07/2024-NENTERSHAUSEN – Zu Besuch bei hessischen Freunden

Im Herzen des Richelsdorfer Gebirges: Der 8 km lange "Premiumweg" P 18 führt rund um die Burg Tannenberg, Nentershausen

Im Herzen des Richelsdorfer Gebirges: Der 8 km lange "Premiumweg" P 18 führt rund um die Burg Tannenberg, Nentershausen

Nentershausen / Juli 2024

„Nentershausen – ein schönes Fleckchen Erde, am Fuße der Tannenburg, eine lebens- und liebenswerte Gemeinde“, lässt sich der scheidende Bürgermeister der nordosthessischen Gemeinde, Ralf Hilmes, in einer Informationsbroschüre zur interkommunalen Zusammenarbeit der drei benachbarten Gemeinden Herleshausen, Sontra und Nentershausen zitieren. Wo er Recht hat, hat er Recht, wird jeder freudig zustimmen, der die blitzsaubere, aufgeräumte 2500-Seelen-Kommune im Landkreis Hersfeld-Rotenburg einmal besucht hat.
Am 19. Juli 2024 folgte auch der Partnerschaftsbeauftragte von Steglitz-Zehlendorf, Christian Urlaub, dem verlockenden Ruf nach Nentershausen, das sich idyllisch in eine waldreiche, hügelige Bilderbuchlandschaft einschmiegt.

Historisches Fachwerkgebäude im Herzen von Nentershausen: Das Rathaus

Historisches Fachwerkgebäude im Herzen von Nentershausen: Das Rathaus

Michael Mangold und Joachim Fernau empfingen ihn im historischen Rathaus und luden anschließend zu einer Rundfahrt durch Nentershausen und die nähere Umgebung ein. Im „Erstberuf“ Standesbeamte bei der Gemeinde Nentershausen, ist Michael Mangold gleichzeitig für die Pflege kommunaler Partnerschaften zuständig. Beim „Partnerschaftsverein 2000 Nentershausen e.V.“, gegründet im Milleniums-Jahr, ist er Kassier und damit Herr über die Vereinsschatulle.

Joachim Fernau ist mit Leib und Seele Feuerwehrmann und bei der Freiwilligen Feuerwehr seiner Heimatgemeinde aktiv. Seine zweite Leidenschaft gilt dem Partnerschaftsverein. Als eine Art „wandelndes Lexikon“ verfügt er über hohe Sachkenntnis zur Historie der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Nentershausen und Steglitz, bzw. (seit 2001) Steglitz-Zehlendorf. Weil er oft selbst dabei war, kann er besonders authentisch und glaubwürdig aus seinen Erinnerungen erzählen: über die Jahrzehnte zwischen den 1960er und frühen 1990er Jahren, als Kinder und Jugendliche aus dem Bezirk Steglitz, später auch aus der ukrainischen Partnerstadt Charkiw, ihre Sommerferien im Nentershäuser Ferienlager verbrachten.

Berliner Bär grüßt seine Gäste: Eingangsbereich vor der ehemaligen Ferienanlage des Bezirks Steglitz für Kinder und Jugendliche, Nentershausen

Berliner Bär grüßt seine Gäste: Eingangsbereich vor der ehemaligen Ferienanlage des Bezirks Steglitz für Kinder und Jugendliche, Nentershausen

Ehemalige Freizeitstätte des Bezirksamtes Steglitz

Etwas in die Jahre gekommen ist das Schild, das nach wie vor neben dem Eingang zum Verwaltungsgebäude einer ehemaligen Jugendfreizeitstätte hängt und die Erinnerung an längst vergangene Zeiten wachhält: „Freizeitstätte des Bezirksamtes Steglitz von Berlin“ steht darauf, ergänzt durch die zuständige Abteilung „Jugend und Sport“. Das Gelände wurde seinerzeit von der Gemeinde Nentershausen zur Verfügung gestellt, das Bezirksamt Steglitz baute die Ferienanlage mit ihrem Ensemble an Blockhäusern. In relativer Abgeschiedenheit und Naturnähe konnten sich Kinder und Jugendliche aus Steglitz prächtig erholen. Im unmittelbar benachbarten Freischwimmbad ließ es sich schon damals nach Herzenslust entspannen. Straffällig gewordene bzw. schwer erziehbare Jugendliche konnten resozialisiert werden. Obwohl immer noch ein überlebensgroßer Berliner Bär den Eingang zur einstigen Freizeitstätte „bewacht“, hat die Anlage ihre ursprüngliche Funktion längst verloren.

