Spätestens seitdem die Buslinien 200 und 300, die quer durch die Hauptstadt fahren, umgestellt sind, ist es unübersehbar: Berlin steigt um.
Berlin – mit der größten Busflotte Deutschlands – hat den Wechsel zur Elektromobilität angepackt. Weg vom fossilen Antrieb, hin zu Erneuerbaren: Die Hauptstadt wird damit in Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen, und das ist gut. Im internationalen Maßstab liegen wir mit dem Start dieser Wende allerdings eher im Mittelfeld. Großstädte wie Shenzhen in China oder in Europa die norwegische „Welthauptstadt der E-Mobilität“, Oslo, haben ihre Busflotten schon fast vollständig elektrifiziert. Andere Städte, wie London, stecken mittendrin in diesem Prozess.
Berlins Mobilitätsgesetz, nach wie vor einzigartig in Deutschland, gibt in Berlin den Zeitrahmen für den vollständigen Umstieg von Diesel auf Elektromobilität vor: Das entscheidende Jahr ist 2030 mit einem kalkulierten Bestand von (dann) rund 1.650 Elektrobussen. Bislang wurden bereits 15 % und somit 228 Busse elektrifiziert.
Vom Verkehrssektor fehlt bisher ein Beitrag zur CO2-Reduktion
Die Einführung von Elektrobussen schließt so eine der letzten verbliebenen Lücken bei der Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs. S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahnen fahren längst mit Strom, künftig auch die Busse. Und dafür gibt es gute, ja sogar zwingende Gründe: Die Notwendigkeit einer konsequenten Elektrifizierung des öffentlichen, aber auch des privaten und des gewerblichen Verkehrs ergibt sich in erster Linie aus den unabweisbaren Herausforderungen des Klimaschutzes. Wenn wir die Erderhitzung auf ein gerade noch tolerables Maß begrenzen wollen, wie es im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart wurde, führt an einer Veränderung der Energiebasis von fossilen auf erneuerbare Energien kein Weg vorbei. Das gilt gerade auch für den Verkehrssektor, der in Deutschland bislang so gut wie gar keinen Beitrag zur Emissionsreduzierung geleistet hat. Im Verkehrssektor bedeutet dieser Ausstieg aus den Fossilen aber unzweifelhaft, die Antriebe soweit wie möglich auf Systeme auszulegen, die den Strom direkt nutzen können.
Natürlich muss dieser Strom komplett aus erneuerbaren Energien hergestellt werden, sonst gibt es keinen Klimaschutz-Effekt. Deshalb bezieht die BVG ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien.
Aber auch schon mit dem aktuellen deutschen Strom-Mix fährt ein Elektrobus klimafreundlicher als jeder Dieselbus.
Der Gesamtumweltnutzen von Elektrobussen wird am Beispiel einer Berechnung der Umweltbilanz im abgeschlossenen Forschungsprojekt E-MetroBus (Partner: BVG, TU Berlin und Reiner Lemoine Institut) noch einmal deutlich. Der Forschungspartner TU Berlin hat in diesem Projekt die Treibhausgas (THG)-Emissionen durch die Herstellung und den Betrieb von Elektrobussen mit den THG-Emissionen von Dieselbussen verglichen. In der Umweltbilanzierung hat die TU Berlin bei der Herstellung sowohl das Fahrzeug als auch die Batterie berücksichtigt. Für die Berechnung der THG-Emissionen im Betrieb wurde für die Elektrobusse der Strommix Deutschlands angenommen. Ergebnisse zeigen, dass der Elektro-Gelenkbus im Projekt durch die Herstellung zwar einen größeren Treibhausgasrucksack im Vergleich zu einem vergleichbaren Dieselbus erzeugt, diesen aber schon nach ca. 30.000 Kilometer Fahrleistung, durch geringere Emissionen im Betrieb wieder ausgleicht. Diese Fahrleistung wird bei BVG-Bussen in der Regel bereits innerhalb des ersten halben Jahres erreicht. (Quelle: Ergebnisbericht Dekarbonisierung der Busflotte, 2023)
Für zukünftige Fahrzeugbeschaffungen wird sich dieses Bild in mehreren, teils gegenläufigen, Aspekten verändern: die bei den neuen Flexladern vorgesehene größere Batterie sorgt für einen größeren Unterschied in der Fahrzeugherstellung von Diesel- und E-Bussen: es entsteht ein größerer „THG-Rucksack“. Durch die erwartete verbesserte Bilanz in der Herstellung (Herstellung in Europa, zunehmend grüner Strommix), wird dieser Effekt jedoch abgemildert. Zudem sorgen eine höhere jährliche Laufleistung sowie der zunehmende Anteil erneuerbarer Energien am Strommix Deutschland für mehr Einsparungen im Betrieb, so dass die höheren THG-Emissionen in der Herstellung von E-Bussen im Betrieb schneller ausgeglichen werden können (Quelle: Ergebnisbericht Dekarbonisierung der Busflotte, 2023)
Andere nicht-fossile Antriebe sind keine geeignete Alternative
Warum aber setzen wir im Busverkehr bereits heute auf Elektromobilität statt auf andere alternative Antriebe wie etwa Bio-Gas oder Wasserstoff?
