Siemensstadt
Wir befinden uns heute in Charlottenburg-Nord, und zwar in dem Teil, der zur Großsiedlung Siemensstadt gehört, die man ja mehr mit Spandau als mit Charlottenburg verbindet. Die Großsiedlung Siemensstadt wurde 1929-31 unter der Gesamtplanung von Hans Scharoun errichtetet. Der Charlottenburger Teil gilt als beispielhaft für den fortschrittlichen Wohnungsbau der 20er Jahre mit ihren aufgelockerten, von Freiräu-men und Grünstreifen umgeben, meist fünfstöckigen Wohnzeilen. Mittelpunkt der Siedlung im Charlottenburger Teil ist der Goebelplatz. Die Straßen wurden hier nach Technikern, Erfindern und Physikern benannt, auf deren Entdeckungen der Erfolg der Firma Siemens beruhte.
Von 1956 bis 1961 entstand die Erweiterung der Siedlung Siemensstadt hier im westlichen Teil Charlottenburg-Nords mit annähernd 4000 Wohnungen für 12.000 Menschen. Wir befinden uns hier am Halemweg in diesem Teil, der Ende der 50er Jahre entstand, und wir werden im Laufe unseres Spazierganges deutlich den Unterschied zur Bebauung der 20er Jahre erkennen können.
Den östlichen Teil von Charlottenburg-Nord, die Paul-Hertz-Siedlung, auf der anderen Seite des Kurz-Schumacher-Dammes, mit fast 2700 Wohnungen, baute man anschließend von 1961 bis 1965. Zum Planungsteam gehörten die Siemensstadt-Architekten Hans Scharoun und Otto Bartning. Hans Scharoun nannte seine Bauten “Wohngehöfte”.
Paradoxerweise wurde durch die Baumaßnahmen die Wohnungsnot zunächst verschlimmert, denn das Baugelände bestand größtenteils aus Kleingärten, in denen Wohnlauben standen, die meist ständig bewohnt waren. Sie mussten vor Baubeginn abgerissen werden, ohne dass gleich Ersatzwohnungen zur Verfügung standen.
Viele Straßen der neuen Siedlung wurden nach Widerstandskämpfern benannt. Die Nähe zur 1951 errichteten Gedenkstätte Plötzensee spielte dabei eine wichtige Rolle.
Der Halemweg beispielsweise wurde 1957 benannt nach dem Juristen und Widerstandskämpfer Nikolaus Christoph von Halem. Er wurde 1905 in Schwetz in Westpreußen geboren und im Alter von 39 Jahren am 9.10.1944 im Zuchthaus Brandenburg als Widerstandskämpfer hingerichtet
Er musste 1933 seine Richtertätigkeit beenden, weil er keinen Eid auf Hitler leisten wollte. Er hatte Kontakte zu dem Widerstandskämpfer Beppo Römer und wurde nach dessen Verhaftung 1942 ebenfalls verhaftet.
In Charlottenburg-Nord leben viele Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Durch eine problematische Politik der Wohnungsbaugesellschaften, vor allem der GSW, zogen hier viele Sozialhilfeempfänger her, während viele Berufstätige wegzogen, weil ihnen die Miete zu hoch wurde und weil es seit 1990 attraktive Alternativen im Umland gibt. Vor allem in der Paul-Hertz-Siedlung leben inzwischen viele Russlanddeutsche.
Halemweg 18: Jugendfreizeitzentrum
Am Halemweg befinden sich ein Reihe von großen Jugend-, Bildungs- und Schuleinrichtungen. Von uns aus gesehen den Anfang macht am Halemweg 18 der 1965 gegründete Jugendclub Halemweg.
Toeplerstraße
Die Toeplerstraße wurde bereits 1937 benannt nach dem Physiker August Joseph Ignatz Toepler. Er wurde 1836 in Brühl bei Bonn geboren und starb 1912 in Dresden. Er war Professor in Riga, Graz und Dresden, konstruierte eine Quecksilberluftpumpe und eine magnetische Waage.
Toeplerstraße 1
An der Ecke Halemweg und Toeplerstraße baute Hansrudolf Plarre 1962 bis 64 die evangelische Sühne-Christi-Kirche. Es ist ein hexagonaler, also sechseckiger Saal-bau mit dreieckigen Angauten für den Eingang und die Sakristei. Daneben steht ein freistehender Glockenturm. Es ist das Haus der Kirchengemeinde Charlottenburg-Nord.
Ich freue mich, dass Pfarrer Bolz uns seine Kirche selbst vorstellt. Und ich danke ihm herzlich dafür, dass er sich extra für uns Zeit genommen hat.
Halemweg 22-24
Hier befinden sich eine Reihe von Bildungseinrichtungen des Bezirks: Die Anna-Freud-Oberschule am Halemweg 22 wurde 1977 gegründet. Sie ist eine staatliche Fachschule für Sozialwesen mit gymnasialer Oberstufe. Rund 900 Schülerinnen und Schüler werden hier unterrichtet und auf ihre Tätigkeit im Sozialwesen vorbereitet.
Im Gebäude der Anna-Freud-Oberschule befindet sich auch die Stadtbibliothek Halemweg. Sie war die erste Bibliotheksneugründung in Charlottenburg nach dem Krieg. Sie wurde am 18. November 1962 eröffnet und versorgt seitdem die Bevölkerung im Norden des Bezirks mit Büchern und anderen Medien. 1977 bezog die Bibliothek ihre heutigen Räume im Schulgebäude. Zwar ist die Zusammenarbeit mit den Schulen ein Arbeitsschwerpunkt, doch die Bibliothek bietet nicht nur Lesestoff für Schüler, sondern auch Romane, Ratgeberliteratur und andere Medien: Kassetten und CDs, Videos und DVDs sowie 5 Internetplätze für die Bibliotheksbenutzer.
Ende April 2004 eröffnete das Bürgeramt eine Außenstelle in der Stadtteilbibliothek.
Am Halemweg 24 wurde 1973 die Poelchau-Gesamtschule eröffnet. Sie ist Berlins vierte Sportoberschule mit gymnasialer Oberstufe. Die Schule arbeitet unter anderem mit Hertha BSC zusammen und ist sehr engagiert. In sportlichen Wettkämpfen hat sie immer wieder große Erfolge zu verzeichnen, etwa bei “Jugend trainiert für Olympia”. Im Fußball gibt es sowohl eine erfolgreiche Mädchenmannschaft als auch eine erfolgreiche Jungenmannschaft.
Auch die Ruderer, die Tennisspieler und die Leichtathleten hatten schon große Erfolge. In diesem Jahr wurden die Fußballjungen der Poelchau-Oberschule bei der Schul-Weltmeisterschaft in Chile Weltmeister, und kurz danach schafften die Tennis-Mädchen bei der Schul-Weltmeisterschaft in Warschau ebenfalls den Schul-Weltmeistertitel – zwei Riesenerfolge in einem Jahr für unsere Schule.
Halemweg 30
Hier betreibt der Sportclub Charlottenburg seinen SCC-Hort “Villa Kunterbunt” und eine Physiotherapie. Im Vorgarten stehen zwei Störche.