Nächster Halt Kulturbahnhof – seit 1985 Bürgertreffpunkt Lichterfelde West

Irgendwo in Berlin soll es angeblich eine Kulturbrauerei geben. Einen „Kulturbahnhof“ hingegen sucht man vergeblich – außer in Steglitz-Zehlendorf. An der S-Bahn-Trasse der Linie 1 in Richtung Wannsee gelegen, beherbergt der historische Bahnhof Lichterfelde West seit Juli 1985 eine Senioren-Freizeiteinrichtung. Ein Jahrzehnt früher, im Jahre 1975, hatten sich Lichterfelder Bürgerinnen und Bürger in einem „Bahnhofsverein“ zusammengefunden, um mit Unterstützung einer Bürgerinitiative ein Begegnungszentrum ins Leben zu rufen.
Nachdem der Weiterbetrieb des vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf angemieteten Objekts als Seniorenfreizeitstätte vorübergehend auf Messers Schneide stand, hat der Senat grünes Licht gegeben. Bezirk und Eigentümer haben einen Mietvertrag für weitere zehn Jahre abgeschlossen, was Anfang Juli 2022 mit einem spontanen Freudenfest, Livemusik und in die Luft gereckten *„Hurra-Danke“*-Bannern der Bahnhofs-Fangemeinde ausgiebig gefeiert wurde. Die Erfolgsgeschichte des Hauses mit seinem generationsübergreifenden Konzept kann also weitergeschrieben werden.

Bahnhof Lichterfelde West 1

Vom Konditor zum „Bahnhofsvorsteher“: Vorstellung des Hausleiters

In der ersten Etage des Gebäudes befand sich einst die Wohnung des Bahnhofsvorstehers und seiner Familie. Heute hat der „Bahnhofsvorsteher“ sein Büro im Erdgeschoss des Bürgertreffpunkts. Zumindest steht das an der Tür von Andreas Ohrt, seit März 2011 Leiter der Seniorenfreizeitstätte. Eine Trillerpfeife führt er nicht im Munde, und auf dem Kopf trägt er keine Schirmmütze – „seinen“ Bürgertreffpunkt hat er trotzdem gut im Griff.* Das ist in erster Linie den aktuell 16 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern zu verdanken: sie halten das Haus am Laufen und bürgen für dessen Gastlichkeit.* Ganz stolz ist Andreas Ohrt auf die drei Neuzugänge, die seit August 2020 hinzugekommen sind.
Viele berufliche Zwischenstationen und Umwege haben ihn, den gelernten Konditormeister und Altenpfleger, an sein Wunschziel geführt: den Bahnhof Lichterfelde West. „Ich habe mich gerne auf neue Berufssituationen eingelassen“, fasst er sein Prinzip zusammen. Auf die Backstube folgte das Fließband der Süßwarenindustrie, wo er Schokoriegel und Zuckerdragees herstellte. Das praktische Examen im Rahmen seiner Ausbildung zum Altenpfleger absolvierte er im „Kommunikationszentrum am Ostpreußendamm“. In Lichterfelde West war er am Ziel und konnte aus seinem bisherigen Leben aus-, und in ein neues Leben im quirligen Bahnhof einsteigen. Wer sich mit ihm unterhält, merkt sehr schnell: Andreas Ohrt, gebürtiger Hamburger und aufgewachsen in Berlin, ist im besten Sinne des Wortes angekommen.

