JVollzDSG Bln - Teil 2 - Kapitel 2 - Besondere Formen der Datenverarbeitung

Kapitel 2 - Besondere Formen der Datenverarbeitung

§ 19 - Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Die Erhebung erkennungsdienstlicher Daten von Gefangenen durch die

  1. Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
  2. Aufnahme von Lichtbildern mit Kenntnis der betroffenen Personen,
  3. Feststellung und Messung äußerlicher körperlicher Merkmale,
  4. Aufnahme von äußerlichen Personenbeschreibungen sowie
  5. Erfassung biometrischer Merkmale des Gesichts, der Augen, der Hände oder der Unterschrift

ist nur zulässig, soweit dies zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist.

(2) Die nach Absatz 1 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen werden zu den Gefangenenpersonalakten genommen. Sie sind dort getrennt vom übrigen Inhalt der Akten zu verwahren, soweit sie nicht in Dateisystemen gespeichert werden. Sie sind so zu sichern, dass eine Kenntnisnahme nur zu den in Absatz 3 und 4 genannten Zwecken möglich ist.

(3) Nach Absatz 1 erhobene Daten dürfen nur verarbeitet werden

  1. zur Überprüfung der Identität der Gefangenen oder
  2. soweit dies sonst zu vollzuglichen Zwecken unbedingt erforderlich ist.

(4) Nach Absatz 1 erhobene Daten dürfen nur übermittelt werden,

  1. wenn dies in diesem Gesetz ausdrücklich zugelassen ist,
  2. an die Vollstreckungs- und Strafverfolgungsbehörden, soweit dies für Zwecke der Fahndung nach und Festnahme von entwichenen oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Anstalt aufhaltenden Gefangenen erforderlich ist,
  3. an die Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer innerhalb der Anstalt drohenden Gefahr für erhebliche Sachwerte oder für Leib, Leben oder Freiheit von Personen erforderlich ist, sowie
  4. an öffentliche Stellen auf deren Ersuchen, soweit die Gefangenen verpflichtet wären, eine unmittelbare Erhebung der zu übermittelnden Daten durch diese zu dulden oder an einer solchen Erhebung mitzuwirken. Die ersuchende öffentliche Stelle teilt dem Justizvollzug in ihrem Ersuchen die Rechtsgrundlage der Mitwirkungs- oder Duldungspflicht mit. Beruht diese Pflicht auf einer Regelung gegenüber der betroffenen Person im Einzelfall, so weist die ersuchende Stelle zugleich nach, dass eine entsprechende Regelung ergangen und vollziehbar ist.

(5) Nach Absatz 1 erhobene Daten sind nach der Entlassung der Gefangenen unverzüglich zu löschen; die Löschung ist in den Gefangenenpersonalakten zu dokumentieren. Für die biometrischen Merkmale der Unterschrift gemäß Absatz 1 Nummer 5 gelten abweichend von Satz 1 die Löschfristen des § 70.

§ 20 - Einsatz optisch-elektronischer Einrichtungen

(1) Der Justizvollzug darf Räume und Freiflächen mittels optisch-elektronischer Einrichtungen nur beobachten, soweit es in diesem Gesetz ausdrücklich gestattet ist.

(2) Für jede Einrichtung des Justizvollzugs, die optisch-elektronische Einrichtungen einsetzt, ist ein einheitliches Konzept zur optisch-elektronischen Beobachtung der baulichen Anlagen zu erstellen. Das Konzept hat alle betriebsfähigen Einrichtungen sowie die von ihnen erfassten Bereiche in kartenmäßiger Darstellung zu enthalten und ist fortzuschreiben. § 15 bleibt unberührt.

(3) Bei der Planung optisch-elektronischer Einrichtungen ist sicherzustellen,

  1. dass die Beobachtung nur insoweit erfolgt, als dies zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist, insbesondere um das Betreten bestimmter Zonen durch Unbefugte zu verhindern, und
  2. dass den Gefangenen in der Anstalt angemessene Bereiche insbesondere für Sport und Freizeit verbleiben, in denen sie nicht mittels optisch-elektronischer Einrichtungen beobachtet werden.

(4) Die mittels optisch-elektronischer Einrichtungen beobachteten Räume und Flächen sind durch sprachliche und nichtsprachliche Zeichen auf eine Weise kenntlich zu machen, dass die Tatsache und die Reichweite der Beobachtung jederzeit eindeutig erkennbar sind.

(5) Bei Gefangenentransporten ist in den vom Justizvollzug genutzten Fahrzeugen die Beobachtung von Gefangenen mittels optisch-elektronischer Einrichtungen zulässig, soweit dies aus Gründen der Sicherheit erforderlich ist, insbesondere um Gefangene zu beaufsichtigen oder die Übergabe verbotener Gegenstände zu verhindern. Absatz 4 und § 23 Absatz 3 gelten entsprechend.