Das alte Schild des früheren Bezirksamtes Steglitz hängt noch: Verwaltungsgebäude der ehemaligen Kinder- und Jugendfreizeitstätte in Nentershausen

Das alte Schild des früheren Bezirksamtes Steglitz hängt noch: Verwaltungsgebäude der ehemaligen Kinder- und Jugendfreizeitstätte in Nentershausen

Die Verschickung der Kinder und Jugendlichen zu Erholungs- und Resozialisierungszwecken bildete einst den Kern der kommunalen Freundschaft zwischen Nentershausen und dem früheren Bezirk Steglitz. Nachdem zu Beginn ein Campingplatz errichtet wurde, kamen Anfang der 1980er Jahre im Rahmen eines Suchtprophylaxe-Projekts zwei große Blockhäuser hinzu. 1986/87 wurden schließlich drei winterfeste Unterkunftshütten mit 30 Schlafplätzen erbaut, die einen Ganzjahresbetrieb ermöglichten.

Der „Steglitzer Platz“ und die „Zehlendorfer Straße“, beide an einem Schwanenteich gelegen, sorgen dafür, dass die Partnerschaft nicht in Vergessenheit gerät. Geographisch nicht weit von der ehemaligen deutsch-deutschen Zonengrenze entfernt, war Nentershausen einst „einer der schönsten Vororte von Berlin“ … Wer’s nicht glaubt, kann’s auf der Webseite der Gemeinde Nentershausen nachlesen.

Ein bisschen verwaschen: Das Platzschild "Steglitzer Platz" in Nentershausen, direkt am Schwanenteich

Ein bisschen verwaschen: Das Platzschild "Steglitzer Platz" in Nentershausen, direkt am Schwanenteich

Nicht schneller als 50: Unterwegs auf der Zehlendorfer Straße in Nentershausen

Nicht schneller als 50: Unterwegs auf der Zehlendorfer Straße in Nentershausen

Zu Ehren eines Bundesverdienstkreuzträgers: Nachgebildeter Stolleneingang und Standbild von Franz Brandl aus Nentershausen (1926-2008)

Zu Ehren eines Bundesverdienstkreuzträgers: Nachgebildeter Stolleneingang und Standbild von Franz Brandl aus Nentershausen (1926-2008)

Glück Auf: Nentershausen ist ehemaliges Bergbaudorf

Ein ehrendes Andenken bewahrt die Gemeinde Nentershausen einem ihrer bekanntesten Söhne: dem Bergmann Franz Brandl (1926-2008). Aus dem Sudetenland vertrieben und aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, rettete er bei einem Grubenunglück am 26. November 1950 in etwa 300 Metern Tiefe zwei Kollegen bei einem Wassereinbruch das Leben. Auf Vorschlag des hessischen Ministerpräsidenten verlieh ihm Bundespräsident Theodor Heuss (1949-1959) am 19. September 1951 das Bundesverdienstkreuz. Damit war er der erste Wohltäter überhaupt, der diese Auszeichnung in der jungen Bundesrepublik erhalten hat. Die Gemeinde Nentershausen hat auf einer Grünfläche einen Gedenkort errichtet, der an die Heldentat erinnert: Neben der Nachbildung eines Stolleneingangs steht eine Holzfigur mit einer Grubenlampe in der Hand, die Franz Brandl darstellen soll. Vor dem Eingang ist ein beladener Grubenwagen aufgestellt, der eine Aufschrift mit dem traditionellen Bergmannsgruß „Glück Auf“ trägt.

Im Alter von 81 Jahren ist Franz Brandl am 25. Januar 2008 in Nentershausen verstorben.

Seit 1460 ist in Nentershausen der Bergbau nachgewiesen: bis 1955 wurde Kupferschiefer abgebaut, ab 1869 bis 1967 Schwerspat. Im Richelsdorfer Gebirge gab es außerdem Vorkommen von Kobalt und Nickel. In Nentershausen ist noch ein originalgetreuer Stolleneingang erhalten. Mehrere zu einem Zug verbundene Förderwagen stehen vor dem Eingangsbereich, an der Spitze eine kleine Lok. Die gekreuzten Werkzeuge des Bergbaus, Hammer und Schlägel, haben Eingang in das Gemeindewappen von Nentershausen gefunden.

