11/2024-CHARKIW – Städtepartnerschaftsverein berichtet über Hilfsaktionen

6. November 2024: Charkiw-Informationsveranstaltung des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V. im Alten BVV-Saal des Rathauses Zehlendorf (links im Bild, stehend: Vereinsvorsitzender Sebastian Leskien)

6. November 2024: Charkiw-Informationsveranstaltung des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V. im Alten BVV-Saal des Rathauses Zehlendorf (links im Bild, stehend: Vereinsvorsitzender Sebastian Leskien)

Charkiw / November 2024

Der wohl schönste Raum des Rathauses Zehlendorf war genau richtig für eine rundum gelungene Vortragsveranstaltung zur aktuellen Lage in unserer ukrainischen Partnerstadt Charkiw: Am 6. November 2024 lud der Städtepartnerschaftsverein Steglitz-Zehlendorf e.V. zu einem Infoabend in den historischen Alten BVV-Saal ein. Wo sich sonst BVV-Verordnete zu Plenar- oder Ausschusssitzungen versammeln, referierten Olga Pischel und Dr. Uwe Hölling über die Eindrücke, die sie bei einer gemeinsamen Charkiw-Reise im August 2024 gesammelt haben.

6. November 2024: Ukrainisches Liedgut im Alten BVV-Saal des Rathauses Zehlendorf, inbrünstig vorgetragen durch einen Frauenchor

6. November 2024: Ukrainisches Liedgut im Alten BVV-Saal des Rathauses Zehlendorf, inbrünstig vorgetragen durch einen Frauenchor

Zu den anwesenden Vereinsmitgliedern zählten dessen stellvertretende Vorsitzende Gisela Pflug und Rolf Breidenbach, Vorstandsbeisitzerin Rosemarie Menzel und Kassenprüfer Gerhard Harms. Mit BVV-Vorsteher René Rögner-Francke an der Spitze waren auch etliche Verordnete aus den vier Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung der Einladung gefolgt. Das Bezirksamt war durch den Beauftragten für Partnerschaften, Christian Urlaub, vertreten.

Dank dem BVV-Verordneten Michael Zwilling, der gleichzeitig dem Gemeindekirchenrat der evangelischen Markusgemeinde Steglitz angehört, konnte ein ukrainischer Frauenchor für die musikalische Umrahmung gewonnen werden. Mit traditionellen Volksliedern eroberten die in festlicher Folklore gewandeten Sängerinnen auf Anhieb Herz und Ohren des Publikums.

6. November 2024: Olga Pischel und Ehemann Dr. Uwe Hölling auf dem Podium des Alten BVV-Saals

6. November 2024: Olga Pischel und Ehemann Dr. Uwe Hölling auf dem Podium des Alten BVV-Saals

„Wir haben als Verein die Verantwortung, das Leid zu lindern“, setzte Sebastian Leskien den Ton. In seiner Begrüßung dankte der Vereinsvorsitzende seiner Vorstandskollegin Olga Pischel für ihr Engagement. Sie sei „die tragende Säule der humanitären Vereinsarbeit“, hob er hervor. René Rögner-Francke erinnerte an die erfolgreiche Spendenaktion des Vereins, die im Rahmen der „Charkiw-Hilfe“ erfolgt: Der „Spendenfluss aus der Bevölkerung“ habe die BVV motiviert, „die Werbetrommel zu rühren, damit auch die BVV einen Spendenbeitrag leistet“. Aus den Reihen der Verordneten des Bezirksparlaments sei ein Betrag von 3.440 Euro zusammengekommen. Insgesamt hat der Verein bisher sagenhafte 176.524,19 Euro an Spenden eingesammelt, wie auf der Vereinswebseite nachzulesen ist (Stand: 31. Oktober 2024).

6. November 2024: Farbenfrohes ukrainisches Lokalkolorit im Alten BVV-Saal des Rathauses Zehlendorf (in der Bildmitte Olga Pischel, Vorstandsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V.)

6. November 2024: Farbenfrohes ukrainisches Lokalkolorit im Alten BVV-Saal des Rathauses Zehlendorf (in der Bildmitte Olga Pischel, Vorstandsmitglied des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V.)

1990-2024: Rückblick auf eine jahrzehntelange Partnerschaft

Von Beginn an habe die Partnerschaft „im Geiste der Hilfe und Unterstützung“ gestanden, blickte Olga Pischel dankbar auf 34 Jahre zurück. Sehr früh seien die ersten Hilfstransporte angelaufen, damals noch ganz unter dem Eindruck der verheerenden Reaktorkatastrophe von Tschernobyl (1986). In der Folge sei es zu einem regen Kulturaustausch und auch zu Bürgerreisen gekommen. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die benachbarte Ukraine im Februar 2022 haben die Hilfsaktivitäten des Städtepartnerschaftsvereins wieder Fahrt aufgenommen.

