemann begraben. Die Familienpläne für eine Auswanderung nach Palästina wurden wegen Philipp Salomons schlechtem Gesundheitszustandes während der späten 1930er- Jahre verschoben. Philipp Salomon starb am 27. April 1941 zu Hause an einem Herzinfarkt und seine Asche wurde auf dem Friedhof Weißensee beigesetzt.
Am 29. November 1941 wurde Toni Salomons jüngere Schwester Lilli Rehfisch in das Konzentrationslager Jungfernhof bei Riga deportiert, wo sie ermordet wurde.
1942 wurden Toni Salomon und ihre Tochter Eva-Marie gezwungen in das Haus Maikowskistraße 107 (heute Zillestraße) umzuziehen, das wahrscheinlich ein „Judenhaus“ war. Sie wurden zusammen am 11. Juli 1942 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Toni und Eva-Marie Salomon wurden in dem Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Toni Salomons Bruder Paul Stadthagen wurde am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er ermordet wurde.
Toni Salomon hinterlässt keine direkten Nachkommen, aber sie wird von den Nachkommen ihrer jüngeren Geschwister in Erinnerung gehalten und wegen ihrer Integrität und Liebe als Schwester, Mutter und Tante geehrt. Ihre Nichte Beate Rehfisch erinnerte sich an sie als eine zentrale Person in ihrer Großfamilie, die Wärme und Großzügigkeit, eine lebenswichtige Güte besaß.
Diese Biographie ist von Toni Salomons Großneffen Stephen Duncan mit Hilfe ihres Urgroßneffen Robert Duncan geschrieben worden.
Toni Salomons Stolperstein ist von den Nachkommen ihrer Schwester gespendet worden.
© Stephen Duncan
Quellen:
LAB-Landesarchiv Berlin; Czitrich-Stahl, Holger, Arthur Stadthagen: Anwalt der Armin und Rechtslehrer der Arbeiterbewegung (Berlin: Peter Lang, 2011); Unseren Gefallen Kameraden: Gedenkbuch für die im Weltkrieg gefallen Münchener Juden (München: Verlag der Schild, 1929) S. 80, 227; BayHStA-Bayern Hauptstaatsarchiv; Barch PA-Bundesarchiv Abteilung Personenbezogene Auskünfte Berlin-Reinickendorf; BLHA-Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Arolsen Archiv
Weblinks:
Lilli Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php
Paul Stadthagen https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179349.php
Beate Rehfisch https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.1146516.php