Bahnhof Lichterfelde West 2

Bühne frei im „Kulturbahnhof“

Was ist das, ein „Kulturbahnhof“? Zunächst fällt einem keine vergleichbare Einrichtung ein. Wer die Gedanken schweifen lässt, bleibt vielleicht bei „Bio’s Bahnhof“ hängen, die von* Alfred Biolek* zwischen 1978 und 1982 in einem ehemaligen Eisenbahndepot präsentierte WDR-Musikshow. In Lichterfelde West ist es kein lebloses Depot, sondern ein lebendiger Bahnhof, in dem täglich Hunderte Menschen ankommen und abfahren – verkehrstechnisch eine der Hauptschlagadern zwischen Steglitz und Zehlendorf, Lichterfelde und Wannsee.
Dass der Bahnhof durch ein attraktives Kulturprogramm bereichert wird, ist dem segensreichen Wirken des im Oktober 2003 gegründeten „Fördervereins Bürgertreffpunkt Bahnhof Lichterfelde West e.V.“ (https://www.lichterfelde-west.net/) zu verdanken. „Der Verein trägt zur Erhaltung und Modernisierung des Bürgertreffpunkts und zur Weiterentwicklung des abwechslungsreichen Kulturangebots bei“, heißt es in einer Festschrift, die anlässlich des 140. Bahnhofsgeburtstags im Jahre 2012 herausgegeben wurde. „Das Verhältnis zum Förderverein ist definitiv sehr harmonisch“, schwärmt Andreas Ohrt. Der Verein zählt aktuell rund 90 Mitglieder. Dienstags trifft sich der Vorstand, mittwochs ist Veranstaltungstag. „Wenn ich den Förderverein anrufe und um Unterstützung bitte, sind sie sofort da“, bringt Ohrt seine Wertschätzung des seit Januar 2012 von Diplom-Geograph Harald Hensel geleiteten Vereins auf den Punkt.
Ein Kulturbahnhof ist ein Ort, in dem Kunst und Kultur zuhause sind. Bei den Planungen orientiert sich Andreas Ohrt gerne an musikalischen Jubiläen – in enger Abstimmung mit dem Förderverein: 2019 stand der 200. Geburtstag des Komponisten Jacques Offenbach (1819-1880) auf dem Spielplan, 2020 der „König der Wiener Operette“, Franz Lehár (1870-1948), dessen Geburtstag sich zum 150. Mal jährte. Eine durch und durch ehrliche „Mucke“ liefern die „Dixties aus dem Bahnhof“ mit ihrem Dixieland-Jazz ab: Trompete, Klarinette und weitere Instrumente kommen zum Einsatz, wann immer die „hauseigene“ Combo zu Konzerten einlädt. Ihre regelmäßigen Proben hält sie in den Räumen der Freizeitstätte ab, gehört damit also fast schon zum Inventar.
Aus der großen Vielfalt des musikalischen Angebots ragt der „Gofenberg-Chor“ heraus: Ursprünglich ins Leben gerufen und geleitet von* Josif Gofenberg (1949-2022)*, ukrainisch-deutscher Akkordeonist, Dozent jüdischer Musik und Träger des Bundesverdienstkreuzes (2020), tritt der Chor heute unter neuer Leitung auf. In unnachahmlicher Weise interpretiert das von Konstantin Nazarov dirigierte Vokalensem*ble die melancholischen Klänge der* jiddisch-hebräischen Klezmer-Tradition.
Was gibt es darüber hinaus auf die Ohren? „Bahnhofsserenaden“ stehen ebenso auf dem Programm wie „Swing, Charme und Trompeten“, italienische Schlagergranaten, argentinische Tangoklänge, unvergessliche Evergreens der Wirtschaftswunderzeit. Hinzu kommt die unvergleichliche Windjammer-Romantik des Shanty-Gesangs, erklingt das „sexy Saxophon“, lässt ein besonders „bissiges Musikkabarett“ aufhorchen. Für den nötigen Kontrast sorgen ein „heiterer Operettenreigen“, schwungvolle Walzerklänge oder gefühlvoll vorgetragene französische Chansons. Kurzum: Fast kein musikalisches Genre wird ausgelassen, alle kommen auf ihre Kosten.
Gern arbeitet Andreas Ohrt mit der von Gisela M. Gulu geleiteten musikalisch-literarischen Künstlergruppe „Kalliope“ zusammen (http://www.kalliope-team.de/). Die frühere Rundfunk- und Printjournalistin begründete ihr Team im Jahre 2004 – „aus Liebe zur Literatur“, wie es auf der Internetseite heißt. Als künstlerischer Kopf führt sie „immer wieder charmant und kenntnisreich zu spannenden Entdeckungsreisen in literarische Lebenswelten“.
Großen Anklang genießen die vom Förderverein organisierten „Kulturbusfahrten“, die nach überwundener Pandemie wiederaufgenommen werden. Kultur pur gibt es auch am 19. Juli 2023, wenn ein vom Förderverein gechartertes Schiff in See sticht: Bei einer fröhlichen Dampferfahrt wird auf dem Wannsee nicht nur „Seemannsgarn“ gesponnen, sondern zu flotter Dixieland-Musik getanzt. Ein sommerlicher Höhepunkt der besonderen Art!
Wo getrommelt wird, fallen zumindest keine Späne: Seit 17. Januar 2023 werden auf der sogenannten „Djembe“ westafrikanische Rhythmen erzeugt. Das Trommeln lässt „gestaute Energien wieder fließen“ und stärkt das Herz – davon zeigt sich die Kursleiterin der neuen Perkussion-Gruppe überzeugt. Ohne selbst Teil des offiziellen Kulturprogramms im Bürgertreffpunkt zu sein, trägt das neue Gruppenangebot doch zur kulturellen Belebung des Hauses bei.
Ergänzt wird das kulturelle Angebot des Bürgertreffpunkts durch Dichterlesungen oder – ein Geheimtipp – exotische Erlebnisberichte des Weltreisenden Hans Neumann.
Es gibt eine Menge im Kulturbahnhof zu entdecken. Der halbjährlich erscheinende Veranstaltungskalender liegt u.a. an den Pförtnerlogen der Rathäuser Steglitz, Zehlendorf und Lankwitz, in den Bürgerämtern, sowie in kulturellen Einrichtungen zur kostenlosen Mitnahme aus.