Aktivitäten des Städtepartnerschaftsvereins seit der großen Invasion

Unmittelbar nach der großangelegten russischen Invasion 2022 startete der Städtepartnerschaftsverein seine Spendenaktion, die seither nicht zum Erliegen gekommen ist. Olga Pischel fasste in ihrem Vortrag die wichtigsten Hilfsaktionen der letzten Jahre zusammen: die Unterstützung einer Suppenküche seit April 2022; die Lieferung zweier Multifunktions-Räumfahrzeuge im Jahre 2023 (mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ); umfangreiche Prothesenlieferungen für Kriegsversehrte; schließlich die Krankenhausbetten-Lieferaktion Anfang August 2024.

Ausdrücklich dankte Olga Pischel dem im Publikum anwesenden Orthopädietechniker Klaus Dittmer, dessen großherzige Unterstützung bei der Beschaffung von Prothesenteilen zahlreichen Kriegsversehrten trotz aller Einschränkungen zu einem Leben in Würde verhilft.
Die Prothesen kämen seit 2022 dem Charkiwer Zentrum für Prothetik und Rehabilitation zugute, ergänzte Dr. Uwe Hölling. Bundesweit bemühe sich Klaus Dittmer darum, Bestände an Prothesen aufzuspüren. Davon profitierten Tausende von Betroffenen, die z.B. durch Tretminen Gliedmaßen verloren hätten. Vor Ort bestehe ein großer Bedarf. Zahlreiche Soldaten kehrten trotz ihrer traumatischen Erlebnisse zum Militär zurück, um ihre Kameraden zu unterstützen. Wieder andere betrieben Kraftsport oder diverse Ballsportarten.

6. November 2024: Lasst Blumen sprechen: Sebastian Leskien (Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V.) überreicht Rosen an die ukrainischen Chorsängerinnen

6. November 2024: Lasst Blumen sprechen: Sebastian Leskien (Vorsitzender des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V.) überreicht Rosen an die ukrainischen Chorsängerinnen

Dr. Uwe Hölling stellt Kooperationspartner vor

Wer sich ehrenamtlich im Rahmen von Hilfstransporten engagiert, weiß um die Bedeutung verlässlicher Kooperationspartner vor Ort. In seinem Vortrag stellte Dr. Uwe Hölling die wichtigsten Partner vor, mit denen Olga Pischel und der Städtepartnerschaftsverein in Charkiw gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Viele von ihnen hat er während des Charkiw-Aufenthalts (21. bis 23. August 2024) persönlich in Augenschein genommen: das Krankenhaus im Oblast Charkiw, in dem die gelieferten Betten seit August stehen; die Karasin-Universität zu Charkiw, für die der Städtepartnerschaftsverein Gas-Heizgeräte aus Spendenmitteln beschaffen konnte; das Charkiwer Zentrum für Prothetik und Rehabilitation; die sogenannte „Höllenküche“, die sich im März 2022 spontan gegründet hat und seither Bedürftige aus Charkiw und Umgebung mit Backwaren und warmen Mahlzeiten versorgt. Die aus vielen Ländern stammenden und ehrenamtlich kochenden und backenden Helferinnen und Helfer profitieren von regelmäßigen finanziellen Zuwendungen des Vereins.

Virtuelle Stadtrundfahrt in Bildern

Im Rahmen einer virtuellen Stadtrundfahrt erfuhren die anwesenden Vereinsmitglieder und Gäste, dass Charkiw eine multiethnische Stadt mit zahlreichen historischen Bauwerken aus verschiedenen Architekturepochen ist. Zum Schutz der nationalen ukrainischen Identität ist es sehr zentral, für den Erhalt des architektonischen, kulturellen und literarischen Erbes des Landes einzutreten. Es geht darum, Versuche der Russifizierung einzuhegen. Dr. Hölling rief sinnlose Attacken der russischen Aggressoren auf zivile Einrichtungen in Erinnerung: die Zerstörung eines Baumarkts im Stadtteil Saltiwka durch Gleitbomben am 25. Mai 2024, die Zerstörung eines Gymnasiums 2023 im Stadtteil Sokilnyky. Er warnte vor einem „Gewöhnungseffekt“ an Gewaltorgien und nannte die Art der Kriegsführung „menschenverachtend“. Die Ukraine sei „das am stärksten verminte Land der Welt“, sogar Kinderspielplätze würden vermint. Seit Februar 2022 seien 1.000 Menschen durch Minen verletzt worden, 300 davon tödlich. Das Thema Entminung sei eine riesige Herausforderung für die gesamte Ukraine.

Statt „Untergangsstimmung“ herrsche das unbeugsame Streben nach Freiheit, fasste Dr. Uwe Hölling in seinem Fazit zusammen. Er betonte den Durchhaltewillen und die Resilienz der Charkiwer Bevölkerung: Die Freiwilligen setzten sich „selbstlos“ für ihre Mitmenschen ein, die Zivilgesellschaft sei „unglaublich gut vernetzt“. Einschränkend wies er aber auf die „Enttäuschung“ hin, die er mit Blick auf die „Zögerlichkeit“ in den Ländern des Westens bei der Unterstützung der Ukraine wahrgenommen habe.