§ 21 - Optisch-elektronische Einrichtungen im Umfeld von Anstalten

Die Beobachtung des öffentlich zugänglichen Raumes außerhalb der Grenzen von Anstalten mittels optisch-elektronischer Einrichtungen ist nur zulässig, soweit dies auf Grund der örtlichen Gegebenheiten zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Aufrechterhaltung Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt auch unter Berücksichtigung der Belange Dritter unbedingt erforderlich ist, insbesondere um Entweichungen, Befreiungen sowie Überwürfe von Gegenständen auf das Anstaltsgelände zu verhindern.

§ 22 - Optisch-elektronische Einrichtungen innerhalb von Anstalten

Die Beobachtung von Räumen und Freiflächen innerhalb von Anstalten mittels optisch-elektronischer Einrichtungen ist zulässig, soweit dies zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist, insbesondere um das Betreten bestimmter Zonen durch Unbefugte zu verhindern, und soweit in § 23 nichts anderes bestimmt ist.

§ 23 - Optisch-elektronische Einrichtungen innerhalb von Hafträumen und Krankenzimmern

(1) Die Beobachtung innerhalb von Hafträumen und Krankenzimmern mittels optisch-elektronischer Einrichtungen ist nicht zulässig, soweit nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist.

(2) Im Rahmen einer Beobachtung als besonderer Sicherungsmaßnahme ist die optisch-elektronische Beobachtung in besonders gesicherten Hafträumen oder in Krankenzimmern zulässig, soweit und solange dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben der dort untergebrachten Gefangenen erforderlich ist. Die optisch-elektronische Beobachtung ist gesondert von der Unterbringung und für einen bestimmten Zeitraum schriftlich anzuordnen und zu begründen. Die Anordnung trifft die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter, eine Ärztin oder ein Arzt; sie ist zu den Gefangenenpersonalakten oder den Patientenakten zu nehmen. Den in einem beobachteten Raum Untergebrachten Gefangenen ist erkennbar zu machen, wann die Einrichtungen in Betrieb sind.

(3) Bei der Gestaltung und Beobachtung optisch-elektronisch beobachteter Hafträume und Krankenzimmer ist auf die elementaren Bedürfnisse der Gefangenen nach Wahrung ihrer Intimsphäre angemessen Rücksicht zu nehmen. Insbesondere sind sanitäre Einrichtungen von der Beobachtung auszunehmen, hilfsweise ist die Erkennbarkeit dieser Bereiche durch technische Mittel auszuschließen. Bei akuter Selbstverletzungs- oder Selbsttötungsgefahr ist im Einzelfall vorübergehend eine uneingeschränkte Überwachung zulässig. Die Beobachtung der Gefangenen soll durch Bedienstete des gleichen Geschlechts erfolgen. Abweichend von Satz 4 soll bei berechtigtem Interesse der Gefangenen ihrem Wunsch nach Beobachtung durch Bedienstete eines bestimmten Geschlechts entsprochen werden.

(4) Für die Dauer unüberwachter Gespräche der Gefangenen, insbesondere mit Seelsorgerinnen, Seelsorgern, Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren sowie mit Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern (§ 60 Absatz 1), ist die optisch-elektronische Überwachung von Hafträumen und Krankenzimmern zu unterbrechen.

§ 24 - Akustisch-elektronische Einrichtungen in Bereichen für Besuche

(1) Räume, in denen Gefangene mit Besucherinnen und Besuchern zusammentreffen, können über § 22 hinaus auch akustisch-elektronisch überwacht werden, soweit das dort geführte Gespräch durch Bedienstete des Justizvollzugs unmittelbar akustisch überwacht werden darf.

(2) Auf die Überwachung ist vor und in den betreffenden Räumen durch sprachliche und nichtsprachliche Zeichen hinzuweisen.

§ 25 - Speicherung mittels optisch- oder akustisch-elektronischer Einrichtungen erhobener Daten

(1) Die nach den §§ 21 bis 24 mittels optisch-elektronischer oder akustisch-elektronischer Einrichtungen erhobenen Daten dürfen für einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden zum Zwecke der Prüfung einer weitergehenden Speicherung gespeichert werden. Eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus ist nur zulässig

  1. soweit und solange dies zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erforderlich ist oder
  2. in den Fällen des § 24, sofern gegen Auflagen zum Ablauf des Besuchs verstoßen wurde, soweit und solange dies zur Übermittlung der erhobenen Daten an das Gericht, das die inhaltliche Überwachung der Gespräche angeordnet hat, erforderlich ist.

Im Übrigen sind die Daten zu löschen.

(2) Abweichend von Absatz 1 dürfen die gemäß § 23 Absatz 2 erhobenen Daten nicht gespeichert werden.

(3) Ist nach den Umständen anzunehmen, dass bei einer Datenerhebung durch optisch-elektronische oder akustisch-elektronische Einrichtungen auch Daten erhoben werden, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung unterfallen, so ist die Zugehörigkeit der erhobenen Daten zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung während der laufenden Überwachung zu prüfen. Die erhobenen Daten dürfen abweichend von Absatz 1 nur weiter verarbeitet werden, soweit sie nicht zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung
gehören.