Bahnhof Lichterfelde West 3

Vorzeigeobjekt im Herzen der Villenkolonie – Zur Historie des Bahnhofs

Ein Traditionsbahnhof atmet Geschichte. Das ist in Lichterfelde West nicht anders. Weithin sichtbar prangt der Bahnhofsname in altdeutschen Lettern an der Schaufassade: Berlin – Lichterfelde West. Das 1872 fertiggestellte und denkmalgeschützte Gebäude wurde 2022 stolze 150 Jahre alt. Der im Stile einer toskanischen Belvedere-Villa mit repräsentativem Uhren- und Aussichtsturm errichtete Backsteinbau hat viele illustre Gäste und Nutzer kommen und gehen sehen: Wenige Jahre nach der Eingemeindung Groß-Lichterfeldes nach Groß-Berlin erhielt der Bahnhof 1925 seinen jetzigen Namen. Er war Herzstück der Villenkolonie Lichterfelde, die eng mit dem privaten Stadtentwickler Johann Wilhelm Anton von Carstenn-Lichterfelde (1822-1896) verbunden ist.
In einer Zeit, in der das neuartige „Dampfross“ den Menschen noch Angst einjagte, erkannte er die Chancen des Eisenbahnzeitalters für eine moderne Verkehrsinfrastruktur und nachhaltige Stadtentwicklung. Die Elektrifizierung der Wannseebahn war 1933 abgeschlossen. Nach dem Kriege war die DDR-Reichsbahn Hausherrin des Bahnhofs, bis zur Übernahme der Westberliner S-Bahn durch die BVG 1984. Parallel wurde der Bahnhof bis zum Abzug der alliierten US-Truppen 1994 als amerikanischer Militärbahnhof („RTO – Railway Transportation Office“) genutzt. Im Juli 1965 wütete ein Brand im linken Flügel des Empfangsgebäudes, der zum Glück unter Kontrolle gebracht werden konnte. 2005 wurde das Gebäude schließlich an einen privaten Investor verkauft.
Heute teilt sich der Bürgertreffpunkt den Bahnhof u.a. mit einem Blumenladen, der mit seiner üppigen Blütenpracht den Weg zum Eingang der Seniorenfreizeitstätte aufhübscht. In nicht allzu ferner Zukunft wird der geschichtsträchtige Bahnhof wohl eine Aufwertung im Regional- und Fernverkehr erleben: Die Trassen der historischen „Stammbahn“ zwischen Potsdam und Berlin werden neu verlegt. Damit knüpfen die Planer an die bedeutsame Rolle an, die Lichterfelde West einst bei der Anbindung der beiden Regierungszentren im Königreich Preußen spielte. Nostalgische Erinnerungen werden wach an 1838, als die erste Eisenbahnstrecke Preußens ihren Betrieb aufnahm. Wo heute der repräsentative große Saal des Bürgertreffpunkts zu Veranstaltungen einlädt, war früher ein Wartesaal für Fahrgäste der dritten und vierten Wagenklasse, später dann eine Bahnhofsgaststätte untergebracht. Die frühere Wohnung des Bahnhofsvorstehers in der ersten Etage des Gebäudes ist nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich.

