Treffpunkt: Wilmersdorfer Straße 141/ vor der Toreinfahrt
Länge : ca. 1,8 km
197. Kiezspaziergang
Von der Wilmersdorfer Str. 141 zur Gedenkstele für Magnus Hirschfeld in der Otto-Suhr-Allee
Bild: BA-CW, ML
Station 2: Wilmersdorfer Straße 145/146 / Rogacki
Ich begrüße ganz herzlich Herrn Harz, den stellvertretenden Ladenchef der ersten Charlottenburger Aal- und Fischräucherei, wie sie offiziell heißt, die dieses Jahr 90 Jahre alt wird. Herr Harz sagt Ihnen nun etwas zu der Geschichte des Unternehmens:
1928 eröffneten Paul und Lucia Rogacki einen Räucherwarenhandel im Wedding. 1932 zogen sie dann in die Wilmersdorfer Straße 145/146. Auch heute noch stammen 98 % der Räucherware aus eigener Produktion. Geräuchert wird über Buchenholz.
1944 zerstörte eine Bombe den Laden vollständig und 1951wurden dann auf dem Hinterhof in der Wilmersdorfer Straße wieder erste Waren verkauft. 1955 wurde das Geschäft vergrößert und das Sortiment um Wild, Geflügel und Wurst erweitert. Die Fischbraterei kam 1958 dazu, außerdem konnte man dann auch Fleisch-, Fisch- und Geflügelsalate kaufen. Ein neuerlicher Umbau erfolgte zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum. Neu hinzu kamen die Käse- und die Brotabteilung, und für viele Berliner und Berlinerinnen ganz wichtig die Feinschmeckerstände. Heute hat der Laden etwa 1000 m² Verkaufsfläche. Er wird von Dietmar Rogacki, dem Enkel, und Nicolai Rogacki, dem Urenkel von Paul und Lucia Rogacki, geleitet. Rogacki hat etwa 90 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, etwa die Hälfte ist im Verkauf beschäftigt, die andere arbeitet in der Produktion.
Vielen Dank, Herr Harz!
Wir gehen nun ein paar Schritte weiter bis zur Nummer 149, zum Gasthaus Wilhelm Hoeck.
Bild: BA-CW, ML
Station 3: Wilmersdorfer Straße 149 / Wilhelm Hoeck 1892
Das älteste noch bestehende Restaurant Charlottenburgs wurde 1892 von Wilhelm Hoeck als Wein- und Sekthandlung eröffnet. Bald danach wurde es erweitert und es kam eine Großdestillation, Likörfabrik und eine Probierstube hinzu. Die Probierstube ist heute der Schankraum. Likörfabrik und Destillation wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, der Schankraum blieb glücklicherweise erhalten. 1954 wurde dann eine Speisegaststätte angebaut, die heute noch neben dem Schankraum weitergeführt wird. Ende der 1970er-Jahre wurde hier Ein Mann will nach oben von Hans Fallada mit Manfred Krug verfilmt.
2010 hat ein neuer Pächter das traditionsreiche Restaurant umgestaltet und ausgebaut, die Speisekarte modernisiert und neu eröffnet. Im Januar 2017 wurde die 125 Jahre alte Berliner Kneipe wegen eines Streits der damaligen Pächterin mit den Vermietern geschlossen. Zum Glück für Charlottenburg konnte das Wilhelm Hoeck am 4.2.2017 vom neuen Wirt Marko Tobjinski wieder eröffnet werden, den ich ganz herzlich neben mir begrüße und der uns das Konzept seiner Traditionsgaststätte vorstellen wird.
Vielen Dank, Herr Tobjinski!
Beim Hoeck beginnt der historische Abschnitt der Wilmersdorfer Straße. Ab hier ist sie Teil der Altstadt Charlottenburg, die seit der Stadtgründung 1705 in dem Dreieck zwischen Schloßstraße, Zillestraße (damals Wallstraße) und Otto-Suhr-Allee (damals Berliner Straße) entstand. Die damalige Wallstraße bildete lange Zeit eine natürliche Grenze der Bebauung, weil an ihrer Südseite der Schwarze Graben oder auch Lietzengraben verlief. Er wurde um 1860 zugeschüttet. Erst danach konnten die Schloßstraße und die Wilmersdorfer Straße bis zur Bismarckstraße und darüber hinaus verlängert werden.