(4) Dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind Äußerungen, durch die Empfindungen, Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck kommen. Zu diesem Kernbereich zählt zudem die Kommunikation mit Personen des höchstpersönlichen Vertrauens. Nicht erfasst sind Gespräche über Straftaten oder Gespräche, durch die Straftaten begangen werden.

(5) Soweit erhobene Daten zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung gehören, sind sie unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

§ 26 - Identifikation vollzugsfremder Personen

(1) Der Justizvollzug kann das Betreten der Anstalten durch vollzugsfremde Personen davon abhängig machen, dass diese zur Identitätsfeststellung

  1. ihren Vornamen, ihren Namen und ihre Anschrift angeben und durch amtliche Ausweise nachweisen und
  2. die Erfassung von eindeutigen Identifikationsmerkmalen dulden, soweit dies erforderlich ist, um eine Verwechslung mit Gefangenen zu verhindern.

(2) Als Identifikationsmerkmale im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 können einzelne der Merkmale erhoben werden, die nach § 19 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 von Gefangenen erhoben werden können. Von Verteidigerinnen, Verteidigern, Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten, Notarinnen und Notaren in Ausübung ihrer Tätigkeit sowie Behördenvertreterinnen und Behördenvertretern dürfen Identifikationsmerkmale nach § 19 Absatz 1 Nummer 1 und 5 nicht erhoben werden.

(3) Die nach Absatz 2 erhobenen Identifikationsmerkmale dürfen ausschließlich verarbeitet werden

  1. zum Zweck des Abgleichs beim Verlassen der Anstalt,
  2. zur Verfolgung von Straftaten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie bei Gelegenheit des Besuchs begangen wurden; in diesem Fall können die Daten auch an Strafverfolgungsbehörden ausschließlich zum Zwecke der Verfolgung dieser Straftaten übermittelt werden, oder
  3. wenn dies in diesem Gesetz ausdrücklich zugelassen ist.

Die nach Absatz 2 erhobenen Identifikationsmerkmale im Sinne des § 19 Absatz 1 Nummer 1 sind unverzüglich nach dem Verlassen der Einrichtung zu löschen, soweit sie nicht nach Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 übermittelt werden können; in diesem Fall sind sie unverzüglich zu übermitteln und danach zu löschen. Im Übrigen sind die nach Absatz 2 erhobenen Identifikationsmerkmale spätestens 24 Stunden nach ihrer Erhebung zu löschen, soweit sie nicht nach Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 3 übermittelt werden können; in diesem Fall sind sie unverzüglich zu übermitteln und danach zu löschen.

§ 27 - Auslesen von Datenspeichern

(1) Elektronische Datenspeicher sowie elektronische Geräte mit Datenspeicher, die Gefangene besitzen, dürfen auf einzelfallbezogene schriftliche Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ausgelesen werden, soweit konkrete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dies zu vollzuglichen Zwecken oder zu den in § 9 Absatz 4 genannten Zwecken erforderlich ist. Die so erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur verarbeitet werden, soweit dies zu den in Satz 1 genannten Zwecken erforderlich ist.

(2) Die nach Absatz 1 erhobenen Daten dürfen nicht weiterverarbeitet werden, soweit sie

  1. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Dritter gehören oder
  2. zum Kernbereich der privaten Lebensgestaltung Gefangener gehören und die weitere Verarbeitung auch unter Berücksichtigung der in Absatz 1 genannten vollzuglichen Interessen an der Verarbeitung sowie der illegalen Speicherung der Daten unzumutbar ist.

Insoweit sind die Daten unverzüglich zu löschen. Die Tatsachen der Erfassung der Daten und deren Löschung sind zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.

(3) Die Gefangenen sind bei der Aufnahme über die Möglichkeit des Auslesens von Datenspeichern zu belehren.

§ 28 - Gefangenenausweise

(1) Gefangene können durch Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters zum sichtbaren Tragen von Ausweisen verpflichtet werden, soweit dies zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist.

(2) Auf den Ausweisen dürfen nur diejenigen personenbezogenen Daten offen sichtbar sein, deren unmittelbare Wahrnehmbarkeit zu vollzuglichen Zwecken erforderlich ist, insbesondere

  1. Vorname und Name,
  2. die Buchungsnummer der Gefangenen,
  3. ein Lichtbild sowie
  4. Kennzeichnungen, aus denen sich Zugehörigkeiten zu Einrichtungen und Betrieben sowie Zutrittsberechtigungen für bestimmte Bereiche der Anstalt ergeben.

(3) Die Ausweise dürfen mit Einrichtungen versehen werden, die die Auslesung mittels Funktechnik im Nahbereich auf eine Distanz von höchstens 30 Zentimetern ermöglichen. Auf diese Weise darf allein ein eindeutiges pseudonymisiertes Merkmal auslesbar sein. Die Auslesung darf in jedem Einzelfall nur unter aktiver Mitwirkung und mit Kenntnis der Gefangenen erfolgen. Die Erstellung von Bewegungsprofilen ist unzulässig.