Bahnhof Lichterfelde West 4

„Mit Volldampf voraus“ – Ein Bahnhof wird 150 (1872-1922)

„Mit Volldampf voraus“ könnte das Motto für die Zukunft des Bürgertreffpunkts lauten. Zumindest war es das inoffizielle Motto des Bahnhofsgeburtstags, der am 9. Oktober 2022 – mit großem Bahnhof – gefeiert wurde. Gleich zwei historische Sonderzüge, angetrieben von einer Dampflok, machten sich an diesem Tag auf den Weg, um die wunderschöne Landschaft beiderseits der Trasse der traditionsreichen Wannseebahn zu erkunden. Die Idee, angesichts des Jubiläums einen Nostalgiezug zu chartern, ging auf den Förderverein zurück.
Digital war an diesem denkwürdigen Sonntag nichts. Nicht einmal das Arbeitsmaterial des Schaffners, der mit einer herrlich altmodischen Kontrollzange hantierte und Löcher in ebenso herrlich analoge Fahrkarten stanzte. Begleitet wurde der Bahnhofsgeburtstag von einer reich bebilderten und informativen Jubiläumsausstellung, die 150 Jahre Geschichte Revue passieren ließ. Ein ausführlicher Bericht über die Jubiläumsfeierlichkeiten ist hier nachzulesen:

Ganz neu: Willkommen in Westflügel und Kaffeegarten

Vorbehaltlich der Erteilung der Baugenehmigung durch das Bauamt wird der verwaiste Westflügel des Bahnhofs aufwändig saniert. Die neuen Räumlichkeiten werden in den „alten“ Bürgertreffpunkt integriert. Es entstehen zwei zusätzlich nutzbare Gruppenräume und eine kleine Küche. Die Planungen sehen einen Durchbruch zum großen Saal, dem Herzstück der schon bisher genutzten Räumlichkeiten, vor. Jahrelang stand der Westflügel leer, in dem früher die für die Abwicklung des Güterverkehrs zuständigen Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Bahn untergebracht waren.
Ein höchst willkommener Nebeneffekt ist, dass Anmietung und Sanierung des Westflügels in der Zukunft dafür sorgen, den Bürgertreffpunkt lückenlos barrierefrei zu machen. Kernstück ist der Einbau einer Rampe, die den barrierefreien Zugang ermöglicht. Außerdem wird es einen barrierefreien Sanitärbereich geben.
Schon jetzt werden die neuen Räumlichkeiten gerne und dankbar genutzt, etwa von einer neu ins Leben gerufenen Tischtennis-Spielgruppe. Sie findet dort ausreichend Platz, um ihrem Hobby zu frönen. Die Idee zur Anschaffung einer Tischtennisplatte stammt vom Förderverein, der auch die Finanzierung übernommen hat. Freitags hält die Kunst in den neuen Räumen Einzug, wenn sich eine Aquarell-Malgruppe mit ihrer geballten Kreativität versammelt. In jedem Fall ist der Raum ein ideales Ausweichquartier.
Genutzt werden können nicht nur die Innenräume des Westflügels. Zusätzlich ist es gelungen, den hofähnlichen Außenbereich zwischen Bahnhofsgebäude und Bahngleisen anzumieten. Grundidee des Fördervereins war die Einrichtung eines gemütlichen „Kaffeegartens“, in dem diverse Freiluftveranstaltungen stattfinden können. In der warmen Jahreszeit gut bewährt hat sich der” „Hausfrauentrödel im Gartencafé“(“Hausfrauentrödel im Gartencafe), bei dem auf der Sonnenterrasse regelmäßig kleine Schätze aus privatem Fundus angeboten werden