Gutes Schuhwerk erforderlich: Startpunkt des 8 km langen Rundwander-Premiumwegs Tannenburg (P 18), Nentershausen

Gutes Schuhwerk erforderlich: Startpunkt des 8 km langen Rundwander-Premiumwegs Tannenburg (P 18), Nentershausen

Sehenswertes in und um Nentershausen

Hoch über dem Ort Nentershausen thront die Burg Tannenberg. Im 14. Jahrhundert errichtet und von der Reichsabtei Hersfeld dem Rittergeschlecht von Baumbach zu Lehen gegeben, ist sie heute das Wahrzeichen der Gemeinde. Wer gut zu Fuß ist, kann die Burg im Rahmen einer über 8 km führenden Wanderung großräumig umrunden. Der „Premiumweg P 18“ startet am Wanderparkplatz „Schweinerevier“ und gestattet immer wieder phantastische Blicke auf das mittelalterliche Bauwerk. Alljährlich findet auf der Tannenburg ein großes Burgfest statt, das Neugierige aus Nah und Fern anzieht.

Hoch über Nentershausen gelegen: Die über 700 Jahre alte Burg Tannenberg

Hoch über Nentershausen gelegen: Die über 700 Jahre alte Burg Tannenberg

Barockes Schmuckstück des Ortes: Evangelische Kirche Nentershausen

Barockes Schmuckstück des Ortes: Evangelische Kirche Nentershausen

Nach einer umfangreichen Innensanierung erstrahlt die evangelische Kirche von Nentershausen seit kurzem in neuem Glanz. Beeindruckend ist die prächtig ausgemalte Holztonnendecke der in den Jahren 1696 bis 1706 barockisierten, ursprünglich im Stil der Gotik erbauten Kirche. Kunsthistorisch wird das Gotteshaus dem „osthessischen Bauernbarock“ zugeordnet. Wikipedia zufolge gilt die Nentershäuser Kirche als „eine der bedeutenden Bauten protestantischer Kirchenbaukunst im niederhessischen Gebiet“.

Barockes Schmuckstück des Ortes: Evangelische Kirche Nentershausen

Barockes Schmuckstück des Ortes: Evangelische Kirche Nentershausen

Architektonisch ist Nentershausen von regionstypischem Fachwerk geprägt. Ein hervorragendes Beispiel ist das Rathaus, Sitz des Bürgermeisters und der Gemeindeverwaltung.

Partnerschaftsbeauftragter Christian Urlaub vor dem Kurhaus in Bad Hersfeld, Kreisstadt des Kreises Hersfeld-Rotenburg, zu dem Nentershausen gehört

Partnerschaftsbeauftragter Christian Urlaub vor dem Kurhaus in Bad Hersfeld, Kreisstadt des Kreises Hersfeld-Rotenburg, zu dem Nentershausen gehört

Wie geht’s weiter? – Ein Ausblick

Beim Gespräch im Rathaus wurde sehr schnell deutlich, was sich beide Seiten von der Zukunft der kommunalen Partnerschaft versprechen: dass man an gute alte Zeiten anknüpft und den gegenseitigen Austausch wieder ankurbelt, etwa im Bereich Kultur. Außerdem überbrachte Christian Urlaub herzliche Grüße von Bezirksbürgermeisterin Maren Schellenberg an ihren Amtskollegen.

395 km bis Steglitz-Zehlendorf: Tafel auf dem Marktplatz von Nentershausen

395 km bis Steglitz-Zehlendorf: Tafel auf dem Marktplatz von Nentershausen

Dereit fiebert Nentershausen der Bürgermeisterwahl vom 1. September 2024 entgegen. Nach 18 Jahren im Amt tritt der amtierende Rathauschef Ralf Hilmes nicht wieder an. Als Gast des Städtepartnerschaftsvereins Steglitz-Zehlendorf e.V. hatte er sich zuletzt im September 2022 in Steglitz-Zehlendorf aufgehalten. Anlass waren die Feierlichkeiten zum 35. Vereinsjubiläum (1987-2022).

Fünf Kandidaten und eine Kandidatin bewerben sich um seine Nachfolge. Die spannende Frage wird sein, ob es bei der Vielzahl an Kandidaten einer Stichwahl bedarf. Für Steglitz-Zehlendorf wird interessant sein, welche Bedeutung der künftige Amtsinhaber bzw. die künftige Amtsinhaberin dem Thema Städtepartnerschaften beimisst.

Mit großen Schritten naht das 60. Partnerschaftsjubiläum, das im Jahre 2026 begangen wird. Nachdem erste Kontakte zwischen Nentershausen und dem Altbezirk Steglitz bereits 1965 geknüpft worden waren, folgte die offizielle Beurkundung im Jahre 1966. Heinz Hoefer (1965-1971) war damals als Steglitzer Bezirksbürgermeister im Amt.

Nentershäuser Platz in Zehlendorf

Nentershäuser Platz in Zehlendorf