Wir gehen nun durch die Thrasoltstraße zum Gierkeplatz und treffen uns an der Ecke Gierkezeile wieder. Auf dem Weg dorthin werden Sie drei interessante Häusertypen sehen, über die wir später noch sprechen werden. In der Thrasoltstraße 15 ist der zweigeschossige Haustyp, der zwischen 1840 und 1870 gebaut wurde. In der Thrasoltstraße 25 steht der eingeschossige Haustyp. Das Haus wurde um 1823 von L. Mertens und Ludwig Grünberg gebaut. In der Haubachstraße 26 steht der viergeschossige Haustyp. Dieses Haus wurde 1887/1888 von Otto Harnisch und Paul Bratring gebaut.
Bild: BA-CW, ML
Station 6: Wilmersdorfer Straße / Ecke Behaimstraße
Wie vorhin schon gesagt, entwarf der Hofbaumeister Eosander ein eingeschossiges Modellhaus, was im ersten Jahrhundert des Bestehens der Stadt Charlottenburg die gängige Hausform war. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Häuser immer höher. Zuerst wurden es zweigeschossige, dann dreigeschossige Häuser. Zwischen 1870 und 1890 entwickelte sich der Bautyp Bürgerhaus zum viergeschossigen Mietshaus. Die ersten Beispiele können Sie mit den Hausnummern 162 und 158 und an der Kreuzung Haubachstraße mit der Nummer 156 sehen. Diese Häuser hatten noch keine Seitenflügel und keine Quergebäude. Das Haus schräg gegenüber wurde von R. Schenkenburg und Paul Schöltz 1884/1885 gebaut, die Nummer 162 1879/1880 von Hermann Marunge, das Haus Nummer 158 1874/75 von Franz Hertling und das Eckhaus mit der Nummer 156 an der Kreuzung Haubachstraße 1877/1878 von Ernst George. Das Haus hier gegenüber Ecke Behaimstraße / Wilmersdorfer Straße 12 ist ein Beispiel für das voll entwickelte Berliner Mietshaus. Dieser Typus wurde ab 1890 gebaut. Es hat fünf Geschosse, Seitenflügel und Quergebäude. In den Vorderhäusern gab es nun standardmäßig ein WC in der Wohnung und manche hatten auch ein Bad. Mädchenzimmer waren Standard. Weitere Beispiele dafür sind das Nachbarhaus mit der Nummer 13 und die Nummer 157 an der nächsten Kreuzung Ecke Haubachstraße. Die Nummer 12 und die Nummer 13 wurden von dem Architekten Robert Glasenapp und die Nummer 157 1901/1902 von dem Architekten S. Weile gebaut.
Wir überqueren nun die Wilmersdorfer Straße und treffen uns wieder vor dem Reformhaus.
Bild: BA-CW, ML
Station 8: Haubachstraße / Richard-Wagner-Straße
Station 8.1: Haubachstraße / Herkunft des Namens
Theodor Haubach wurde 1896 geboren. Er war Mitglied der SPD und arbeitete von 1924 bis 1929 als Redakteur bei der Tageszeitung Hamburger Echo, von 1929 bis 1930 als Pressereferent im Reichsinnenministerium und von 1930 bis 1932 als Pressechef beim Berliner Polizeipräsidenten. Von 1927 bis 1930 gehörte er zudem der Hamburger Bürgerschaft an
.
Politisch engagierte er sich beim Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, einer Vereinigung, die sich für die Weimarer Demokratie einsetzte und aktiv gegen den zur Macht drängenden Nationalsozialismus kämpfte. Nach 1933 baute er mit anderen Reichsbanner-Mitgliedern eine Untergrundorganisation auf. Er wurde verhaftet und von 1934 bis 1936 im KZ Esterwegen gefangen gehalten. Über einen Freund bekam er nach seiner Entlassung Arbeit in einer Papierfabrik. Im September 1939 wurde er vorübergehend noch einmal im Rahmen der Kriegs-Sonderaktion verhaftet. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Haubach zum dritten Mal verhaftet und vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Er wurde am 23. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet.