Bürgertreffpunkt lebt Begegnung der Generationen

Schon den Gründern des Bürgertreffpunkts war es wichtig, eine Einrichtung zu schaffen, in der die verschiedenen Generationen einander begegnen. Nichts Anderes hat Andreas Ohrt im Sinn, wenn er die Zusammenarbeit mit einer benachbarten Schule sucht und die von einer pensionierten Lehrerin geleitete Kindertheatergruppe auftreten lässt. Nicht nur die Großeltern wollen nämlich ihre Enkel in Aktion auf der Bühne erleben, sondern auch die Eltern. Bei solchen Anlässen verwandeln Oma, Opa, Mama und Papa den Bürgertreffpunkt schnurstracks in ein Mehrgenerationenhaus. Zwar ist und bleibt der Bahnhof in erster Linie ein Treffpunkt der älteren Generation, Jüngere sind aber in keiner Weise ausgeschlossen.
Damit nicht genug: Seit 3. Oktober 2022 lädt Schauspieler und Geschichtenerzähler André Rauscher mit seinem „Theater Lichterfelde – Das Kindertheater“ (http://www.theater-lichterfelde.de/; https://www.andre-rauscher.de/) jeden ersten Montag des Monats zu einer Vorstellung in den Bürgertreffpunkt ein. Angesprochen sind speziell Kinder im Kita-Alter zwischen drei und sechs Jahren. Wie es sich für eine Freizeitstätte der intergenerationellen Begegnung gehört, dürfen Oma, Opa, Mama und Papa auch dabei sein. Anmeldungen nimmt der Förderverein unter Tel. 0160/560 1877 entgegen.
Erwähnung verdient auch das Kursangebot „Italienisch mit Senioren“: Der von italienischen Muttersprachlern durchgeführte Sprachkurs richtet sich in erster Linie an Kinder, die hier aufgewachsen sind und den Kontakt zu ihrer Muttersprache nicht verlieren sollen. Unterstützt und finanziert wird dieses Format über die Kulturförderung der Italienischen Republik. Wenn die Kinder Italienisch parlieren, mischen sich Seniorinnen und Senioren unters Auditorium und schenken den „Bambini“ beim Einüben dieses außergewöhnlich klangvollen Idioms ihr Gehör.
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Wider die Wegwerfgesellschaft: Das „Repair-Café“

