Hilde Singer kam am 27. Mai 1911 als älteste Tochter von Alice und Siegfried Tradelius in Berlin zur Welt. Kurt Singer kam am 10. August 1911 als Kurt Deutsch in Wien als einziger Sohn von Irene und Ignatz Deutsch zur Welt. 1919 zog die Familie nach Berlin. Kurt begann eine Lehre in einem Unternehmen, das Eisenbahn-Güterwagen baute und an Firmen vermietete. Sein Herz aber schlug für die Schriftstellerei. Er schrieb Gedichte, Prosa und politische Artikel, veröffentlichte eine Lyrik-Anthologie und versuchte er sich als Verleger. Hilde Tradelius machte eine Ausbildung zur Laborantin und Röntgenassistentin, als sie Kurt Singer in einer jüdischen Jugendgruppe kennenlernte. Zur Hochzeit 1932 schenkten Hildes Eltern dem jungen Paar die „Buchhandlung am Olivaer Platz“, die sie für einen Spottpreis erstanden hatten.
Hilde und Kurt erfuhren von Freunden aus ihren politischen Zirkeln und ausländischem Radio von den Plänen und Gräueltaten der Nazis. Daraufhin produzierten sie im Keller ihrer Buchhandlung Flugblätter, in denen sie darum baten, Lebensmittelpakete an die Gefangenen zu schicken. Fast ein Jahr lang blieben sie unentdeckt, bis eine Mitarbeiterin Anfang 1934 unter Folter den Namen der Buchhandlung preisgab. Hilde wurde verhaftet. Kurt konnte bei Nacht und Nebel Deutschland verlassen.
Nachdem Hilde erfahren hatte, dass ihr Mann über Prag, Wien und Danzig schließlich in Schweden Asyl gefunden hatte, lernte sie im Gefängnis Schwedisch. Kurz nach ihrer Entlassung 1935 gelang ihr die Flucht in die Nähe von Stockholm.
Zum Schutz seiner Angehörigen in Deutschland änderte Kurt seinen Namen: Aus Kurt Deutsch wurde Kurt Singer (der Mädchenname seiner Mutter). Kurt und Hilde arbeiteten beide für die vom Sozialdemokraten Max Sievers finanzierte Zeitschrift „Freies Deutschland“, die nach Deutschland geschmuggelt wurde.
Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit arbeitete Kurt für schwedische, norwegische und britische Geheimdienste. Im Januar 1940 veröffentlichte er eine Biographie über Herman Göring, den Gründer der Gestapo und Oberbefehlshaber der Luftwaffe. „Göring, Deutschlands gefährlichster Mann“, war der Titel. Die schwedische Regierung beschlagnahmte die Bücher, verweigerte aber die Auslieferung und riet den Singers dringend zur Ausreise in die USA. Mit ihrer neugeborenen Tochter Marianne Alice gelang ihnen in letzter Minute die Flucht mit dem finnischen Frachter „Mathilda Thorden“.
Hilde war 39 Jahre alt, als sie in Amerika neu anfangen mussten. 1945 wurde Sohn Kenneth Walt geboren. 30 Jahre lang arbeitete Hilde von da an in New York in ihrem gelernten Beruf in der Medizin und ging erst mit über 70 in den Ruhestand.
Kurt arbeitete weiter als Schriftsteller und Journalist, Mitarbeiter verschiedener Geheimdienste, handelte Bücherrechte, baute eine Presseagentur auf, verfasste Kriminal- und Spionageromane, Volkssagen und Geistergeschichten und schrieb Biographien. „I spied and survived“ von 1980 ist sein vielleicht bekanntestes Buch, über das Ingrid Zwerenz 2002 schrieb: „Es ist eine Schande, dass seine Lebensgeschichte nicht ins Deutsche übersetzt wurde“.
Als das Ehepaar sich 1954 trennte, war Hilde alleinerziehende Mutter mit einem neunjährigen Sohn und einer 14jährigen Tochter in New York. Kurt heiratete 1955 in Kalifornien die Schriftstellerin Jane Sherrod und nach ihrem Tod 1987 die koreanische Geschäftsfrau Kyung Ja Han. Er starb 2005 im Alter von 94 Jahren in Santa Barbara; Hilde im Alter von 102 Jahre 2014 in New York.
Stolpersteine zum Gedenken an Hilde Singers Eltern Siegfried und Alice Tradelius sind am 21.3.2014 an der Jenaer Straße 21 verlegt worden.
Dies ist die Kurzfassung eines von Daniela Reinsch verfassten Lebenslaufs. Der vollständige Text ist – auch in englischer Sprache – in der folgenden Datei nachzulesen, die durch Anklicken zu öffnen ist.
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