Gertrud Friedenheim wohnte bis August 1939 in der Krumme Straße 91. Danach zog sie in eine offenbar sehr kleine Wohnung in Berlin-Grünau, Sachsenstraße 18. Ob freiwillig oder von den Nazis gedrängt, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Eher ist wohl letzteres der Fall gewesen, denn später sprechen die nationalsozialistischen Schreibtischtäter von einer „Judenwohnung“, in der leider wenig zu holen sei. Das Inventar wurde nach der Ermordung Gertrud Friedenheims vom Gerichtsvollzieher im Auftrag des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg auf 70,70 RM geschätzt.
Geboren wurde Frau Friedenheim als Gertrud Lazarus am 7. August 1886 in Berlin. Ihre Mutter war Franziska Lazarus. Gertrud hatte einen Bruder Felix, der wie sie von den Nazis ermordet wurde, nach den Unterlagen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs in Potsdam am 26. August 1943 in Auschwitz. Offenbar war Gertrud Friedenheim zweimal verheiratet. Aus ihrer ersten Ehe mit einem Herrn Brohn hatte sie einen Sohn, der den Holocaust überlebte. Dies wird aus einem Schreiben des Berliner Senators für Inneres ersichtlich, der sich am 6. November 1967 mit der Bitte um Amtshilfe an den Haupttreuhänder für Rückerstattungsvermögen wandte: „Der Sohn der ersten Ehe der Frau F. strebt seine Wiedereinbürgerung an, kann jedoch den früheren Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit nicht nachweisen.“ In zweiter Ehe war sie mit Professor Friedenheim verheiratet.
Ansonsten ist in den spärlich erhaltenen Akten wenig über das Leben von Gertrud Friedenheim zu finden. Wir kennen weder ihren Beruf noch wichtige Lebensstationen. Wichtiger als ihr Leben waren den Nazis ohnehin ihr Tod und ihre materielle Situation. Noch viele Monate nach ihrer Ermordung stritten sich die Nazi-Behörden um das finanzielle Erbe. Auf Anfrage des brandenburgischen Oberfinanzpräsidenten, welches Vermögen die Jüdin Friedenheim bei ihr gehabt habe, antwortete die „Herzbank“ im Oktober 1943, bei ihr seien „Wertpapiere in Höhe von 2376 RM sowie mexikanische Anleihen“ anhängig. Diese Werte musste die Bank umgehend dem Reich überweisen. Und das Finanzamt Oberspree verlangte in einem „Haftungsbescheid“, dass nachträglich 4576,96 RM an die Finanzkasse zu zahlen seien, weil Gertruds Mutter Franziska Lazarus „die Judenvermögensabgabe samt Säumniszuschlag schuldig geblieben“ sei. Wir erwähnen diese im Prinzip privaten Geld-Angaben deshalb, um
aufzuzeigen, wie skrupellos sich die Nazis und ihre Helfer auch der materiellen Ausbeutung ihrer Opfer verschrieben hatten.
Gertrud Friedenheim wurde am 25. Januar 1942, also 55-jährig, mit dem „10. Osttransport“ vom Bahnhof Berlin-Grunewald nach Riga deportiert. Trotz herrschender Kältewelle wurden sie und ihre 1043 Schicksalsgefährten in gedeckte und völlig ausgekühlte Güterwagen gepfercht. Viele von ihnen erfroren auf der fast fünf Tage dauernden Reise, andere waren durch die Kälte stark geistig verwirrt. Sie wurden bei der Ankunft in Riga-Šķirotava selektiert und erschossen. Das konkrete Todesdatum von Gertrud Friesenheim ist nicht bekannt. Vermutlich hat auch sie den Transport nach Riga höchstens um wenige Tage überlebt.
Recherche und Text: Sönke Petersen