Reparieren statt wegwerfen – das ist das Ziel einer Freiwilligeninitiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, Geräte des Alltags, wie z.B. Heimelektrik, Spielzeug oder sonstige liebgewonnene Gebrauchsgegenstände wieder instand zu setzen. Dabei werden die Besitzer dieser Objekte in die Reparaturarbeiten gleichberechtigt eingebunden und erhalten wertvolle Tipps von Expertenseite. „Die Gruppe ist im Sinne der Abfallvermeidung tätig und passt sehr gut in ein Haus der Begegnung“, schreibt Andreas Ohrt 2019 in einem Beitrag für den „Wegweiser durch den Bezirk“, der alljährlich vom Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf herausgegeben wird. „Bei Kaffee und Kuchen wird (…) gemeinsam geleimt, geschraubt und gelötet“, macht ein Werbefaltblatt des Repair-Cafés Appetit auf die Nutzung dieses außergewöhnlichen Angebots. Kosten entstehen dabei keine. Treffpunkt ist einmal monatlich, immer am zweiten Montag zwischen 18:00 und 21:00 Uhr. Anmeldungen werden erbeten unter Tel. 0157-816 94 634. Nähere Informationen: https://www.bastler-beutel.de/RC.htm; E-Mail: repaircafe@bastler-beutel.de . „Es ist wunderbar zu sehen, wie glücklich die Leute nach Hause gehen“, zeigt sich Andreas Ohrt über das Projekt begeistert.
Am 10. Oktober 2022 konnten die ehrenamtlichen Reparateure ihre eintausendste Besucherin willkommen heißen. Die überraschte Dame kam mit einer defekten Kaffeemaschine in den Bahnhof, blieb eine gute halbe Stunde und ging als glückliche Jubilarin und mit einem funktionstüchtigen Gerät wieder nach Hause. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit großgeschrieben wird, erfreut sich das Repair-Café extrem großer Beliebtheit. Die Wartelisten sind mittlerweile recht lang und Bürgerinnen und Bürger, die einen Termin vereinbaren möchten, müssen Geduld mitbringen.

Bahnhof Lichterfelde West 5

Als Jahreshöhepunkt unumstritten: Das Sommerfest

Es ist Jahreshöhepunkt und Pflichttermin für Eisenbahn-Nostalgiker: das alljährlich im Juni stattfindende Sommerfest. Regelmäßig zum Fest lässt die „AG Märkische Kleinbahn e.V.“ ihre Museumsfahrzeuge mitsamt Diesellok auf der Strecke zwischen Rathaus Steglitz und Lichterfelde West hin und her pendeln.
Es geht beim Sommerfest darum, die Seniorenarbeit für die Generation „55 plus“ im Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit zu verankern. Alle Gruppen, die unter dem Dach des Bürgertreffpunkts ihre Aktivitäten ausüben, werden vom Förderverein eingeladen und bekommen ihren eigenen Tisch zugewiesen. Eingebettet wird das Sommerfest in die Aktion „Kunst im Kiez“, die sich über einen ganzen Monat erstreckt und die gesamte Nachbarschaft einbindet. Viele Geschäfte im Kiez sind als Sponsoren beteiligt und/oder stellen ihre Schaufenster für die Ausstellung von Gemälden oder anderen Kunstobjekten zur Verfügung. Die Kunstwerke werden u.a. von den im Bürgertreffpunkt angesiedelten Malgruppen beigesteuert, aber auch von förderungswürdigen Künstlerinnen und Künstlern im Kiez. Geschäftsleute und Künstler treffen sich vorab im großen Saal und tauschen sich über den genauen Ablauf des Kunstspektakels aus. Während des Sommerfestes drängt es alle ins Freie. Draußen vor dem Bahnhofsgebäude werden Biertische aufgeklappt, es erklingt Livemusik. Für den Aufbau von Bühne und Mischpult sorgt der Förderverein.
*Kurzum: Das Sommerfest ist aus dem Veranstaltungskalender im Kiez nicht mehr wegzudenken. *