Erstens, weil es entgegen allen Beteuerungen keine wirklich guten und vor allem keine langfristig tragfähigen Alternativen gibt. Biokraftstoffe, gleich ob als flüssiger Treibstoff oder als Gas, kommen nicht in Frage: Denn die dafür eingesetzte Biomasse wäre nur dann akzeptabel, wenn sie nachhaltig produziert würde. Das ist aber nicht automatisch und schon gar nicht in den Größenordnungen gewährleistet, in denen Energie aus Biomasse fossile Kraftstoffe ersetzen müsste. Und nicht nur die Umweltbilanz beim Anbau ist ein ungelöstes Problem, auch die begrenzten Flächen und die Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion werden von Befürwortern der Bio-Fuels gern verschwiegen. Wirklich nachhaltige Biomasse ist eine extrem beschränkte Ressource: Sie kann nicht alles bedienen, sondern immer nur Teillösungen darstellen. Sie ist so teuer, dass man sie eben nicht en gros, sondern nur als Option für Anwendungen verwenden darf, für die es (noch) keine elektrische Lösung gibt – etwa in der Luftfahrt oder in der Industrie. Für den Busverkehr ist das ganz sicher nicht der Fall.
Auch eine Umstellung auf Wasserstoff oder neuartige Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels, hergestellt über mehrere Umwandlungsschritte aus Strom) sind aus etlichen Gründen keine vielversprechenden Optionen. Zum einen haben alle diese Kraftstoffe wegen der hohen Umwandlungsverluste und der teuren Anlagen immer Kostennachteile im Vergleich zum direkten Einsatz von Strom. Die Möglichkeiten zur Erzeugung von erneuerbarem Strom sind theoretisch zwar groß, aber real sind sie nicht unbegrenzt. Die aktuellen Konflikte um den Ausbau der Windenergie an Land setzen hier ein deutliches Alarmsignal. Das heißt: Auch regenerativ erzeugte Elektrizität muss möglichst sparsam eingesetzt werden – ein enorm wichtiger strategischer Aspekt. Für den Verkehrssektor bedeutet das den direkten, möglichst verlustfreien Einsatz von Strom. Gerade bei den Batteriespeichern ist aktuell ein starker Innovationsschub sichtbar, der die Kosten, den Ressourcenbedarf und die Reichweite batterieelektrischer Fahrzeuge vom Pkw über den Bus bis hin zum Zug auf nicht elektrifizierbaren Strecken immer attraktiver werden lässt.
Zweitens ist ein früher Einstieg in die Technik batterieelektrisch betriebener Busse schon deshalb wichtig, weil wir Zeit und Raum für Erfahrungen brauchen. Für E-Busse müssen neue Infrastrukturen aufgebaut und Betriebshöfe umgebaut werden, man braucht andere Einsatzstrategien, bei denen die regelmäßige Aufladung der Busse als wichtiges Element in die Pläne aufgenommen wird. Diese Anpassungsprozesse finden in allen Städten weltweit statt, die auf Elektromobilität setzen. Wenn Berlin hier frühzeitig gute Praxismodelle entwickelt, können wir ein Beispiel für viele andere werden.
Berlin setzt sich für gute Standards bei der Batterieherstellung ein
Drittens sind Elektrobusse zwar in der Anschaffung heute noch teurer als Dieselfahrzeuge (wenn auch mit sinkender Tendenz), aber im Betrieb sind sie jetzt schon absehbar günstiger und berechenbarer. Strom ist und bleibt für den Fahrzeugbetrieb kostengünstiger als fossiler Kraftstoff, und zwar auch vor einer wirksamen CO2-Bepreisung, die in den nächsten Jahren noch ansteigen soll. Elektromotoren und Batterien sind zudem einfacher zu warten als Verbrennungsmotoren, wenn die Werkstätten und Betriebshöfe erst einmal umgestellt sind. Trotzdem bleibt dafür die nächsten Jahre noch ein gewisser Mehraufwand. Das sind aber einerseits gut begründete Investitionen in die Lernkurve für ein künftig kostengünstigeres Gesamtsystem. Andererseits können wir in Berlin dafür aktuell sehr großzügige Fördermittel des Bundes in Anspruch nehmen. Alle 228 Fahrzeuge im Einsatz sind bislang durch den Bund gefördert. Die kommenden Elektro-Gelenkbusse ebenfalls.
Viertens wollen wir auch unseren Beitrag dazu leisten, dass das Gesamtsystem der Elektromobilität insgesamt ein nachhaltiges Verkehrssystem wird. Das Recycling von Batterien ist dabei ein zentraler strategischer Punkt einer Vielzahl von politischen Initiativen in Deutschland und Europa. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Rohstoffe für die Batterieherstellung unter kontrollierbar akzeptablen Umwelt- und Arbeitsbedingungen gewonnen werden. Berlin hat sich bereits im Bundesrat für diese Standards eingesetzt und wird dies weiterhin tun. Dabei können von der öffentlichen Hand gemanagte Flotten der ideale Nukleus für intelligente Recyclingstrategien sein. Wenn Berlin als relevanter, früher Volumennachfrager auftritt, können wir unsere Anforderungen in die Standardsetzungen etwa bei der Batterieherstellung umso wirksamer einbringen. Das ist eine wichtige industrie- und innovationspolitische Komponente.
Deutschland hat Verantwortung für neue Klimaschutz-Technologien
Wenn wir über Elektrobusse sprechen, dann sprechen wir über Innovationen und über den unabdingbaren Klimaschutz. Deutschland hat als Industrieland in der Vergangenheit signifikante Mengen an Treibhausgasen emittiert. Wir sind deshalb mitverantwortlich für den heute stattfindenden Klimawandel, der anderswo deutlich zerstörerische Folgen zeigt als bei uns. Auch deshalb ist es richtig, dass wir als Land den Leitmarkt für Lösungstechnologien mit aufbauen, um den Klimawandel zu begrenzen. Es geht also auch um moralische Verantwortung. Dass die deutsche Hauptstadt hier eine maßgebliche Rolle spielen sollte, scheint unzweifelhaft.