Station 8.2: Haubachstraße 8 / Akademie für internationale Bildung
Wir sind soeben an einem weiteren alten Bürgerhaus vorbeigekommen. Das eingeschossige Wohnhaus mit Werkstatt wurde 1826 wahrscheinlich von dem Architekten Engel errichtet. 1871 baute C. Michaelis den linken Seitenflügel an. 1905-06 errichtete Gustav Weyhe die Werkstatt.
Das Haus und seine Nebengebäude stehen inzwischen unter Denkmalschutz. Heute befindet sich dort die Akademie für internationale Bildung, natürlich nicht nur in dem alten Teil, der von der Straße aus zu sehen ist. Es gibt einen schönen Hinterhof mit einem fünfgeschossigen Quergebäude in Klinkerbauweise, wo genügend Platz für die Klassenräume ist. In der Akademie werden Schüler und Schülerinnen aus aller Welt zum Fachabitur geführt, und zwar in den Fächern Medien/Gestaltung, Wirtschaft und Sozialwesen. Zur Zeit werden gerade die Abiturprüfungen abgelegt.
Station 8.3: Richard-Wagner-Straße / Herkunft des Namens
Die Richard-Wagner-Straße wurde 1934 nach dem Komponisten Richard Wagner benannt. Er wurde 1813 in Leipzig geboren und starb 1883 in Venedig. Wagner trug viel zur Erneuerung der europäischen Musik im 19. Jahrhundert bei. Er veränderte die Musik der Romantik und die theoretischen und praktischen Grundlagen der Oper, indem er dramatische Handlungen als Gesamtkunstwerk gestaltete. Er gründete die Bayreuther Festspiele, bei denen ausschließlich seine eigenen Werke aufgeführt wurden und werden. Für diese Festspiele wurde in Bayreuth auch das Festspielhaus errichtet. Mit seiner Schrift Das Judenthum in der Musik gehört Wagner geistesgeschichtlich zu den überzeugten Vertretern des Antisemitismus.
Station 8.4: Richard-Wagner-Straße 39 / Stodiecks Buchhandlung
Herr Stodieck kann heute leider nicht selbst hier sein, um Sie zu begrüßen. Er hat mich beauftragt, Ihnen die herzlichsten Grüße auszurichten und Ihnen seine kleine, persönliche Geschichte der Buchhandlung vorzutragen. Ich lese vor:
1979 habe ich von Freunden den Tipp bekommen, einen Laden in der Richard-Wagner-Str. anzumieten. Ich hatte schon länger den Plan, eine eigene unabhängige Buchhandlung zu eröffnen. Ich stamme aus einer Buchhändler-Familie. Meine Eltern hatten 1946 einen Buchladen in Mönchengladbach gegründet. Im April 1979 haben wir ungefähr sieben Monate renoviert und Regale gebaut. Wir konnten uns auch über sehr viel Hilfe aus der Nachbarschaft freuen. Im Oktober 1979 war das große schöne Eröffnungsfest. Etwa zu der gleichen Zeit wurden zum Beispiel der Brotgarten in der Seelingstraße und auch die TAZ gegründet.
Wir haben immer ganz viele Kinderbücher und sonst hauptsächlich Belletristik und natürlich Krimis. Jedes lieferbare Buch bestellen wir fast immer über Nacht. Und seitdem halten wir wacker durch, wenn auch mit vielen Höhen und Tiefen, auch dank der vielen treuen Stammkunden und Freunde.
Eine Zeit lang haben wir auch Wolle in Strängen verkauft. Jetzt bieten wir seit über zwei Jahren Bio-Weine an. Der Buchladen wird nächstes Jahr vierzig und ich selbst übernächstes Jahr siebzig. Wie sieht die Zukunft aus? Mein Ziel ist eine langsame Übernahme durch neue frische Kollegen.