Oktoberfest im Bahnhof

Damit das seit 2017 regelmäßig durchgeführte Oktoberfest auch möglichst authentisch wirkt, setzen Hausleiter Ohrt und Fördervereinsvorsitzender Hensel auf die fachliche Expertise des in Lichterfelde beheimateten Vereins der Bayern in Berlin mit seinem Vorsitzenden Helmut Amberger. Vielleicht inspiriert vom benachbarten bayerischen Biergartenbetrieb, sorgt man für originalgetreue Ausstattung. Dass Bier vom Fass in Strömen fließt, ist selbstverständlich. Alljährlich kündigt das Hausprogramm ein fröhliches „‘Ozapft is‘ in Bierzeltatmosphäre“ an. Aus seiner Liebe zu Bayern macht Andreas Ohrt trotz seines unüberhörbaren Berliner Dialekts keinen Hehl: Traditionell lädt er jedes Jahr während der „Grünen Woche“ im Rahmen eines „Bayerischen Nachmittags“ zu Blasmusik und einer zünftigen Brotzeit ein. „Wenn die Buam und Madl auf der Grünen Woche fertig sind, kommen sie nach Lichterfelde“, scherzt Ohrt. Der Kontakt zum Verein der Exil-Bayern trägt erkennbar Früchte.

Ein buntes Potpourri an Ideen

Gefragt nach seinen Ideen für die Zukunft des Kulturbahnhofs, sprudelt es aus Andreas Ohrt heraus:
„Männer kriegen sie nur über den Fußball“, zeigt er sich überzeugt, mit welcher Methode der Anteil männlicher Gäste zu erhöhen sei. Selbst leidenschaftlicher Freizeitfußballer, weiß Ohrt, wie Männer oft ticken. Deshalb träumt er davon, eine Art Stammtisch einzurichten, wo man(n) sich zusammen Spiele ansieht, über das Spielgeschehen auf dem grünen Rasen debattiert, kenntnisreich über Abseitsregeln oder elfmeterreife Szenen fachsimpelt. Neben Fußball sind bei den Herren der Schöpfung Kartenspiele wie Bridge, Skat und Doppelkopf sehr populär. Hinzu kommen Darts und die Mutter aller Denksportarten – das berühmte Brettspiel mit Springern, Damen, Königen, Türmen und Bauern, wo sich zwei Auguren hochkonzentriert gegenübersitzen und dem „Schachmatt“ des Gegners entgegenfiebern.
Von den Bayern mit ihren kulturellen und kulinarischen Besonderheiten war schon die Rede. Ergänzend schwebt Andreas Ohrt ein Veranstaltungsformat vor, in dem alle Bundesländer und Regionen Gelegenheit haben, sich mit ihren Eigenarten und Köstlichkeiten zu präsentieren. Hierzu würde er gern die in der Hauptstadt ansässigen Landesvertretungen ansprechen und die Bandbreite der sehr unterschiedlichen Länder abbilden.

Bahnhof Lichterfelde West 6

Ausblick und Fazit

Der Bürgertreffpunkt im Bahnhof Lichterfelde West ist besonders gut an das Verkehrsnetz angebunden. Im Zusammenspiel mit den Mitgliedern des Fördervereins und seinem Team hofft Andreas Ohrt, dass der „Kulturbahnhof“ auch in Zukunft ein attraktiver Treffpunkt mit einem spannenden Programm bleibt. Gerade in Corona-Zeiten hat sich gezeigt, wie sehr sich Menschen nach Kultur und Begegnung sehnen. Kultur ist das Salz in der Suppe des Lebens und berührt den Menschen in seinem Innersten.
Ohne engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ehrenamt wird das nicht funktionieren. Deshalb ist der Bürgertreffpunkt darauf angewiesen, weitere Damen und Herren zur Übernahme ehrenamtlicher Dienste zu gewinnen. Alle die gerne mit anpacken und Teil des gastfreundlichen Hauses werden möchten, sind herzlich eingeladen, sich beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, Frau Weidner, Tel.: 030/90299-2843, E-Mail: soz.ehrenamt@ba-sz.berlin.de , zu melden. Eingesetzt werden die Interessenten im Zwei-Schichten-System, jeweils für vier Stunden, überwiegend im gastronomischen Bereich.

Damit es auch morgen und übermorgen noch heißt: Fahrt frei und Bühne frei für den Kulturbahnhof im Herzen von Lichterfelde!