Station 8.5: Richard-Wagner-Straße 38 / Ackerbürgerhaus
Gegenüber sehen Sie noch ein Beispiel der von Eosander entwickelten Ackerbürgerhäuser, die im 18. Jahrhundert hier zwischen Feldern und Wiesen standen.
Station 8.6: Richard-Wagner-Straße 30 / Arno-Fuchs-Schule
Neben dem Ackerbürgerhaus befindet sich die Arno-Fuchs-Schule, in der Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden, die, wie es in der Sonderpädagogikverordnung heißt, wegen einer hochgradigen Beeinträchtigung ihrer intellektuellen Fähigkeiten und damit verbundener Lern- und Entwicklungsstörungen erheblich unter den altersgemäßen Erwartungsnormen liegen.
Die Schulanlage wurde von 1981 bis 1982 vom Hochbauamt Charlottenburg erbaut. Bei dem Schulgebäude handelt es sich um eine unregelmäßige ein- bis zweigeschossige Zweiflügelanlage, die mit roten Klinkern verblendet ist. Der Zweckbau weist glatte Fassaden mit eingerückten Fenstern, mehrere Erker und einen Balkon auf.
Die Figur vor uns ist eine Darstellung des Menschen, die um eine in Hüfthöhe angebrachte waagerechte Achse drehbar befestigt ist. Geschaffen wurde sie 1983 von dem Künstler Dietrich Arlt-Aeras. Namensgeber der Schule ist Arno Fuchs. Arno Fuchs wurde 1869 geboren und starb 1945. Er war in Berlin entscheidend an der Entstehung von Sonderschulen beteiligt.
Ich zitiere jetzt aus der Selbstbeschreibung der Arno-Fuchs-Schule im Internet, da sie das Profil der Schule sehr gut zusammenfasst:
Die Schülerinnen und Schüler werden im Alter von 5 ½ bis 6 Jahren eingeschult und besuchen nach der 10jährigen Schulpflichtzeit einen 2-jährigen berufsqualifizierenden Lehrgang […]
Die Schule ist eine Ganztagsschule mit Unterricht von 8-15 Uhr an 5 Tagen in der Woche und dem Angebot der Spät- und Ferienbetreuung für alle Schülerinnen und Schüler. Kollegen, die kaum oder nichtsprechende Schülerinnen und Schüler unterrichten, sowie Eltern dieser Schüler erhalten hier kompetente Beratung über alternative Kommunikationssysteme.
Die Arno-Fuchs-Schule versteht sich als ein “Ort zum Leben”. […] [Es gibt] den besonderen Bedürfnissen entsprechend gestaltete Klassenräume, einen Schulhof mit Schulgarten, ein Therapiebad, die Turnhalle, die Aula und unterschiedlich ausgestattete Fachräume. In unserer Schule wird der Unterricht nicht im 45-Minuten-Rhythmus durchgeführt. Jede Klasse kann die Lernphasen und Pausen nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler regeln. Der Stundenplan jeder einzelnen Klasse zeugt von einem sinnvollen Wechsel von Anspannung und Entspannung, von musischen Aktivitäten und dem Kennenlernen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, vom Erlernen der lebenspraktischen Tätigkeiten und dem Üben motorischer Fertigkeiten. Morgenkreis, gemeinsames Frühstück und Mittagessen gehören ebenso zum Schulleben wie Jahresfeste, Ausflüge und Klassenfahrten. Dadurch erwerben [die Schüler und Schülerinnen] individuell notwendige Kompetenzen für ein möglichst selbständiges Leben in sozialer Integration.
Wir gehen nun vor bis zur Otto-Suhr-Allee und treffen uns wieder vor der Hausnummer 93.
Kontakt
- Raum: 228
- Tel.: (030) 9029-12359
- Fax: (030) 9028-12908
- E-Mail presse@charlottenburg-wilmersdorf.de
Verkehrsanbindungen
-
U-Bahn
-
Bus
-
U Richard-Wagner-Platz
- M45
- N7
-
U Richard-Wagner-Platz